BERLIN. (hpd) Am Mittwoch dieser Woche hat das Bundeskabinett den angekündigten Gesetzesentwurf zur Legalisierung der Beschneidung männlicher minderjähriger Kinder verabschiedet. Damit ist die Bundesregierung dem Begehren des Bundestages aus dem Juli nachgekommen, zügig einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die traditionellen und rituellen Knabenbeschneidungen von Muslimen und Juden weiter ermöglicht.
Bericht und Kommentar von Walter Otte
Noch in diesem Jahr soll der Bundestag das Legalisierungsgesetz beschließen. Muslimische und jüdische Verbändevertreter haben den Gesetzentwurf umgehend begrüßt, entspricht er doch ihren Vorstellungen und lässt ihnen weiter freie Hand bei Knabenbeschneidungen.
Vorbereitung des Gesetzesentwurfs ausschließlich mit Religionsvertretern
Die von Religionsfunktionären und Geistlichen vehement beklagte „Rechtsunsicherheit“ nach dem Urteil des Landgerichts Köln aus dem Mai dieses Jahres soll so schnell wie möglich beseitigt werden, ohne dass über Traditionen und Rituale in den jeweiligen Communitys auch nur ansatzweise nachgedacht wird. Dass ein Nachdenken auch seitens der führenden Politiker nicht beabsichtigt ist, zeigt sich zum einen am Eiltempo, in dem das „Problem“ gelöst werden soll, zum anderen aber auch daran, dass in die Erörterungen für eine gesetzliche Regelung lediglich Funktionäre des Zentralrats der Muslime und des Zentralrats der Juden sowie der israelische Oberrabbiner Metzger einbezogen worden waren. Kindermediziner und Kinderschutzverbände wurden erst gar nicht nach ihrer Einschätzung gefragt - ihnen war lediglich nach Vorlage eines Eckpunkte-Papiers des Bundesjustizministeriums gestattet, innerhalb von nur einigen Tagen ihre Auffassungen dem Ministerium schriftlich mitzuteilen. Ihre Einwändungen sind – wie angesichts der eindeutigen beschneidungsfreundlichen Zielvorgaben durch die Bundestagsentschließung im Juli nicht anders zu erwarten war – im vorgelegten Gesetzesentwurf nicht berücksichtigt worden. Sämtliche Warnungen von Medizinern, Psychologen und Traumatherapeuten vor Schäden und beeinträchtigenden Entwicklungen bei den betroffenen Knaben hat die Bundesregierung ignoriert. Selbst die (zurückhaltenden) Vorschläge des Deutschen Ethikrats, der ebenfalls im Eilverfahren mit dem Thema befasst war, sind in dem verabschiedeten Entwurf allenfalls unzureichend berücksichtigt.
Sonderrecht für religiöse Rituale wird im BGB untergebracht
Der Gesetzesentwurf sieht eine Ergänzung des Rechts der elterlichen Sorge im BGB durch Einfügung eines § 1631 d vor, der es Eltern gestattet, eine medizinisch nicht indizierte Vorhautbeschneidung ihres minderjährigen Sohnes rechtswirksam zu veranlassen. Vorschläge, eine entsprechende Regelung in das Gesetz über die religiöse Kindererziehung aufzunehmen, sind verworfen worden, um den Anschein eines Sondergesetzes für muslimische und jüdische Religionspraktiken zu vermeiden. Die geplante Gesetzesregelung stellt jedoch nach den Motiven der Bundesregierung sowie der Sache nach eine Sonderregelung zugunsten Beschneidungen praktizierender Religionen dar. Durch die vorgesehene Regelung im BGB werden Beschneidungen (ohne jede medizinische Notwendigkeit, aber auch ohne Eingrenzung auf eine religiöse Motivation) in Deutschland erstmals gesetzlich ausdrücklich erlaubt sein.
Mit der Aufnahme in das BGB befindet sich die vorgesehene Gesetzesvorschrift in unmittelbarer Nähe zu den Vorschriften, die dem Kind ein Recht auf gewaltfreie Erziehung und ein Recht auf Freiheit vor entwürdigenden Erziehungsmaßnahmen von Eltern sowie einen Schutz vor einer elterlichen Sterilisierungsanordnung gewähren (§§ 1631 und 1631 c BGB). Direkt neben der (bisherigen) Gewaltfreiheit wird die (künftige) Gewaltzulässigkeit unter dem Obertitel des Kindeswohls im BGB zu finden sein.
Bundesregierung: Knabenbeschneidungen entsprechen grundsätzlich dem Kindeswohl
Durch die Einordnung der Regelung in das Recht der elterlichen Personensorge wird klargestellt, dass eine Einwilligung der Eltern „in eine medizinische nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilfähigen männlichen Kindes“ grundsätzlich dem Wohl des Kindes entspricht. Eine Beschneidungsentscheidung der Eltern und das Kindeswohl können von daher nicht (von Ausnahmefällen abgesehen) in einem Gegensatz zueinander stehen. Es wird gesetzlich unterstellt, dass die Entscheidung der Eltern zur Beschneidung ihres Sohnes generell im Interesse des Kindes liegt. Auf die Motive der Eltern für eine Beschneidung kommt es nicht an; sie müssen auch nicht offengelegt werden
Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung der Eltern ist lediglich, dass die Beschneidung „nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden“ muss, somit das Tätigwerden eines Arztes erfordert (aber nur, wenn die Knaben älter als sechs Monate sind). In der Begründung des Gesetzesentwurfs werden eine „medizinisch fachgerechte Durchführung“ und eine „effektive Schmerzbehandlung“ verlangt, ohne dass hierzu jedoch eine Regelung getroffen wird. Auf diesem Gebiet ist vieles offen.
Beschneidungen und Strafrecht
Eine Beschneidung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst (trotz Einwilligung der Eltern) oder ohne Einwilligung der Eltern durchgeführt wird, bleibt weiterhin verboten und stellt eine strafbare Körperverletzung nach dem Strafgesetzbuch dar. Die Beschneidung von Mädchen bleibt ebenfalls weiter verboten und strafbar, da der vorgesehene § 1631 d BGB ausdrücklich nur die „Beschneidung des männlichen Kindes“ legalisiert.
Aufklärung der Eltern ohne Praxisrelevanz?
Vorgesehen ist nach der Begründung des Gesetzesentwurfs eine Aufklärung der Eltern über die medizinischen Risiken des Beschneidungseingriffs in den Körper ihres Sohnes, eine Aufklärung, die bereits jetzt vor jeder medizinischen Maßnahme, vor jeder Operation rechtlich erforderlich ist. Allein das dies der Regelung bedarf, zeigt wie in der Vergangenheit verfahren worden ist, sofern nicht Ärzte die Beschneidung vorgenommen haben. Ob allerdings dieses Erfordernis in der Praxis über die bloße Ankündigung hinaus von Bedeutung sein wird, ist fraglich, denn nach den bislang geltenden Vorschriften des Arztrechts wird es für eine Aufklärung ausreichen, wenn den Eltern ein die Risiken darstellendes Schriftstück vorgelegt wird, welches sie lediglich zu unterschreiben haben. Eine Aufklärung der Eltern mit mündlicher Erläuterung der einzelnen Risikofaktoren, die bei der Vorhautamputation eine Rolle spielen können, ist nicht vorgesehen.
Kindeswohlgefährdung nur in Ausnahmefällen
Entspricht die Entscheidung der Eltern nach den Vorstellungen der Bundesregierung somit ohne weiteres dem Kindeswohl, und zwar ohne dass es auf die von den Eltern mit der Beschneidung verfolgten Motive, seien sie religiöser, traditioneller, kultureller, prophylaktischer oder subjektiv-ästhetischer Art, ankommt, so sieht der Gesetzesentwurf doch eine Ausnahmeregelung vor, und zwar für den Fall, dass „durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird“. Lediglich ganz besondere, erheblich über das Normalmaß hinausgehende Gefahren für Leib oder Leben des Knaben (etwa wenn er „Bluter“ ist, „Gelbsucht“ hat oder zu früh zur Welt gekommen ist) werden erfasst. Es muss sich um nachhaltige und schwerwiegende Gefährdungen handeln, die Ausnahmecharakter haben, da die üblicherweise mit der Beschneidung einhergehenden Risiken vom Knaben (aufgrund der elterlichen Entscheidung) hinzunehmen sind.
Erfasst werden von der Ausnahmeregelung wohl auch Beschneidungsentscheidungen von Eltern, mit denen das Ziel verfolgt wird, ihrem Sohn das Masturbieren zu erschweren oder ihn wegen eines von Eltern angenommenen Fehlverhaltens mit der Entfernung seiner Vorhaut zu bestrafen, auch Beschneidungen aus subjektiv-ästhetischen Gründen könnten von dieser Regelung erfasst werden. Problem dabei ist jedoch, dass dies ohne wesentliche praktische Bedeutung sein wird. Denn diese Motivationen der Eltern werden nur in seltenen Konstellationen bekannt werden, da Eltern nicht verpflichtet sein werden, die Motive für ihre Beschneidungsentscheidung offen zu legen. Darauf haben übrigens die Religionsfunktionäre ganz besonderen Wert gelegt, da sie (selbst) bei einer Verpflichtung zur Offenlegung der Beschneidungsgründe die Religionsfreiheit der Eltern als gefährdet bezeichnet haben.
Schon diese Beispiele zeigen, dass künftig die Knaben weitestgehend schutzlos den Beschneidungsentscheidungen der Eltern ausgeliefert sein werden.