Katholische Frohbotschaften

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Kirchenmitglieder / Grafik: kirchensteuer.de

WIEN. (hpd) Die katholische Kirche in Österreich wird immer kleiner. 2012 sind laut kircheneigenen Angaben mehr als 52.000 Menschen ausgetreten. Nach außen verkaufen die katholischen Verlautbarungsorgane das als Erfolg.

5,36 Millionen Menschen in Österreich sind offiziell Mitglied der katholischen Kirche. Um gut 40.000 weniger als im Vorjahr. So wenige wie nie seit 1945. Der Katholikenanteil ist auf ein historisches Tief gesunken. Nur knapp 63 Prozent der Bevölkerung sind als Katholiken registriert. So wenige waren es seit dem Höhepunkt der Reformation nicht, als im Wiener Stephansdom protestantische Messen gelesen wurden.

Die katholische Kirche nimmt das – zumindest nach außen hin – nicht zur Kenntnis. „Katholikenzahlen 2012: Erneuter Rückgang bei Kirchenaustritten“ titelt die katholische Presseagentur Kathpress die statistische Verlautbarung am Mittwoch. Und tut so, als seien 52.000 Ausgetretenen kein Drama.

Das stimmt höchstens, wenn man die vergangenen drei Jahre als Messlatte heranzieht. 2010, als der Skandal um jahrzehntelange sexuelle Gewalt an Kindern seinen Höhepunkt erreichte, traten fast 90.000 Menschen aus der katholischen Kirche in Österreich aus. 2009 waren es auch schon fast 60.000 gewesen. (Siehe auch: Kopf im Sand und Rekordaustritte). Auch 2011 lag die Zahl der Kirchenaustritte mit 59.000 geringfügig höher.

2008 waren es nur 40.000. Das relativiert die katholische Frohbotschaft von den sinkenden Kirchenaustrittszahlen beträchtlich. Zumal, wenn man bedenkt, dass es 2012 keine größeren Skandale rund um die österreichische Kirche gegeben hat.

Auf deutsche Verhältnisse übertragen müsste man diese Zahlen verfünffachen bzw. verzehnfachen, es  wäre für Deutschland dann eine Zahl zwischen 250.000 bis 500.000 Kirchenmitgliedern, die der katholischen Kirche den Rücken gekehrt hätten.

Migration verhindert stärkeren Absturz

Aus Sicht des Kardinals Christoph Schönborn und anderer Vertreter der katholischen Hierarchie hätte es allerdings weitaus schlimmer kommen können. Die Zuwanderung vor allem aus Teilen Osteuropas scheint die Zahl der Katholiken halbwegs stabilisiert zu haben. Ohne neuzugezogene Polen, Kroaten, Slowaken und Ungarn wäre die Zahl um mindestens 12.000 mehr gesunken als ohnehin. Die Tatsache, dass seit Jahren mehr Katholiken begraben als Kinder katholisch getauft werden, ist hier gar nicht berücksichtigt. Das wird in der katholischen Verlautbarung auch bestenfalls angedeutet.

Schönborn sieht 78 Prozent Christen, keiner weiß wo

Schönborn entdeckt angesichts seiner kleiner werdenden Schäfchenherde seine Liebe zur Ökumene. Österreich sei immer noch ein christlich geprägtes Land, sagt er trotzig. 78 Prozent der Bevölkerung gehörten einer christlichen Glaubensrichtung an, verkündet er eine weitere Frohbotschaft. Freilich eine seltsame für einen Vertreter einer Glaubensgemeinschaft, die sich bis heute im Besitz des einzig wahren Weges zur Seligkeit weiß. Und sogar 85 Prozent seien irgendwie getauft. Die Botschaft ist klar politisch zu verstehen. Die katholische Kirche mag kurz vor der Implosion stehen. Ihren Einfluss will sie nicht aufgeben.

Woher der Kardinal diese Zahlen haben will, verrät die Kathpress-Verlautbarung nicht. Laut seiner Rechnung müsste es 1,4 Millionen registrierte Mitglieder nicht-katholischer Kirchen in Österreich geben. Das wären fast doppelt so viele wie bei der letzten Volkszählung 2001. Oder, in absoluten Zahlen: um knapp 600.000 mehr als 2001. Die Bevölkerung ist im gleichen Zeitraum nur um knapp 500.000 Menschen gewachsen.

Irgendwie schlagen sich die katholischen Versuche, Phantomchristen zu finden, mit den Gesetzen der Mathematik. Zumal, wenn man bedenkt, dass auch die Zahl der Protestanten seit 2001 um 50.000 gesunken ist.

Finanzielles Trostpflaster

Finanziell dürften sich die Sorgen in Grenzen halten. Es darf vermutet werden, dass auch 2012 die Kirchenbeiträge gestiegen sind. Das taten sie auch 2011 bei 59.000 Austritten, wie die katholische Bischofskonferenz am Dienstag bekannt gab. Im Vorjahr könnte die Steigerung sogar deutlicher ausgefallen sein. Der Absetzbetrag für den Kirchenbeitrag wurde auf 400 Euro verdoppelt. Ein steuerlicher Anreiz für Besserverdienende, mehr zu zahlen. Was den Schmerz der Kirchenhierarchie über so manchen Austritt lindern dürfte.

Vielleicht erklärt das auch, warum sich der Klerus  sich angesichts des Schrumpungsprozesses so gelassen geben kann.

Christoph Baumgarten