Fragliches Urteil für Nazi-Gegner in Dresden

Thierse behielt leider recht. Das unverhältnismäßige Verhalten der Polizei beschädigt die demokratische Kultur in unserem Land.

Solches Engagement selbstbewusster Bürger scheint ein Dorn im Auge zu sein. Denn das Einschüchtern engagierter Menschen in Dresden ist nicht neu. Auch in den letzten Jahren versuchten sächsische Justiz und Polizei die Proteste zu sabotieren. Plakate wurden beschlagnahmt, Hausdurchsuchungen durchgeführt, die Website des Bündnisses abgeschaltet, Telefonanschlüsse überwacht und zahlreiche Busse von Antifaschisten kilometerweit vor der Stadt aufgehalten.

Politik mit Gerichtsurteilen

Da passt das Urteil des Richters Hlavka. Die Sächsische Justiz, angeführt von Dresdner Staatsanwaltschaft und Amtsgericht, wollen Politik mit Gerichtsurteilen machen. Menschen sollen durch das Risiko einer harten Strafe abgehalten werden, ihrem demokratischen Recht auf zivilen Ungehorsam Ausdruck zu verleihen. Richter Hlavka hat dies sogar in seiner mündlichen Urteilsbegründung offen ausgesprochen.

Wessen Geistes Kind sind solche Richter, die nach Gutdünken Urteile fällen, ohne auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit zu bleiben? Wie kann dem Angeklagten es als negativ angerechnet werden, sich anwaltlich vertreten zu lassen und sich zur Sache nicht zu äußern? Wie kann es sein, dass jemand, der nicht zweifelsfrei durch Zeugen identifiziert werden konnte, auf bloße Indizien hin verurteilt wird? Und wieso wird jemand für die Taten anderer verurteilt? Da bleiben doch wichtige Fragen offen. Oder ist es Methode? Sollte hier ein Exempel statuiert werden, da sich 2013 auch wieder der 13. Februar nähert?

Sollte dieses Urteil gegen Tim H. als Abschreckung dienen, Menschen, die sich gegen Neonazis auflehnen, bei ihrem weiteren Engagement einzuschüchtern? Engagement gegen Neonazis, welches sich abseits von Demokratiemeilen und Menschenketten abspielt, wird verurteilt.

Ist es der Verdruss über die verlorenen Prozesse aus 2010, dass man hier gleich mal noch härter zuschlägt, oder die Mehrzahl der eingestellten Verfahren gegen die friedlichen Blockierer, die ins Leere liefen?

Dresden am vergangenen Freitagabend: „Knapp 500 Dresdner haben mit einer Demonstration durch die Innenstadt gegen das Urteil im Blockierer-Prozess gegen den Berliner Tim H. protestiert. Unter dem Motto "Solidarität mit Tim" zogen sie vom Postplatz bis zum Amtsgericht, wo der 36-Jährige am Mittwoch wegen seiner Beteiligung an den Nazi-Blockaden vom 19. Februar 2011 zu 22 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden war.“

"Wir lassen nicht zu, dass Antifaschismus kriminalisiert wird. Wir alle sind Tim!", sagte Silvio Lang, Sprecher des Bündnisses Dresden-Nazifrei. "Wir alle haben gerufen 'nach vorn'". Lang und andere Redner kritisierten noch einmal das aus ihrer Sicht zu harte und politisch motivierte Urteil.”

Vielleicht sollte doch einmal eine andere Methode des Protestes probiert werden. In drei Wochen steht der nächste Gedenktag an die Bombardierung Dresdens 1945 an. Erneuter Nazi-Aufmarsch? Wie wäre es, überhaupt nicht hinzugehen. Keinerlei Medienberichte, keine Demonstrationen, zugezogene Fenster – nur leergefegte Straßen und Plätze. Für wen ist dann der Nazi-Aufmarsch, wenn er mit absoluter Ignoranz behandelt wird? Es wäre zumindest ein legaler, friedlicher Protest.

Elke Schäfer