Manchmal kommen sie in Klischees daher

Rassismus ist Mainstream

Mein ungebetener Begleiter hatte offensichtlich keinen Genierer. Damit ist der nicht allein. Sein offener Antisemitismus mag außerhalb radikalisierter Fußballfans (noch) weitgehend tabu sein. Vergleichbare Aussagen über andere Bevölkerungsgruppen sind es längst nicht mehr. „Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe“ stand erst im vergangenen Jahr auf Wahlplakaten der FPÖ 2010 ließ die gleiche Partei wienweit plakatieren: „Mehr Mut für unser Wiener Blut. Zu viel Fremdes tut niemandem gut“. (Allein heuer hat es nach öffentlicher Aufregung eine Serie von Rücktritten in dieser Partei gegeben. Den Betroffenen waren Nähe zu Neonazi-Organisationen bzw. zu NS-Gedankengut nachgewiesen worden.)

Im Wirtshaus hört man (ungefragt) Automechaniker, die über das Integrationspotential von Muslimen philosophieren und zu wenig schmeichelhaften Urteilen über „die Türken“ kommen. Der jährliche Report der Organisation ZARA zeigt Erschreckendes auf. Rassismus ist Mainstream in Österreich. Wer nicht zumindest latent rassistisch ist, kann sich mit einigem Recht als Außenseiter bezeichnen.

Darf man sich wundern, wenn sich Menschen mit Sympathien für NS-Gedankengut immer offener aufzutreten trauen?

Die Flucht gelingt

Das wandelnde Klischee, das mich weiter ungebeten begleitet, gibt mir mittlerweile glücklicherweise nur mehr Ernährungstipps. Wir kommen an einer Straßenecke an. Ich biege in die nächste Trafik ein. Glücklicherweise braucht er keinen Tabak. Ich bin froh, ihn los zu sein. Er verabschiedet sich freundlich.

Eine halbe Stunde später sehe ich ihn aus der Ferne mit seiner Hündin. Ich ziehe die Kappe tiefer runter und schaue zu Boden, in der Hoffnung, er möge mich nicht sehen.

Er bemerkt mich nicht. Wahrscheinlich denkt er gerade an Rapid. Oder an seine neue Thor-Steinar-Jacke. Hoffentlich nicht laut.

Christoph Baumgarten