hpd: Aus welchen Wissenschaftsbereichen kommen die weiteren Beiträge im Buch?
Helmut Fink: Winfried Henke gibt einen fundierten Einblick in Paläoanthropologie und Primatologie, behandelt also die Frage „Woher kommt der Mensch?“ naturwissenschaftlich. Die simple Antwort ist natürlich „Aus Afrika“ – aber aus Henkes Beitrag kann man weitaus mehr lernen, auch methodisch. Der Biologiehistoriker Thomas Junker erklärt, wie sich derart reproduktionsfeindliche Handlungen wie Selbstmordattentate dennoch mit evolutionärem Nutzen vereinbaren lassen. Bemerkenswert ist auch der Beitrag von Rainer Prätorius. Er schildert die säkulare Szene in den USA, wo ja die Auseinandersetzung um die Evolution in der Schule seit dem berühmten „Affenprozess“ von 1925 immer wieder eine Rolle spielt.
hpd: Im abschließenden Beitrag skizziert Gerhard Engel eine „skeptische Theorie kulturellen Fortschritts“. Was genau ist darunter zu verstehen?
Helmut Fink: Gerhard Engel erläutert wichtige Aspekte seiner Version eines Evolutionären Humanismus. Er verteidigt die These, dass es Fortschritt gibt und hebt dabei besonders den intellektuellen Fortschritt hervor, der einen technischen und gesellschaftlichen Fortschritt erst ermöglicht. Sozialen Fortschritt sieht er vor allem durch Kooperationsgewinne verwirklicht, die man durch kluge Regeln und Institutionen fördern kann. Kulturellen Fortschritt sieht er ebenfalls kooperativ begründet, nämlich durch neue Ideen, die unversöhnlich erscheinende Gegensätze zu einer neuen, tragfähigen Synthese führen. Er nennt Beispiele aus Philosophie, Sozialwissenschaft und Musik. Aber der Fortschritt kommt auch bei ihm nicht zwangsläufig, insofern bleibt ein skeptisches Element. Außerdem ist Engel immer dann skeptisch, wenn der Humanismus zu „weltanschaulich“ daherkommt. Das steht in diesem Beitrag allerdings nicht, dazu wird es dann einen weiteren Text von ihm im nächsten Band dieser Reihe geben...
hpd: Die Ergebnisse der 13 Beiträge zusammengenommen: Hat sich Humanismus nun aus Zufall oder als Notwendigkeit entwickelt?
Helmut Fink: Nun ja, die moderne Naturbeschreibung kombiniert fast immer beide Elemente. Schon der Buchtitel von Jacques Monod, auf den der jetzige Untertitel anspielt, hieß „Zufall und Notwendigkeit“. Das scheint mir auch für das Verständnis des Humanismus der richtige Zugang: Bloß zufällig hat er sich sicher nicht entwickelt. Der Humanismus ist ja nicht einfach eine Schnapsidee, die sich jemand ausgedacht hat. Sondern er beruht auf guten Argumenten, wissenschaftlichen Erkenntnissen, menschlichen Bedürfnissen und ethischen Werten. Und dass sich der Humanismus notwendig entwickelt habe, ist mir eine zu kühne These. Für die Annahme eines Geschichtsdeterminismus fehlen einfach gute Gründe. Das müssen sich alle Hegelianer und Marxisten sagen lassen. Der Humanismus kommt also nicht von selbst, wir müssen schon etwas dafür tun. Wir spielen eine aktive Rolle in der kulturellen Evolution!
Die Fragen stellte Martin Bauer.
Helmut Fink (Hrsg.): Die Fruchtbarkeit der Evolution. Humanismus zwischen Zufall und Notwendigkeit. Schriftenreihe der Humanistischen Akadamie Bayern, Bd. 5. Aschaffenburg 2013. Alibri Verlag, 298 Seiten, kartoniert, Euro 20.-, ISBN 978-3-86569-072-2
Das Buch ist im denkladen erhältlich.