Laizismus im Wahlprogramm der LINKEN

parteitag_linke.jpg

Parteitag der LINKEN / Foto: LINKE

DRESDEN. (hpd) Nach emotionsgeladener Debatte haben die Delegierten des Bundesparteitages der Partei DIE LINKE einen klaren Punkt zum Laizismus in das Wahlprogramm für die Bundestagswahl aufgenommen. Initiator war die Bundesarbeitsgemeinschaft Laizismus, deren Antrag vom Landesverband NRW mitgetragen wurde.

In die endgültige Formulierung sind auch Forderungen des Ortsverbandes Braunschweig und der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft eingeflossen.

In der Demokratie ist es manchmal so, dass ein Teil der Gesellschaft bei Wahlen oder in Abstimmungen unterliegt. Manchmal tatsächlich, aber oft auch nur gefühlt. Es kommt auch dies vor: Manch einer steigert sich in Nebensächlichkeiten hinein und verliert so den Focus auf das Wesentliche.

So auch bei der Diskussion über den Laizismusteil im Wahlprogramm der LINKEN. Da wird an einer Stelle gefordert, die Notwendigkeit des Blasphemiegesetzes (§ 166 StGB) auf den Prüfstand zu stellen.

Die Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz emotionalisierte die Debatte mit einem wohlkalkulierten Killerargument. Die MdB, die in diesem Themenkomplex viel unterwegs ist, behauptete doch allen Ernstes, dass die strafrechtliche Verfolgung der Schändung jüdischer Friedhöfe dann künftig nicht mehr möglich sei. Da lag sie aber voll daneben und die Delegierten nahmen ihr das auch nicht ab.

Die Anschläge meist rechtsradikaler Grabschänder auf jüdische Friedhöfe wurden noch nie nach dem § 166 StGB verfolgt. Die Justiz hat da schärfere Gesetze wie Volksverhetzung und Sachbeschädigung. Und deren Abschaffung steht ja nun wirklich nicht auf der Agenda.

Genauso wie behauptet wird, dass der laizistische Programmteil ein Angriff auf religiöse Gefühle sei, war der Einwand von Christine Buchholz - der Versuch unter Hinweis auf vermintes Gelände (jüdische Grabsteine) Emotionen zu schüren. Trotz fortgeschrittener Nachtstunde, haben die Delegierten dieses Manöver durchschaut.

Wir blicken derzeit auf Auseinandersetzungen in repressiven Staaten, in denen die Blasphemiegesetze dazu führen, dass jemand, der einen Koran verbrennt, für elf Jahre ins Gefängnis geworfen wird. Ein falscher Liedtext, eine falsche Zeile über Twitter und es droht der Tod.

Da kann es doch nicht wahr sein, dass linke Abgeordnete sich für die Beibehaltung des Blasphemieparagraphen stark machen, zumal sie doch wissen, dass auch der rechte Rand in Deutschland die Verschärfung dieses Gesetzes will.

Wir dürfen nicht verkennen, die Aufklärung schreitet voran und die Religionen erleben einen tiefgreifenden Bedeutungsverlust. Deshalb machen sie jetzt mobil und scheuen auch vor Diffamierungen und Falschbehauptungen nicht zurück.

Erst am 14. Juni war früh am Morgen im WDR-Kirchenfunk ein Vertreter der evangelischen Kirche zu hören, der etwa sechs Minuten lang über ver.di und Frank Bsirske hetzte. Das kirchliche Arbeitsrecht war sein Thema - das galt es zu verteidigen. Das achte Gebot war dem Kirchenvertreter dann wohl auch noch unbekannt; behauptete er doch, dass Beschäftigte der Kirchen durchweg höhere Löhne beziehen als diejenigen, die nach einem von ver.di ausgehandelten Tarifvertrag arbeiten. Das sollte er mal mit den unter Lohndumping leidenden Mitarbeitern des Profitzentrums Bethel besprechen.

Während es aus Kreisen einzelner höherer Parteifunktionäre eine deutliche Ablehnung des Laizismus-Prinzips gibt, positionieren sich z. B. Theologen ganz anders. So der Pfarrer i. R. Peter Franz, Weimar, gegenüber den Autoren dieses Beitrages: "Ramelow schreibt von einem Antrag zur Religionspolitik, ohne den Inhalt dieses Antrags zu benennen. Wird jetzt ein Bekenntnis zum Atheismus gefordert? Doch wohl nicht... Also ist es der Grundsatz des Laizismus, zu dem auch ich mich als Theologe und Geistlicher gut verstehen kann. Warum also seine Gegenstimme?"

Und was die Forderungen zur Abschaffung der Militärseelsorge angeht, so möge man sich nur ein Interview des evangelischen Pfarrers Rainer Schmid mit der Tageszeitung Junge Welt (12. Juni 2013) anschauen. Kritische Theologen betreiben zu diesem Thema übrigens eine eigene Website.

Auch wenn es ein Kompromiss ist

Die LINKE hat seit Monaten verkündet, "das beste Wahlprogramm aller Zeiten" beraten und beschließen zu wollen. Das ist am letzten Wochenende in Dresden auch gelungen. Gut, jeder einzelne der 500 Delegierten kennt Themenbereiche, die seinem persönlichen Anspruch nicht genügen und ist sich sicher, dass es noch besser geht.

Auch wir könnten uns das bei einigen Themenfeldern vorstellen. Der laizistische Bereich könnte fünfmal so lang und ein Vielfaches an Forderungen enthalten, doch wäre ein Übermaß an Forderungen evtl. an der Zustimmung der Delegierten gescheitert. Uns war das laizistischste Wahlprogramm aller Parteien lieber, als gar keines.

In vielen Verhandlungen haben wir es erreicht, dass nicht mehr viele Antragsteller Änderungen beantragten (was beim Einbringungszeitpunkt 23:30 Uhr zum Unmut vieler Delegierter geführt hätte), sondern nur noch zwei Spiegelpunkte abgestimmt wurden. Den Rest hatten wir gegenseitig übernommen und einige Passagen wurden in Kompromissgesprächen auch "entschärft".

Bei der Abstimmung darüber konnte die Tagungsleitung kein eindeutiges Ergebnis der Handabstimmung feststellen. Deshalb wurde ausgezählt. Das Ergebnis 194 Ja- und 170 Nein-Stimmen.

Damit waren die Punkte auch im Wahlprogramm, über das dann sofort danach in Gänze abgestimmt wurde. Nur fünf von etwa noch 450 anwesenden Delegierten stimmten gegen das Gesamtprogramm - darunter der Landesvorsitzende von Thüringen, Bodo Ramelow. Der sagte dann an nächsten Morgen in einer persönlichen Erklärung vor versammelter Delegiertenschaft, dass durch diesen Programmteil seine religiösen Gefühle verletzt worden seien.

Ralf Michalowsky und Siegfried R. Krebs

Der Wortlaut der beschlossenen Laizismus-Passage im Bundestagswahlprogramm der Partei DIE LINKE:

___________________________________________________

Bekenntnisfreiheit verwirklichen, Religionsgemeinschaften gleichbehandeln, Staat und Kirche institutionell trennen

DIE LINKE verteidigt das Recht aller Menschen auf ein Bekenntnis zu einer Weltanschauung oder Religion. Sie tritt ein für den Schutz weltanschaulicher und religiöser Minderheiten und für eine institutionelle Trennung von Staat und Kirche und die Abschaffung der Militärseelsorge.

  • Grundrechte und Arbeitnehmer/innen-Rechte müssen auch in den Kirchen und Religionsgemeinschaften und in deren Einrichtungen Geltung haben, auch das Streikrecht und das Betriebsverfassungsgesetz.
  • Durch kirchliche Arbeitgeber ausgeübte Diskriminierung von Beschäftigten aufgrund ihrer Lebensumstände oder ihrer Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit in Bereichen, die nicht unmittelbar der Religionsausübung dienen, muss gesetzlich verhindert werden.
  • Wir wollen keine Bevorzugung von kirchlichen gegenüber öffentlichen Trägern bei der Vergabe von Trägerschaften, z.B. für Kindertagesstätten.
  • Schulen sollen Wissen über Religionen vermitteln und die wechselseitige Toleranz der Glaubensgemeinschaften fördern. Der Unterricht ist im Rahmen des Bildungsauftrages des Staates durch staatlich anerkannte Lehrkräfte zu leisten, unabhängig von kirchlicher oder religionspolitischer Einflussnahme.
  • Schulgebet, Schulgottesdienst und religiöse Symbole wie das Kruzifix sind in staatlichen Schulen zu entfernen.
  • Verfassungen dürfen keine religiösen Bezüge aufweisen. Religiöse Sonderregelungen wie das Blasphemiegesetz (§ 166 StGB), die Feiertagsgesetze sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie zur Wahrung der religiösen Empfindungen der Angehörigen der unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften erforderlich sind.
  • Wir wollen den seit 1919 bestehenden Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen endlich umsetzen. Die Kirchensteuer gehört abgeschafft. Für die Erhebung und Eintreibung von Mitgliedsbeiträgen und damit verbunden auch für die Mitgliederverwaltung an sich sollen ausschließlich die Religionsgemeinschaften selbst zuständig sein. Eine Erhebung der Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit durch die Meldeämter wird dadurch überflüssig und kann wegfallen.

(beschlossen auf dem Parteitag der LINKEN am 15. Juni 2013 in Dresden)