FRANKFURT/Main. (hpd) Das Jüdische Museum in Frankfurt/Main führt vom 25. April bis 6. Oktober 2013 die Ausstellung „Juden. Geld. Eine Vorstellung“ durch. Der Ausstellungskatalog mit gleichem Titel enthält eine Fülle von historischen Fallstudien zum Thema, die einen anschaulichen Überblick zu einschlägigen Ressentiments gegen Juden liefern.
Der Antisemitismus bediente sich im Laufe seiner ideengeschichtlichen Entwicklung der inhaltlich unterschiedlichsten Ressentiments und Stereotype. Eines der bekanntesten und einflussreichsten Klischees war und ist die Identifizierung der Juden mit dem Geld: Die Behauptung vom „Schachern“ und „Wuchern“ geht bis ins Mittelalter zurück und hat bis heute als mal latente, mal manifeste Einstellung im Alltagsdiskurs seinen Platz.
Um auf die unterschiedlichsten Dimensionen der Gleichsetzung von „Geld“ und „Juden“ aufmerksam zu machen, initiierte das Jüdische Museum Frankfurt/M. eine Ausstellung mit dem Titel „Juden. Geld. Eine Vorstellung“, wozu auch ein umfangreiches Begleitbuch mit gleichem Titel erschien. Unter der Herausgeberschaft von Fritz Backhaus, Raphael Gross und Liliane Weissberg versammeln sich darin begleitet von historischen und aktuellen Bildern 17 Aufsätze von Historikern und Sozialwissenschaftlern, die den unterschiedlichsten Aspekten des Themas meist mit einer geschichtlichen Perspektive nachgehen.
Bereits im Vorwort macht Gross auf die besondere Dimension der Aversionen im genannten inhaltlichen Kontext aufmerksam: „Es ist ... nicht das Geld selbst, sondern eine bestimmte Vorstellung der negativen Wirkung von Geld, die ... in der Verbindung ‚Juden – Geld’ zum Tragen kommt.“ Und weiter heißt es: „Hier steckt im Bild des ‚reichen Juden’ und überhaupt der Vorstellung von ‚Juden und Geld’ jeweils ein moralischer Vorwurf: Das steht den Juden eigentlich nicht zu“ (S. 8). Die darauf folgenden Aufsätze widmen sich dann den unterschiedlichsten Aspekten des Hauptthemas mit jeweiliger Schwerpunktsetzung. So geht Liliane Weissberg im Prolog etwa auf die literarische Figur des Nathan bei Lessing und des Shylock bei Shakespeare ein. Der jüdische Geldverleih im Mittelalter, der Reichtum der Hofjuden, die zweischneidige Erfolgsgeschichte der Wiener Juden sowie der Mythos um das Bankhaus Rothschild bilden dann bei Martha Keil, Rotraud Ries, Gabriele Kohlbauer-Fritz und Fritz Backhaus die Schwerpunkte ihrer Abhandlungen.
Dem folgen Beiträge zu jüdischen Münzentrepreneurs in Preußen von Bernd Kluge, jüdischen Privatbankiers von Martin Münzel, dem jüdischen Handel in der Neuzeit von Jonathan Karp und zu jüdischen Warenhaus-Unternehmern von Paul F. Lerner.
Danach stehen die jüdische Tradition der Wohltätigkeit („Zedaka“) bei Johannes Heil, die Entwicklung des jüdischen Wohlfahrtswesens bei Derek J. Penslar und das jüdische Mäzenatentum in Kunst und Wissenschaft bei Sven Kuhrau im Zentrum des Interesses. Anschließend behandeln Nicolas Berg judenfeindliche Ressentiments in der Wissenschaft, Jerry Z. Muller das Bild vom „jüdischen Kommunisten“ und Detlev Claussen die utopische Dimension der Rede vom „Geld“ und „Gold“. Die letzten beiden Beiträge widmen sich dann noch der Bedeutung und Funktion der antisemitischen Rede vom „jüdischen Geld“ in der Propaganda des „Dritten Reichs“ bei Frank Bajohr und dem Bild vom „reichen Juden“ in der westdeutschen Nachkriegsliteratur bei Stephan Braese.
Die Beiträge stammen alle von ausgewiesenen Experten auf ihren jeweiligen Gebieten, so dass der Sammelband einen hohen Informationsgewinn zu den jeweiligen Themen bringt. Dabei hat nicht jeder Autor auch eine streng wissenschaftliche Herangehensweise gewählt, nehmen doch manche Textpassagen einen essayistischen Charakter an. Gleichwohl ist dies für einen Ausstellungskatalog mehr als nur legitim.
Kritikwürdig wäre allenfalls die Auswahl und die Zusammenstellung der Texte, wirkt das Werk doch in der Gesamtschau etwas fragmentarisch. Darüber hinaus blendet es die Gegenwart doch all zu stark aus. Immerhin gab es vor wenigen Jahren noch eine heftige Debatte über die Frage, ob nicht die Basis für eine kursierende Globalisierungskritik ein versteckter Antisemitismus sei. Auch darüber hinaus problematisiert der Sammelband nur am Rande einschlägige Ressentiments von Protagonisten der politischen Linken, wozu hinsichtlich seiner ideengeschichtlichen Wirkung eben auch Karl Marx mit seinem Aufsatz „Zur Judenfrage“ gehörte.
Armin Pfahl-Traughber
Liliane Weissberg/Raphael Gross/Fritz Backhaus(Hrsg.), Juden. Geld. Eine Vorstellung. Eine Ausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt am Main 25. April bis 6. Oktober, Frankfurt/M. 2013 (Campus-Verlag), 436 S., EUR 19,90.