Der Bauernkrieg und die zwölf Memminger Artikel

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Fassade der Kramerzunft am Weinmarkt in Memmingen. Motiv: Verlesung der zwölf Artikel des Bauernaufstandes
Verlesung der zwölf Artikel des Bauernaufstandes

Am 15. März 2025 fand in der reformatorischen St.-Martinskirche Memmingen ein Festakt zur Erinnerung an die vor 500 Jahren entstandenen und sofort weit verbreiteten Artikel der Memminger Freiheits- und Menschenrechte statt. Sie entstanden im Rahmen ungewöhnlich großer Bauernaufstände mit Schwerpunkt Süddeutschland. Der Bundespräsident und der bayerische Ministerpräsident erläuterten die Artikel und hoben zu Recht die große historische und aktuelle Bedeutung dieses Dokuments hervor. Der Ministerpräsident versäumte es dabei nicht, das christliche Menschenbild zu erwähnen. Die Kritik an den enormen Missständen der kirchlichen und adeligen Herrschaft und die Grausamkeiten des Krieges wurden kaum berücksichtigt. Dieses Manko ist Anlass für die folgenden Ausführungen.

Gründe für die großen Bauernaufstände

Von Juni 1524 bis 1526, hauptsächlich 1525, erhoben sich in großen Teilen Deutschlands (insbesondere im Südwesten, in Franken, Thüringen, Sachsen), aber auch in Teilen von Österreich und der Schweiz, die Bauern und teilweise auch andere Berufsgruppen gegen die Obrigkeit. Genauer: Gegen die erdrückende Herrschaft und die Privilegien von Adel und Klerus. Daher wird heute auch der treffendere Begriff "Revolution des Gemeinen Mannes" gebraucht. Auch vorher und nachher gab es in etlichen Ländern Europas immer wieder Aufstände wegen der menschenunwürdigen Verhältnisse vor allem auf dem Land (steigende Abgaben zugunsten von Adel und Klerus, Frondienste, Beschneidung alter Rechte, Rechtswillkür, Rechtlosigkeit durch Leibeigenschaft). Die "altgläubigen" (katholischen) Verhältnisse waren meist feudal organisiert und die Kircheneinnahmen wurden wesentlich aus dem Zehnten und dem Ablasshandel erzielt. Die Kirchenmissstände waren enorm, ausschweifendes Leben von Geistlichen nicht selten.

Die Memminger zwölf Artikel

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Sowohl Unterstützer als auch Gegner informierten sich über Flugschriften über den Inhalt der 12 Artikel.
Bild: Autor/-in unbekannt.  Eingescannt aus: Otto Henne am Rhyn: Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Zweiter Band, Berlin 1897, S. 21, gemeinfrei

Nach Aufständen in verschiedenen deutschen Regionen bildeten sich im Februar und März 1525 in Oberschwaben und am Bodensee große bewaffnete Bauernhaufen, darunter 7.000 Bauern, die sich dem Fürstabt von Kempten entgegenstellten. Sie wollten aber keinen Krieg, sondern Verbesserungen durch Verhandlungen. Dazu wurden die "Memminger zwölf Artikel"1 beschlossen, die in ihrer alsbaldigen Änderung sogar als älteste Menschenrechtserklärung gelten. Die zwölf Artikel betreffen das gemeindliche Pfarrer-Wahlrecht, Abschaffung des nicht biblisch begründeten "Kleinen Zehnts", einer erweiterten Abgabepflicht, Abschaffung der Leibeigenschaft, Wiederherstellung des allgemeinen Jagdrechts, Rückgabe des Holzrechts an die Gemeinden, das Verbot nicht vereinbarter Fronerhöhung, Pachterniedrigung, Untersagung willkürlicher Gerichtsbußen, Wiederherstellung von Gemeindeland, Verbot von Abgaben im Todesfall. In jedem Fall sollte – positiv wie negativ – der durch die Schrift begründete Gotteswille gelten. Eine "Christliche Vereinigung" wurde gegründet.

Grausamer Gegenschlag des Adels

Der herrschende Adel war nicht zum Einlenken bereit. In den ganzen Kriegen waren die Adeligen wegen besserer Ausrüstung, Kavallerie und Söldnern zuletzt überlegen, aber die Aufständischen waren oft auch erfolgreich. Der gewichtige Georg III. von Waldburg-Zeil ("Bauernjörg") hielt die süddeutschen Aufständischen mit kleinen Zugeständnissen solange hin, bis er ein genügend großes Heer zusammen hatte, und ging dann gnadenlos und grausam vor. Über 20.000 Menschen dürften ihm zum Opfer gefallen sein. Die überlebenden Bauern verfolgte er, überfiel sie in ihren Dörfern, ließ sie foltern, verstümmeln und hinrichten. Der "Bauernjörg" war entscheidend für die endgültige Niederschlagung aller Aufstände. Die Strafgerichte der Landesherren waren teilweise sehr grausam. Etliche Berichte sprechen nicht nur von Enthauptungen, sondern auch von Fingerabschlagen und sogar Augenausstechen.

Der Protestantismus und der Bauernkrieg

Die großen protestantischen Religionsführer vertraten sehr unterschiedliche Positionen. Der Thüringer Theologe und radikale Reformator Thomas Müntzer stand anders als Luther ganz auf Seiten der Bauern. Er glaubte, das Ende der Welt stehe bevor und Gott wolle die Mächtigen strafen. Er war auch gegen die "Pfaffenherrschaft", wollte aber die Gesellschaft vollständig verchristlichen. Das lief auf eine Art Gottesstaat hinaus. Die Aufständischen waren für ihn Auserwählte Gottes. Sein Kampfmotto war: "Gott geht Euch voran, folget, folget! Lasst euer Schwert nicht kalt werden." Müntzer überlebte das nicht.

Bei Martin Luther glaubten die Bauern zunächst (zu Unrecht), er sei auf ihrer Seite. Er hatte 1520 seine wichtige Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" erfolgreich veröffentlicht. Die Aufständischen sahen in der dort entwickelten Freiheit eine Hilfe, während Luther eine theologische Schrift verfassen wollte und sogar eine ungerechte Obrigkeit als hinzunehmen forderte (Abschnitt "Zum Achtundzwanzigsten"). Er wollte die Kirche verändern, nicht aber die weltliche Ordnung. Immerhin kritisierte er noch 1525 das hochmütige Verhalten der Fürsten. Die Bauern fühlten sich in ihren Anliegen auch unterstützt durch das seit 1522 in deutscher Sprache zugängliche Neue Testament.

Nach der Weinsberger Bluttat am Ostermontag im April 1525 änderte Luther seine bislang moderate Einstellung zum Bauernkrieg abrupt.2 Anfang Mai 1525 verfasste er die Schrift "Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern", mit der er sich direkt an die Fürsten wandte. Er war der Meinung, "man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss". Das sei eine religiös verdienstvolle Tat. Für ihn war selbst die ungerechte Obrigkeit Garant der weltlichen Ordnung.

Am Ende des Deutschen Bauernkriegs gab es nach neuerer Ansicht 70.000 Tote und bis zu 1.000 zerstörte oder teilzerstörte Burgen und Klöster. Allerdings gab es für die Bauern auch gewisse Erleichterungen. Der unterdrückerische Feudalismus, auf dessen Seite die katholische Kirche schon immer gestanden hatte, behauptete sich jedoch.

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1 Moderne Textübertragung: http://www.bauernkriege.de/artikel.html ↩︎

2 Zusammengeschlossene Bauernhaufen von 6.000 Mann stürmten an Ostern 1525 nach vergeblicher Übergabeaufforderung die Burg und kleine Stadt Weinsberg, nachdem der österreichische Amtmann und württembergische Obervogt, Graf von Helfenstein, ihnen den Feuertod angedroht hatte. Der Burgkaplan und die Adeligen und bewaffneten Dienstleute in Burg und Stadt wurden umgebracht bzw. später teilweise grausam hingerichtet (Spießrutenlaufen). ↩︎