Mauern und Grenzen

Am 38en Breitengrad

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DMZ - Foto: umdiewelt.de

NORDKOREA/SÜDKOREA. (hpd) Anlässlich des 23. Jahrestages der Deutschen Einheit möchte die HPD-Redaktion über mehrere noch bestehende Mauern bzw. ungewöhnlich stark gesicherte Grenzen berichten. Dabei wollen wir nicht nur die aktuelle Situation beschreiben, sondern auch einen Schwerpunkt auf die unterschiedlichen Ursachen legen, die zu der jeweiligen Situation geführt haben.

Es ist die am schärfsten bewachte Grenze der Welt: geschätzt eine Million Soldaten stehen sich an dieser Grenze permanent kriegsbereit gegenüber. Offiziell befinden sich Nord- und Südkorea immer noch im Krieg. Es existiert ein Waffenstillstandsvertrag, aber kein Friedensvertrag. Die Grenze, genau genommen die "Demilitarisierte Zone" (DMZ), die Nord- und Südkorea trennt, ist der Beleg für die Aktualität des Kalten Krieges auf der koreanischen Halbinsel.

Die DMZ stellt die undurchdringlichste Grenze der Welt dar. Sie verläuft entlang des 38ten Breitengrades quer durch die koreanische Halbinsel, so wie sie ein US-General, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, mit einem Lineal auf einer Landkarte gezogen hat. Unter den Grenztruppen auf Südkoreanischer Seite befinden sich permanent auch rund 28.000 Soldaten der US-Streitkräfte.

Nordkorea schottet sich gegen jeden Informationsfluss ins eigene Land effektiv ab. Neben dem zweieinhalb Meilen breiten, von beiden Seiten mit Bunkeranlagen, Minenfeldern, Mauern, Wachtürmen, Stacheldrahtzäunen, Raketenstellungen, Panzersperren und Artillerie-Stellungen befestigten Streifen Niemandsland, hat Nordkorea ein effektives Netzwerk aus Störsendern entlang seiner Grenzen installiert. Für die, durch den 1953 beendeten Koreakrieg, zerrissenen Familien gibt es keine Möglichkeit des Kontaktes oder gar eines Familienbesuches. Auch Fernseh- und Radioempfang werden durch diese Anlagen gestört.

Gegen die Struktur der DMZ wirkt der Eiserne Vorhang, bei all seinem Schrecken, geradezu harmlos. Willy Brandt bezeichnete 1989, nach einem Besuch an der DMZ, diese als "das Schlimmste, was ich je gesehen habe, so etwas verhindert jede Entwicklung. Diese Zone verzerrt den Ablauf der Zeit. Das psychologische Durcheinander was man dahinter finden wird, wenn sie einmal fällt, wird weitaus Schlimmer sein als das, mit dem wir konfrontiert waren als die Berliner Mauer fiel." (In einem Gespräch mit dem ehemaligen CIA Direktor in Südkorea, Don Gregg)

Zur Situation hat Volker Panzer bereits im September für den HPD ein Interview mit Yvonne Yung Hee geführt, sie setzt sich für den Aufbau einer Deutschen Außenstelle von LiNK – Liberty in North Korea ein.

 

Alltag am 38ten Breitengrad

Bewaffnete Auseinandersetzungen finden immer wieder statt, häufig mit Todesopfern auf beiden Seiten.

Der bekannteste Vorfall ereignete sich 1976. Ein kleiner, dunkler Raum, der als Museum deklariert wird, enthält in einem Schaukasten eine eher unscheinbare Axt. Dieser Raum befindet sich auf nordkoreanischer Seite direkt hinter der DMZ. Amerikanische und südkoreanische Soldaten wollten mit einer Axt einige Bäume in der DMZ fällen, um das Sichtfeld frei zu machen. Dabei trafen sie auf Nordkoreanische Soldaten und es kam zu einer Auseinandersetzung, bei der ein Amerikaner mit dieser Axt erschlagen wurde. Ein weiterer Amerikaner starb und neun Soldaten wurden verletzt. Eine Chronologie der öffentlich bekannten Grenzvorfälle ist bei Wikipedia aufgelistet.

Der Kalte Krieg geht hier weiter. Untertunnelungsversuche der Grenzregion von Nordkoreanischer Seite fanden bereits häufig statt, Überläufer aus dem Norden tauchten, allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz, plötzlich mitten in den Kasernen auf südkoreanischer Seite auf. Auf südkoreanischer Seite haben die Grenztruppen ein großes Problem mit häufigen Suiziden innerhalb der Truppen. Erklärt wird dies durch die enorme psychische Belastung, die der Dienst an der DMZ für die meist wehrpflichtigen und sehr jungen Soldaten bedeutet.

Jangmadang

"Jangmadang" ist gleichzeitig zu einem Begriff der Hoffnung für einen Regimewechsel geworden, wie auch für die langfristigen Zeiträume, in denen auf einen solchen hingearbeitet werden muss. Der Begriff steht für die jetzt junge Generation und bedeutet so viel wie "Markt-Generation". Er bezeichnet diejenigen Nordkoreaner, deren erste bewusste Erinnerungen in den 90er Jahren einsetzen. In dieser Zeit allein starben zwischen einer und zwei Millionen Menschen an Hunger. Nach dem Tod von Staatsgründer Kim Il-Sung wurde Nordkorea von mehreren Natur- und Umweltkatastrophen heimgesucht, die Nahrungsmittelversorgung brach restlos zusammen. Die Situation hat sich zwar wieder verbessert, trotzdem ist ein Großteil der Bevölkerung nach wie vor unter- bzw. mangelernährt.

Diese Generation kennt keine andere Situation und erhält nun auch, zumindest zum Teil, Informationen aus dem Ausland, welche mit der Propaganda des Regimes in keiner Weise in Einklang gebracht werden können. Die Bevölkerung hat Ende der 90er begonnen, Schwarzmärkte zu organisieren, hauptsächlich für Lebensmittel, da die staatlichen Versorgungstellen kein Überleben sichern konnten. Auf diesen halb geduldeten Märkten werden aber auch aus dem Ausland geschmuggelte Waren wie DVD-Player, USB-Sticks (mit Filmen und Zeitungsartikeln) gehandelt oder getauscht. Zusätzlich gelingt es immer mehr Flüchtlingen, Informationen und Geld zurück nach Nordkorea zu schmuggeln.

Aus dieser Situation ergibt sich die Hoffnung, dass die Jangmadang-Generation sich gegen die Staatspropaganda immunisiert und vielleicht eines Tages in der Lage ist, ihr Land (bzw. das Regime) von innen heraus zu verändern.

Nicolai A. Sprekels