Planungen für das Konziljubiläumsprogramm

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Konstanz: Rheintorturm, Foto: "Tungsten" (CC-BY-SA-3.0-migrated)

KONSTANZ. (hpd) Die Linke Liste Konstanz hat einen offenen Brief veröffentlicht, mit dem sie die Planungen der Stadt zum Programm des Konziljubiläums kritisiert. Allerdings macht sie auch konkrete Vorschläge für säkulare Veranstaltungen im Rahmen dieses für die Stadt wichtigen Ereignisses.

Der hpd dokumentiert den offenen Brief hier auszugsweise:

Wer sich die bislang geplanten Programmpunkte für das bevorstehende Konziljubiläum näher betrachtet, muss leider den Eindruck gewinnen, dass hier eher reizlose Ideen aufgehäuft wurden, die vor allem eines vermissen lassen: Den Bezug zur Neuzeit. Dieser Brückenschlag wäre bei vielen Themen ohne größere Probleme herzustellen, aber daran scheint den OrganisatorInnen offenbar ebenso wenig gelegen zu sein wie an einer kritischen Betrachtungsweise des Jubiläumsanlasses.

Monatelang wurden Projekte herumgeschleppt die erst nach andauernder Kritik von Seiten der Linken Liste Konstanz (LLK) letztlich fallengelassen wurden. Mit diesen Fantasieprojekten wurde viel Zeit verplempert. Leider aber wird weiterhin an fragwürdigen Planungen festgehalten, die  mehrere Hunderttausend Euro verschlingen würden und die mit der angestrebten Nachhaltigkeit wenig bis gar nichts zu tun haben.

Mehrmals in den vergangenen Jahren haben wir von der LLK im Betriebsausschuss Konzil Vorschläge eingebracht, die aber fast allesamt von den JubiläumsorganisatorInnen abgeblockt wurden. Damit das Programm ab 2014 nicht völlig in kreuzbiedere Belanglosigkeit abgleitet, hier erneut unsere Anregungen, von denen die meisten auch jetzt noch problemlos und in einem finanziell überschaubaren Rahmen umgesetzt werden könnten. Hierzu nur einige Beispiele:

Da der nicht klerikalen Jugend fast nichts geboten wird, haben wir vorgeschlagen, bereits zum Jubiläumsstart 2014 ein Poetry-Slam-Festival zu organisieren. Erst kürzlich hat die "Internationale Bodensee Konferenz" (IBK) Slamer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz prämiert. Da gibt es vor unserer Haustüre exzellente InterpretInnen, die sicher für eine oder mehrere auch grenzüberschreitende Veranstaltungen zu gewinnen wären. Doch bislang ist nichts passiert, ein Kontakt zur IBK fand nicht statt. Stattdessen plant man – und auch das ist nicht sicher – "Minne meets Poetry-Slam" ganz am Ende des Jubiläums, also 2018 zum "Jahr der Kultur" anzubieten. Will man junge Leute für das Konziljubiläum interessieren, müsste von Anfang an für sie etwas im Programm sein. Oder hat man Bedenken, freche und kritische Texte könnten störend wirken?

Das Jahr 2015 steht unter dem Motto "Jan Hus – Jahr der Gerechtigkeit". Hier wäre zu erörtern, warum bis heute, also rund 600 Jahre nach seiner Ermordung, Hus immer noch nicht vollständig und offiziell rehabilitiert wurde. Diese Frage wäre sicher Thema für mehrere Diskussionsforen, die allerdings nur dann Sinn machen, wenn sie auch mit Fachleuten besetzt würden, die nicht im Dienst der Kirchen stehen. Also mit TeilnehmerInnen aus humanistischen, säkular aufgeklärten und freidenkerischen Kreisen. Der Stadt Konstanz und auch den tschechischen JubiläumspartnerInnen wäre es übrigens von Anfang an gut zu Gesicht gestanden, an höchster Stelle die Rehabilitierung von Jan Hus und auch von Hieronymus von Prag mit Nachdruck einzufordern.

Vor rund zwei Jahren hat die LLK angeregt, Kontakt zu Prostituierten-Organisationen herzustellen. Zu Zeiten des Konstanzer Konzils hielten sich bis zu 1500 "Hübschlerinnen" in der Stadt auf, um den weltlichen und geistlichen Herren die Zeit zu versüßen. 600 Jahre später wäre also der Anlass gegeben darüber aufzuklären, unter welchen Umständen die Sexarbeiterinnen zu jener Zeit im europäischen Raum gelebt haben, welchen Schikanen sie ausgesetzt waren, wie ihr Alltag aussah. Dazu gibt es umfangreiches Material und das Thema wäre allemal spannend genug, um es für 2016 auf die Liste der Leitprojekte zu setzen. Da sich diesbezüglich auf Seiten der JubiläumsorganisatorInnen nichts bewegte, hat die Linke Liste Kontakt zur Prostituierten-Organisation Hydra e.V. in Berlin aufgenommen. Sofort kam die Antwort, dass man gerne dazu beitragen möchte, den Brückenschlag zwischen der Prostitution damals und heute herzustellen. Vorstellbar, so die Signale aus Berlin, wären Ausstellungen, Filmprojekte und Podiumsdiskussionen. Die LLK hat Hydra vorgeschlagen, sich mit ihren Ideen an die Stadt Konstanz zu wenden, was sie auch tat. Doch der Bitte um dringenden Rückruf kam das Planungskomitee der Konzilstadt Konstanz bis heute nicht nach. 

Weitere interessante Diskussionsforen könnten unserer Meinung nach sein, um nur einige wenige zu nennen: Sollten die Staatsleistungen an die Kirchen nicht endlich eingestellt werden? Ist die angebliche Trennung von Staat und Kirche nicht eher hehrer Wunsch als Realität? Wie lange will die Katholische Kirche noch am Zölibat festhalten? Wie steht es um die Arbeitnehmerrechte in kirchlichen Einrichtungen? Brauchen wir noch Militärpfarrer? Wie geht die Katholische Kirche mit Frauen um, deren Kinder von Geistlichen gezeugt wurden? Wie steht es um die Finanzen der großen Amtskirchen? Oder, passend zum geplanten "2017 - Jahr der Religion": Warum treibt es immer mehr Gläubige in evangelikale Erweckungskreise mit sektoidem Charakter und die Kirchen leeren sich? Was veranlasst immer mehr Menschen, sich totalitären Glaubensgemeinschaften auszuliefern? Wie ist der ungebrochene Esoterik-Boom einzuschätzen? Aber auch: Was wuchert im fundamentalistischen Gestrüpp der Katholischen Kirche – Beispiel Opus Dei, Opus Angelorum, Pius-Brüderschaft, Katholische Pfadfinderschaft Europas und vielen anderen Gruppierungen dieser Art? Was konkret fordert die bundesweite Initiative "Kirche von unten"? Die Auflistung ließe sich beliebig fortsetzen – Der Massenmord an sogenannten Hexen – Das blutige Zeitalter der Inquisition – Die auch von den Kirchen gesteuerten Juden-Pogrome – Der lukrative Ablasshandel – Das Zusammenspiel von weltlicher und kirchlicher Macht und damit einhergehend die Unterdrückung und Ausbeutung ganzer Erdteile und großer Bevölkerungsschichten – Die Entwicklung rebellischer Ordensgemeinschaften am Beispiel der Beginen uswusf...

Zu all diesen Punkten könnten sachkundige ReferentInnen geladen werden und damit dazu beitragen, die Jubiläumsjahre spannend zu gestalten und kontroverse Diskussionen zu führen. Eine wichtige Voraussetzung dafür allerdings wäre, kirchenkritische und auch theologisch brisante Themen nicht nur ReferentInnen zu überlassen, die eng mit den Kirchen verbunden sind. Rückt man davon nicht ab, kann man es auch bleiben lassen. Man wolle, heißt es seit Jahren, ein Programm "für alle" zusammenstellen. Doch davon kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht mal im Ansatz die Rede sein. Momentan dümpelt das Programm zu sehr zwischen Gottesdiensten und mittelalterlicher Instrumentalmusik. Das allerdings rechtfertigt keineswegs die geplanten städtischen Ausgaben von mindestens 6 Millionen Euro, umso mehr, als sich viele BürgerInnen auch in Konstanz keiner der christlichen Konfessionen zugehörig fühlen. Noch aber ist Zeit, das Jubiläumsangebot so zu gestalten, dass nicht nur eine Minderheit daran Gefallen findet.

Holger Reile
Linke Liste Konstanz

Der Offene Brief erschien zuerst bei seemoz.de