Großer Kabarettist von der Bühne abgetreten

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Dieter Hildebrandt, Foto: Elke Wetzig (CC BY-SA 3.0)

MÜNCHEN. (hpd) Am 20. November 2013 starb Dieter Hildebrandt im Alter von 86 Jahren nach einem Krebsleiden in einem Münchener Krankenhaus. Ein herber Verlust für alle die ihn, wegen seiner treffsicheren Kritik und seines pfeilspitzen Urteilsvermögens und seiner Art es auszudrücken, liebten.

Unermüdlich karikierte er in verschiedenen Programmen bis zu seinem Lebensende die Schwächen der Politiker und Politikerinnen und wurde nicht müde, ihre Machenschaften anzuprangern.

Bereits 1956 gründete Dieter Hildebrandt zusammen mit Sammy Drechsel die „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“, für die er auch die Texte schrieb. Dieses Kabarett war über lange Jahre seine Heimat und er arbeitet unter anderem dort mit Ursula Herking, Klaus Havenstein, Ursula Noack, Jürgen Scheller, Achim Strietzel und Horst Jüssen zusammen. Als er 1972 dort aufhörte, blieb er der Bühne dennoch verbunden und schrieb weiterhin Texte dafür.

Von 1973 an arbeitete er mehr und mehr fürs Fernsehen und war z. B. bis 1979 Moderator der „Notizen aus der Provinz“, die beim ZDF als Serie liefen. Er war ein wichtiger Faktor für die politische Auseinandersetzung und trat dabei sicherlich manchem Politiker auf die Füße. Manchmal half es, dass darüber nach- oder Dinge überdacht wurden. Seine Texte hatten direkte Wirkung auf die Politik. Nachdem es immer wieder Einwände besonders durch „christliche“ Parteien gab und sogar Sendungen verhindert wurden, wechselte Hildebrandt 1980 zum Sender Freies Berlin. Ab Mitte 1980 hatte er im „Scheibenwischer“ über Jahre hinweg die Möglichkeit, Zeitgeschichte und ihre Übel unter die Lupe zu nehmen und seine Kritik in Komik zu verpacken. Er ordnete die Geschehnisse in einen Kontext, der im Verwirrspiel der Regierungen wieder klare Sicht schaffte. Seine nicht zu Ende gesprochenen Sätze waren nie zweideutig, sondern trafen den Kern, ohne dass er es zu Ende sprechen musste. Obwohl einem manches Mal das Lachen im Halse stecken blieb, konnte er mit seinem großen Optimismus Zorn, Empörung und tiefe Menschlichkeit - mit Humor gewürzt - seinem Publikum servieren. Er war etwas Besonderes, Einmaliges, ein furchtloser Kritiker und Kabarettist der leisen Töne. Er stellte sich konsequent gegen Dummheit und Ungerechtigkeit.

Natürlich war er mehrfach Gast in der Sendereihe „Neues aus der Anstalt“. Und auch in Filmsatiren, z. B. als Fotograf Herbie in Helmut Dietls Serie „Kir Royal“ oder in der Fortsetzung „Zettl“ (2011), war Hildebrandt zu sehen.

Er veröffentlichte fast 20 Bücher (z. B. „Was bleibt mir übrig“, „Ich mußte immer lachen“ und „Nie wieder Achtzig“), in denen er auch auf sein Lebenswerk zurückblickte.

Wir beklagen den Verlust eines aufgeklärten Humanisten, der immer wieder den Finger in die Wunden der Gesellschaft legte und die Verantwortung der Politiker für ihr Tun anmahnte. Seine sarkastisch akzentuierten Kommentare waren böse und drastisch - aber nie gemein.

Er ist einer der Künstler, der keine „Altersmilde“ zeigte und bis zuletzt unbestechlich und kritisch die Missstände aufzeigte und seine spitzen Wortpfeile auf die Unzulänglichkeiten richtete.

Bis zuletzt hatte er Bühnenauftritte, die an Schärfe und Aktualität nichts von seinem Alter spüren ließen. Schlagfertig, spontan und immer improvisationsbereit konnte er sofort reagieren und drehte und wendete seine Worte, bis sie die zielsichere Wirkung nicht mehr verfehlten.

Ein Wortkünstler par excellence

Dieter Hildebrandt war an politischen und medialen Neuerungen interessiert und versuchte immer wieder auch jüngere Publikumsschichten zu erreichen. Das Online-Kabarett-Projekt Störsender.tv, welches er mit seinem Freund Dieter Hanitzsch ins Leben rief, bewies, dass man auch ohne Werbeeinnahmen, um unabhängig agieren zu können, gutes Programm machen kann.

Aufrichtigkeit, Engagement und Energie waren seine Markenzeichen, mit denen er immer wieder die Empörung über Ungerechtigkeit und Schwachpunkte in Politik und Gesellschaft zum Ausdruck brachte und zum Denken anregte. Er forderte immer wieder die Verantwortung der Politiker ein, für ihr Tun gerade zu stehen. Bei ihm bildete Anspruch und Wirken eine untrennbare Einheit.

Es ist ein großes Trauerspiel, diesen Künstler nie mehr live auf der Bühne zu sehen. Hildebrandt war einer der prägendsten deutschen Kabarettisten, der sein Interesse am Menschen und am aufgeklärten Humanismus in jedem seiner Auftritte spüren ließ. Einer der größten, hervorragendsten, ehrlichsten und geradlinigsten Künstler des politischen Kabaretts ist tot. Vergessen werden wir ihn nicht.

Elke Schäfer