Humanisten und Freidenker in Tübingen

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Fotos: privat

TÜBINGEN. (hpd) "Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauchtwerden wächst, durch Nichtgebrauch dahinschwindet." So lautet ein Motto, das eine neue humanistische Gruppe für Tübingen und Umgebung anführt. Am 18. Januar 2014 trafen sich die "Tübinger Humanisten und Freidenker" und luden zum ersten Mal öffentlich Interessierte ein.

 

Mit Kurzvorträgen, Filmabenden und der "harten" Arbeit an ihrem Selbstverständnis haben sie sich 2013 beschäftigt. Mit einem offenen Treffen zum Kennenlernen ist die junge Gruppe ins neue Jahr gestartet.

Einzelne Mitglieder berichteten von ihrem Weg zu einer humanistischen Weltsicht. Andere boten Kurzvorträge an zu den Themen Beschneidung, der Erziehungspraxis in einem evangelikalen Kindergarten und zu den jedem/r Einzelnen verbrieften Menschenrechten. Ein Dialog (mit Anleihen bei Loriot) zu der Frage, "ob der Wille frei sei" durfte nicht fehlen.

Bei den insgesamt 14 Tübinger Humanisten und Freidenkern kommen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammen [1]: Natur- wie Geisteswissenschaftler, philosophisch Interessierte, in der Beratung oder der Erziehungspraxis tätige Menschen. Sie wünschen sich mehr Wissen um die Traditionen von Humanismus und Aufklärung, möchten den Glauben an das Irrationale in seinen vielfältigen Spielarten aufzeigen und dazu noch für die Freiheit von religiöser Bevormundung im "frommen" Schwabenländle eintreten. Es trat unweigerlich die Frage auf: "Wer sind wir und was wollen wir erreichen?"

Daher beschäftigte sich ein kleiner Kern der Gruppe im letzten Jahr zunächst mit Geschichte und Ansichten verschiedener Bewegungen, zu denen sie Gemeinsamkeiten entdeckte: Was wollten freireligiöse Gemeinden, Freidenker und Humanisten (einst) erreichen?

In den letzten Monaten traf sich regelmäßig ein Arbeitskreis der Gruppe und arbeitete ein Selbstverständnis aus. Damit werden sie in Zukunft in der Öffentlichkeit sagen, wofür sie stehen und wofür sie eintreten möchten.

Die Tübinger Gruppe tritt ein für eine gesellschaftliche Aufklärung und "echte Wunder": "Modernes Leben ist ohne die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus vielen Jahrhunderten nicht mehr vorstellbar. Dieser Stellenwert wird ihnen aber häufig nicht zuerkannt, obwohl sie nicht nur beweisbar real sind, sondern oft geradezu wunderbar."

Auch die mangelhafte Trennung von Staat und Kirche ist Thema: "Im Grundgesetz verankert sind unverletzliche und unveräußerlichen Menschenrechte (Art. 1) und das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2). Viele Religionspraktiken verletzen diese Grundsätze erheblich."

Die Tübinger Humanisten fordern daher: "Daher setzen wir uns für eine strikte Trennung von Staat und Kirchen bzw. anderen religiösen Organisationen ein. Religiöse Gemeinschaften sollten Ausbildung und Unterhalt ihrer Funktionäre selbst finanzieren."

Wie die Berufung einer Pfarrerin zur Kulturstaatssekretärin oder die Unterstützung der rückwärts gewandten Petition gegen einen Bildungsplan in Baden-Württemberg durch die Landeskirchen zeigen, sind kirchliche Positionen ungeachtet ihres schwindenden Einflusses nach wie vor institutionell verankert. "Religion ist Privatsache", setzen die Tübingern Humanisten dem entgegen:

"Dass in Baden-Württemberg Kinder 'in Ehrfurcht vor Gott' zu erziehen sind (Art. 12 Landesverfassung) und unser Zusammenleben 'in der Erfüllung des christlichen Sittengesetzes' erfolgen soll (Art. 1 (1) ebd.), ist in unserer aufgeklärten Gesellschaft nicht zeitgemäß. Unsere Landesverfassung gehört der Lebenswirklichkeit der Menschen angepasst."

Getreu dem Motto "Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt" wünschen sich die Tübinger Humanisten und Freidenker noch mehr Mitstreiter für den gesellschaftlichen Wandel im "frommen" Ländle: "Auch in der heutigen Demokratie müssen errungene Freiheiten stets neu eingefordert werden, um sie nicht schleichend zu verlieren. Dazu bedarf es mündiger Bürger, die sich ihrer ureigensten Bürgerrechte bewusst werden."

Der Anfang ist gemacht. Und zeigt schon Wirkung: Vereinzelt reisen Interessierte schon mal von der Schwäbischen Alb an.

 


[1] Unter ihnen engagieren sich auch Mitglieder der "Humanisten in Baden-Württemberg". Die Tübinger Humanisten und Freidenker setzen eigene Schwerpunkte und betonen ihre Unabhängigkeit.