Lookismus – Was ist das?

Andererseits gibt es eine Vielzahl modischer Erschei­nungen unter anderen Völkern. So gelten bemalte Haut, bestimmte Klei­dungen, andere Haar­schnitte, aber auch Piercings, Täto­wierungen und sogar ab­sichtlich zuge­fügte Narben als hübsch, auch wenn sie Europäer eher irritieren dürften. Sie beweisen, wie sehr unser Schön­heits­ideal durch die Kultur geformt ist. Nur: Keines dieser Merkmale lässt Rück­schlüsse über die genetische Aus­stattung des Trägers zu. Sie kollidieren daher mit unseren bio­logischen Instinkten nicht.

Hinsichtlich der Schönheit von Gesichtern lässt sich kein Einfluss der Kulturen fest­stellen. Auch bei Natur­völkern, die nie mit dem west­lichen Kultur­kreis in Berührung kamen und sich hin­sicht­lich ihrer sonstigen Schön­heits­ideale unter­scheiden, gibt es Konsens, wenn Versuchs­personen gebeten werden, Gesichter hin­sicht­lich ihrer Attrak­tivität bewerten. Süd­amerika­nische Urein­wohner, die nie zuvor Afrikaner gesehen haben, bewerten diejenigen afrikanischen Gesichter als hübsch oder hässlich, die auch von Europäern, Asiaten und Afrikanern selbst als hübsch oder hässlich bewertet werden. Auch bei Neu­gebor­enen, denen man keine kultu­relle Prägung vor­werfen kann, zeigt sich, dass sie unter­schiedlich auf Personen ver­schiedener Attrak­tivität reagieren. Über die Kultur­kreise hinweg gelten symme­trische Gesich­ter und reine Haut als hübsch. Männer punkten mit aus­geprägten Kiefer­knochen, Frauen mit aus­geprägten Wangen­knochen.

Natürlich gibt es immer auch einen individuellen Geschmack, der aber weniger stark aus­fällt. Zur Ver­deut­lichung: Sollen 10 Männern von 10 Models das schönste benennen, können wir 10 verschiedene 1. Plätze erwarten. Gilt es aber, 10 zufällig ausgewählte Frauen nur in die Kategorien hübsch und hässlich einzuordnen, werden die Ergebnisse sich stark ähneln.

Aus der Symmetrie und Haut­reinheit lässt sich auf einen guten Ver­lauf während der Schwanger­schaft und auf wenige Mutationen schließen. Die Kiefer­knochen beim Mann deuten auf einen hohen Testosteron­spiegel hin, der ebenso als attraktiv wahr­genommen wird. Testosteron fördert das Muskel­wachstum, die Aggressivität, risiko­freudiges Ver­halten und den Sexual­trieb. Männer mit hohem Testosteron­spiegel konnten sich also im Konkurrenz­kampf um die Frauen besser durch­setzen. Diese Zusammen­hänge gelten auch im Tier­reich. Männ­chen mit hohem Testosteron­spiegel bilden die in ihrer Spezies jeweils typisch männlichen Eigen­schaften ver­stärkt aus und erhöhen so ihren Paarungs­erfolg. Die Aus­bildung dieser Merk­male, zum Bei­spiel ein großes Geweih bei Hirschen, ist ressourcen­intensiv. Der Körper fährt daher das Immun­system herunter, um sie stärker aus­prägen zu können. Ein be­sonders attraktiver Hirsch ist also auch ein besonders kranker Hirsch. Aus bio­logischer Perspek­tive ist seine geringere Lebens­erwartung jedoch zu ver­schmerzen, wenn er in der geringeren Zeit umso mehr Weib­chen be­gatten kann. Zudem verstärkt sich so die Selektion. Ein Hirsch mit genetisch bedingten Krank­heits­resistenzen stirbt auch dann nicht an einer Krankheit, wenn sein Immun­system nur mit halber Kraft arbeitet.

Bascha Mikas Vor­stellung, die unterschied­liche Attraktivität der Geschlechter im Alter sei kulturell bedingt, klingt nicht schlüssig. Männer wie Frauen bauen mit dem Alter an Attraktivität ab und für jeden George Clooney gibt es auch ein Gegen­beispiel, bei dem die zusätz­lichen Falten oder das graue, wenn nicht gar fehlende Haar eben keinen Bonus dar­stellen. Auch kann die kulturelle These schlecht erklären, wieso nicht auch 80-jährige Männer als besonders attraktiv gelten. Rainer Brüderles bekannter Flirt­versuch wurde von den Medien nicht als “reif”, sondern eher als unge­schickt wahr­genommen. Dass die Natur die altern­den Männer gegenüber den Frauen bevor­zugt, liegt schlicht daran, dass sie noch bis ins hohe Alter fort­pflanzungs­fähig bleiben. Und wenn das Patriarchat tat­sächlich die Macht hat, Frauen vor­zu­schreiben, dass sie ältere Männer attraktiv finden, warum hat es dann nicht die Macht, sie sexuell ge­fügiger zu machen? Frauen sind vor allem des­wegen weniger schnell zum Sex bereit, weil ihre Fort­pflanzungs­geschwindig­keit stark be­grenzt ist. Ein Mann kann in einem Jahr mehrere Frauen schwängern, eine Frau jedoch nur einmal im Jahr Nach­wuchs gebären. Ebenso ver­braucht die Spermien­produktion nur einen Bruch­teil der Nahrungs­reserven, die eine Schwanger­schaft bean­sprucht. Eine Frau wird sich daher, bio­logisch gesprochen, zweimal überlegen, ob sie dem Sex zustimmt oder nicht.

Der Versuch der Anti-Lookismus-Bewegung, jegliche Schön­heits­ideale einzu­reißen und eine absolut ge­rechte Welt zu er­schaffen, kann nur scheitern. Die völlige Ver­leug­nung der mensch­lichen Bio­logie, gepaart mit anti­kapitalis­tischen Ver­schwörungs­theorien, bietet dafür keinen guten Leit­faden. Probleme werden immer noch in der Realität gelöst und nicht im Märchen­schloss. Die Welt ge­recht ge­stal­ten zu wollen ist ein edles Ziel. Wer aber des­wegen an­nimmt, dass sie auch im Kern gerecht ist und nur durch böse Kräfte unge­recht gemacht wird, der wird nur selten Lösungen für Probleme finden.

In einer Welt ohne Dis­krimi­nierung kann auch die häss­liche schwarze Lesbe musli­mischen Glau­bens im Roll­stuhl den begehr­ten Lehr­stuhl für Astro­physik er­halten – sofern sie klug genug ist. Dem Quarter­back, dem die Cheer­leader hinter­her­laufen, der aber leider ebenso stroh­blond wie stroh­blöd ist, wird dies immer ver­wehrt bleiben. Das Bei­spiel zeigt, dass die Fähig­keiten eines Menschen seinen beruf­lichen Erfolg ebenso bestimmen wie etwaige Dis­krimi­nierungen. Die Fest­stellung, dass Intelligenz genetisch be­dingt ist, sorgt daher immer wieder für hitzige Dis­kussionen. Denn sie bedeutet, dass die Bildungs­chancen eben doch nicht gleich ver­teilt sind. Das ändert nichts daran, dass die Debatte darüber in der Psychologie abge­schlossen ist.

Wie eine Studie gezeigt hat, unter­scheiden sich amerikanische Liberale und Konser­vative hin­sicht­lich ihrer Ein­stellung zur Evolutions­theorie. Das ist zunächst keine über­raschende Erkennt­nis. Wie sich aber zeigte, stimmten aus­gerechnet Konser­vative, die die Evolutions­lehre mehr­heit­lich ab­lehnten, ihren Schluss­folgerungen häufiger zu als Liberale. Gefragt wurde nach Unter­schieden im Sexual­verhal­ten von Männern und Frauen, die evolutionäre Ur­sachen haben (siehe oben). Für die Liberalen war klar, dass diese Unter­schiede nicht be­stehen – denn jede andere Auf­fassung wäre ja sexis­tisch gewesen. Die Studie bildet ein schönes Gegen­gewicht zu der Tat­sache, dass ameri­kanische Athe­isten meist über mehr Bibel­wissen verfügen als ameri­kanische Evan­gelikale.

Ebenso sind Liberale fest davon überzeugt, dass weder Rassen­unter­schiede, Geschlechts­unter­schiede, Intelli­genz, all­gemeine mensch­liche Ver­haltens­weisen oder Schön­heits­ideale genetisch bedingt sind. Gleich­zeitig aber nehmen sie biologische Faktoren für die sexuelle Aus­richtung an. Es gibt auch gute wissen­schaft­liche Argu­mente für diese An­sicht. Aber nicht des­wegen ver­treten Liberale in diesem Falle die bio­logische statt der kulturellen Position, weil sie dann auch in anderen Fällen der Bio­logie den Vor­zug geben würden. Ihre Haltung gründet sich allein auf dem Um­stand, dass sie der­jenigen der evangeli­kalen Christen ent­gegen­gesetzt ist, die be­haupten, Schwule hätten sich bewusst für die Sünde der Homo­sexua­lität ent­schieden und seien eben nicht so auf die Welt gekommen.

Evolutionärer Humanist zu sein, be­deutet nicht einfach die christ­liche Schöpfungs­lehre zu­gunsten der Evolutions­theorie abzu­schaffen. Es bedeutet vor allem, sich mit ihren Schluss­folgerungen aus­einander­zu­setzen.

Lukas Mihr