Notizen zu Nordkorea

Die koreanische Wiedervereinigung

BERLIN. (hpd). Eine südkoreanische Nichtregierungsorganisation möchte mit einer Kampagne dem schwindenden Interesse an Nordkorea und der Wiedervereinigung entgegenwirken. Weitere Themen: Japan lockert Sanktionen, Soldaten fehlt es an Uniformen, Veränderungen in den sino-koreanischen Beziehungen.

Mangelndes Interesse an einer Wiedervereinigung bei jungen Südkoreanern

Während Südkoreas Präsidentin Park eine Wiedervereinigung als “Jackpot” bezeichnet, scheinen viele ihrer Landsleute eher skeptisch zu sein und die zu erwartenden hohen Kosten zu fürchten. Der Guardian schreibt, dass sich die ältere Generation von Südkoreanern zwar noch mit dem Norden verbunden fühlt, das Interesse an dem Nachbarn und der Wunsch nach Wiedervereinigung bei den Jüngeren jedoch deutlich abgenommen hat. Während im Jahre 1994 noch 92 Prozent der Koreaner die Wiedervereinigung als “absolut notwendig” bezeichnet haben, taten das 2007 nur noch 64 Prozent. 2010 waren es unter den jungen Erwachsenen 49 und unter den Teenagern sogar nur noch 20 Prozent. Eine Umfrage aus dem letzten Jahr zeigt, dass sich 9,3 Prozent der Südkoreaner zwischen 20 und 30 Jahren keine Wiedervereinigung wünschen (gegenüber 7,4 Prozent der 30–40-Jähringen und zwischen 3 und 5 Prozent der Altersgruppen über 40). Als “einer von uns” wird Nordkorea von 18 Prozent dieser Altersgruppe wahrgenommen, als “Nachbar” von 29 Prozent, als “Fremder” von 17 und als “Feind” von 24 Prozent der Befragten.

Eine der größten NGOs in Südkorea, die Citizens Alliance for North Korean Human Rights (NKHR) sieht in dieser Situation eine große Bedrohung jeder Möglichkeit einer Wiedervereinigung. Um die junge Generation, die oft kaum über die Situation Nordkoreas bzw. der dortigen Bevölkerung informiert ist, wieder für das Thema zu sensibilisieren, hat die NKHR nun eine Kampagne gestartet. Über eine Crowdfunding-Aktion, in Zusammenarbeit mit prominenten Künstlern und Musikern, soll ermöglicht werden, das Thema über die koreanische Popkultur zu transportieren.

Hierzu werden Hip Hop Songs und Musikvideos produziert, in denen Kang Chun Hyuk, der aus Nordkorea fliehen konnte, über sein Leben in Nordkorea und seine Flucht berichtet. Nachdem er aus Nordkorea entkommen war studierte er Kunstwissenschaften in Seoul und engagierte sich seit dem für NGOs, unter anderem durch Zeichnungen, mit denen er das Leben der Nordkoreaner darstellte.

 

© NKHR, Artwork by Kang Chun Hyuk
© NKHR, Artwork by Kang Chun Hyuk

Als wichtigste Voraussetzung einer Wiedervereinigung sehen die Verantwortlichen der Kampagne, dass auch die Bevölkerung bereit ist, sich für die Wiedervereinigung einzusetzen. Das sinkende Interesse gerade der jungen Menschen in Südkorea sieht man nicht nur bei der NKHR mit großer Besorgnis, ebenso beschäftigen sich verschiedene NGOs und das Wiedervereinigungsministerium Südkoreas mit diesem Problem.

Japan lockert Sanktionen gegenüber Nordkorea

Wie bereits in der letzten Ausgabe berichtet, haben sich Nordkorea und Japan darauf geeignet, Jahrzehnte zurückliegende Entführungen von Japanerinnen und Japanern durch Nordkorea erneut zu untersuchen. Anfang Juli hatte es ein weiteres Treffen zwischen Delegierten beider Seiten in Peking gegeben, auf dem man sich auf konkrete Schritte einigen konnte. Pjöngjang erklärte sich dort bereit, mit sofortiger Wirkung ein Sonderuntersuchungskomitee aufzustellen, um den Verbleib aller in Nordkorea lebenden japanischen Staatsbürger aufzuklären. Die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA berichtete, dass im gesamten Land nach dort lebenden Japanern, ihren Ehegatten, sterblichen Überresten und auch nach in Japan vermissten Personen gefahndet werden soll. Auch die bereits von der japanischen Seite geltend gemachten mutmaßlichen Entführungsfälle japanischer Staatsbürger durch Nordkorea sollen erneut untersucht werden. Einer japanischen Delegation soll Zugang zum Land gewährt werden, um sich der “Objektivität und Transparenz” der Untersuchung vergewissern zu können.

Im Gegenzug werden unilaterale Sanktionen gegenüber Nordkorea wie zum Beispiel Reisebeschränkungen gelockert. Auch soll der Geldtransfer nach Nordkorea erleichtert und nordkoreanischen Schiffen aus “humanitären Gründen” das Anlaufen japanischer Häfen gestattet werden. Japanische Regierungsvertreter spielten die ökonomische Bedeutung der Aufhebung bzw. Lockerung der Sanktionen herunter, jedoch reagierten Südkorea und die USA zurückhaltend auf die Ergebnisse der Verhandlungen. Nachdem Gerüchte aufkamen, Japans Premierminister Shinzo Abe plane gar eine Reise nach Nordkorea, soll Außenminister Kerry gegenüber seinem japanischen Amtskollegen seinen Missmut darüber geäußert haben. Zwar wurde die Einigung zwischen Japan und Nordkorea aus humanitären Gründen begrüßt, jedoch könnte die trilaterale Kooperation von Japan, Südkorea und den USA gegen Nordkoreas Kernwaffen- und Raketenprogramm durch die Verhandlungen geschwächt werden. Außerdem wird befürchtet, dass Japan Nordkorea in Vorbereitung eines Gipfeltreffens umfangreiche ökonomische Hilfen in Aussicht stellen könnte.

Daily NK berichtet unterdessen, dass nordkoreanische Kader große Hoffnungen auf das Abkommen mit Japan setzen: Durch die Lockerung der Sanktionen könnten begehrte japanische Elektroartikel wie Kameras, MP3-Player und Laptops leichter ins Land gelangen. Diese seien unter den Funktionären sehr beliebt, denn die Qualität sei besser als die der entsprechenden chinesischen Geräte, die nach ein paar Monaten unbrauchbar seien. Inländische Artikel hingegen würden als “Fälschungen” angesehen, weil sie sowieso aus importieren Teilen zusammengesetzt würden.

Im “Militär-Zuerst-Korea” fehlt es an Uniformen

Daily NK berichtete vergangene Woche, dass das staatliche Verteilungssystem in einigen Regionen so schlecht funktioniere, dass selbst Soldaten nicht mehr hinreichend mit Uniformen ausgestattet werden können. Man könne inzwischen mit einem Blick auf die Uniform erkennen, aus welcher Region, ja selbst aus welcher Einheit ein Soldat stamme. Wer Geld besitzt, kaufe sich auf dem Schwarzmarkt die Stoffe für die Uniform. Für die Materialien einer einfachen Uniform müsse man umgerechnet 10 bis 20 Dollar und für solche von höherrangigen Soldaten etwa 100 Dollar bezahlen. Die mittellosen Soldaten trügen jedoch das, was sie vom Staat bekämen. Eine Quelle berichtet, die Kleidung von manchen sei so schäbig, dass man die Soldaten nicht von sogenannten “Kkotchebi” (obdachlose Waisenkinder in Nordkorea) unterscheiden könne. Einige Einheiten hätten sogar den Spitznamen “Kkotchebi-Truppe” erhalten.

Weit verbreiteter Slogan in Nordkorea: “Es lebe General Kim Jong Un, die Sonne des Militär-Zuerst-Korea!” Foto: © SARAM e.V.
Weit verbreiteter Slogan in Nordkorea: “Es lebe General Kim Jong Un, die Sonne des Militär-Zuerst-Korea!” Foto: © SARAM e.V.

Die Soldaten, die in Pjöngjang oder an der Grenze zu China ihren Militärdienst verrichten, werden besser ausgestattet. Wer als Grenzsoldat arbeitet, hat zusätzlich die Möglichkeit, durch Bestechungsgelder von Schmugglern Geld zu verdienen. Daher würden einige Eltern die Mitarbeiter der Militärverwaltung bestechen, um den Ort der Stationierung ihrer Kinder zu beeinflussen.

Chinas Präsident Xi besucht Südkorea – und nicht Nordkorea

Zum ersten Mal seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Südkorea und China hat ein chinesischer Präsident den Süden vor dem Norden besucht. Die Symbolkraft ist hoch, aber es bleibt unklar, wie und ob sich die chinesische Politik gegenüber Nordkorea verändern wird. Den höchstrangigen Besuch aus Peking bekam Kim Jong Un im letzten Jahr vom chinesischen Vizepräsidenten Li Yuanchao im Rahmen des sechzigsten Jahrestages des Waffenstillstandsabkommens am Ende des Koreakrieges. Er selbst war seit seiner Amtsübernahme, im Gegensatz zu Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye, noch nicht in Peking zu Gast.

Im Rahmen des Gipfeltreffens wurde ein Abkommen über Konsularfragen von Südkorea und China unterzeichnet. Dieses verlangt unter anderem, dass sich die Staaten innerhalb von vier Tagen gegenseitig informieren müssen, wenn ein Bürger des jeweils anderen Landes verhaftet wurde – selbst wenn der- oder diejenige das ablehnt. Ebenso muss einem Gefangenen innerhalb dieser Zeitspanne konsularischer Zugang gewährt werden. Die Verhandlungen über das Abkommen zogen sich elf Jahre hin, aber noch immer bleiben Fragen offen: Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap schreibt, dass im Vertrag ohne weitere Erläuterungen von “nationals” die Rede war. Die Volksrepublik China scheint das Abkommen so zu deuten, dass es sich auch auf die Bürger Taiwans erstreckt. Südkorea hingegen beansprucht laut seiner Verfassung, wie vom Blog “One Free Korea” bemerkt, die gesamte Koreanische Halbinsel für sich. Damit könnte, so der Autor, Südkorea von China verlangen, auch dann benachrichtigt zu werden, wenn Nordkoreaner in China verhaftet werden. Ob Südkorea in dieser Hinsicht Druck auf China ausüben wird, bleibt abzuwarten. Chinas Praxis, nordkoreanische Flüchtlinge nicht als solche anzuerkennen, sondern als Wirtschaftsmigranten zu bezeichnen und nach Nordkorea abzuschieben, wird von Menschenrechtsorganisationen und auch dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen scharf kritisiert.

Das Verhältnis zwischen Nordkorea und China hat sich in den Augen vieler Beobachter in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert. Wie schon sein Vorgänger Hu Jintao bekräftigte der jetzige Präsident Xi Jinping, China würde eine “friedliche Wiedervereinigung der Koreanischen Halbinsel” unterstützen. Enthüllungen von Wikileaks zufolge sollen hochrangige chinesische Regierungsvertreter schon vor Jahren Südkoreanern gegenüber eröffnet haben, dass sie eine Wiedervereinigung unter südkoreanischer Führung unterstützen würden. Offizielle Politik ist das aber nicht. Aus dieser Zeit kommt die Beschreibung Nordkoreas durch einen chinesischen Diplomaten als “unerzogenes Kind”, das die Aufmerksamkeit der “Erwachsenen” sucht. Allerdings wird durch die Dokumente auch deutlich, dass China immer wieder betont, sein Einfluss auf Nordkorea werde maßlos überschätzt. So konnte China Nordkorea im vergangenen Jahr auch nicht von einem Atomtest abhalten, den es im Nachhinein scharf kritisierte.

Ende Juni hat ein Professor der Pekinger Tsinghua-Universität, der sich auch schon in der Vergangenheit kritisch zur chinesischen Politik gegenüber Nordkorea geäußert hat, deutliche Worte gefunden: “Ich glaube, dass uns die Existenz Nordkoreas mehr Probleme als Vorteile bringt.” Und weiter: “Wenn Nordkorea verschwindet, können die bilateralen Beziehungen zwischen Südkorea und China weiter vertieft werden.” Das Handelsvolumen zwischen China und Südkorea ist fast vierzigmal so hoch wie das zwischen China und Nordkorea.

SARAM e.V.
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