Immer mehr Menschen in den USA betrachten die Evolutionstheorie als zutreffende Erklärung für die Entwicklung des Menschen, dagegen nimmt der Anteil der Schöpfungsgläubigen stetig ab. Einer aktuellen Studie zufolge ist dies vor allen auf den verbesserten Bildungsstand in den letzten Jahren zurückzuführen.
"Der Mensch, wie wir ihn heute kennen, hat sich aus früheren Lebensformen entwickelt", so lässt sich eine zentrale Konsequenz der Evolutionstheorie, bezogen auf unsere Spezies, zusammenfassen. Die Aussage hatte in den USA über viele Jahre in Befragungen gleichermaßen Zustimmung und Ablehnung erfahren, jetzt sind die Schöpfungsgläubigen erstmals in der Unterzahl. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Sozialwissenschaftlers Jon D. Miller von der University of Michigan und seinen KollegInnen.
Das Team hatte hierfür zahlreiche landesweite Befragungen aus den letzten 35 Jahren untersucht, die im Zweijahres-Rhythmus von verschiedenen Institutionen durchgeführt werden. Darin waren zwischen 1985 und 2010 Zustimmung und Ablehnung etwa gleich stark verteilt. Seit 2016 jedoch gewinnt die Evolutionstheorie stetig an Zustimmung, so Miller, in den jüngsten Umfragen von 2019 liegt die Akzeptanz bei 54 Prozent. Noch 2005 waren es lediglich 40 Prozent. Damit lagen die Vereinigten Staaten im Vergleich von 34 Staaten auf dem vorletzten Platz, nur die Türkei hatte mit 27 Prozent eine geringere Quote.
Als bedeutendsten Faktor für diese Entwicklung haben die Forschenden Fortschritte im Bildungsstand der Bevölkerung identifiziert. Wer erfolgreich das College absolviert, dort Kurse in wissenschaftlichen Fächern belegt oder sich auf anderem Wege wissenschaftliche Bildung angeeignet hat, erkennt demnach eher, wie plausibel die Evolutionstheorie ist. Koautor Mark Ackerman weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich der Anteil der College-Absolventen in der US-Bevölkerung zwischen 1988 und 2018 fast verdoppelt hat. Es sei schwierig, diesen Abschluss zu erlangen, "ohne ein Minimum an Achtung für die Erfolge der Wissenschaft zu gewinnen".
Der größte Hemmschuh für die Akzeptanz der Evolutionstheorie ist laut Studie – wenig überraschend – der religiöse Fundamentalismus, dem trotz sinkender Zahlen noch immer fast 30 Prozent der US-Bevölkerung anhängen. Doch auch in diesen Kreisen bröckelt die Ablehnung: Selbst unter den Befragten mit starker fundamentalistischer Überzeugung hat sich die Quote der Evolutions-Anhänger von 8 Prozent im Jahr 1988 auf nun 32 Prozent vervierfacht.
Können WissenschaftskommunikatorInnen und säkulare Aufklärer in den USA also entspannt zuschauen, wie der Schöpfungsglaube in die Irrelevanz abrutscht? Keineswegs, warnt Hauptautor Jon D. Miller. Vielmehr erwartet er, dass sich die Debatte weiter politisiert. Bereits jetzt zeigt sich in der Frage eine unübersehbare Kluft zwischen den politischen Lagern im Land. Während unter den konservativen Republikanern nur 34 Prozent die Evolutionstheorie anerkennen, sind es bei den liberalen Demokraten 83 Prozent.