(hpd) Gefühle stellen selbst eine Form von Intelligenz dar - das ist eine der wesentlichen Aussagen des neuen Werkes von Bas Kast
: Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft. Die Kraft der Intuition.
Auf sehr unterhaltsame Weise führt Kast in die Thematik ein, indem er beschreibt, wie er selbst an die Ergebnisse gelangte und die Leserin persönlich anspricht. Für dieses Buch reiste Bas Kast einmal um die Welt, besuchte renommierte Hirnforscher/innen und Psycholog/innen wie beispielsweise Damasio und Snyder in ihren Labors in Sydney, Los Angeles oder Groningen.
Bevor die alten Griechen ihre Ratio entdeckten und begannen, sich selbst zu reflektieren, glaubten sie, ihre Gedanken und Gefühle seien ihnen von den Göttern eingegeben worden. Nachdem die alten Griechen dann - Sokrates allen voran - der Welt den Floh ins Ohr setzten, Gefühle seien verzichtbar, gar hinderlich, verfielen Philosophen dem sich dann ausbreitenden Irrtum, die Ratio sei das Einzige, das zählt. Diese These wirkte sich auch auf das Geschlechterverhältnis aus, indem nämlich Frauen Intuition und Gefühle zugeschrieben und diese zugleich (zusammen mit den Frauen) als „irrational" abgewertet wurden. Männer dagegen wurden mit „Verstand" gleichgesetzt und damit aufgewertet.
Die Gefühle jedoch, so Ergebnisse der Hirnforschung in den vergangenen Jahren, bestimmen, wie wir die Welt wahrnehmen. Angst beispielsweise versetzt unser Gehirn in einen „Angstmodus", aus dem heraus wir agieren, wenn wir etwa eine hochgiftige Schlange erblicken. Alle anderen Gehirnareale werden in einem solchen Moment abgeschaltet, bis wir uns aus der Gefahrenzone entfernt haben.
„Die Ratio ist dumm, das Irrationale ist klug"
Die neuen Erkenntnisse zur Überlegenheit des Irrationalen entspringen, so Kast, dem „Epizentrum der Rationalität: den Wissenschaftlern". Neue Instrumente wie Magnetresonanztomographie oder die Erforschung von Menschen, denen Teile ihres Gefühlszentrums fehlen und die damit unfähig sind, „vernünftige" Entscheidungen zu treffen, die Erforschung von Autisten - all dies führt zu der Einsicht, dass das Irrationale klug ist, klüger noch als die Ratio. Das Unbewusste vermag ein Millionenfaches der Informationen zu verarbeiten, die der bewusste Verstand erfassen und verarbeiten kann. Der Grund für diesen grundlegenden Perspektivenwechsel ist die Einsicht, dass „das Unbewusste in der Lage ist, komplexe Situationen zu erfassen und auszuwerten, wesentlich besser als das Bewusstsein". Das führt soweit, dass es gerade bei komplexen Problemen zu besseren Lösungen führen kann, wenn das Irrationale entscheidet und nicht der Verstand - je mehr Zeit das Unbewusste für diese Entscheidung erhält, desto besser (eine Nacht „drüber schlafen" scheint also ein kluges Vorgehen zu sein!).
Allerdings erfüllt der Verstand eine wichtige Funktion: Er kann fokussieren und ist präzise. Für Sachverhalte, die sich in Worte fassen lassen (und das sind nicht viele!), ist der Verstand hervorragend geeignet. Um an die unbewussten Aspekte der Persönlichkeit zu gelangen, müssen jedoch andere Mittel eingesetzt werde, zum Beispiel Bilder, durch die Bereiche des Gehirns aktiviert werden, an die man mit Sprache nicht herankommt. So erklärt sich auch, dass Psychologen, je nach Erhebungsmethode, unterschiedliche Schichten unseres Ichs erfassen (Kapitel: „Warum Sie Fragebögen misstrauen sollten"). Dabei sind, so Kast, Gefühl und Verstand oftmals gar nicht so getrennt. Fazit: Bei kleinen Problemen schalte man den Verstand ein, bei komplexen Problemen schalte man ihn ab
Äußerst spannend wird es, wenn Bas Kast kreative Menschen näher beleuchtet - zum Beispiel den genialen Mathematiker Norbert Wiener oder Goethe oder Beethoven - und deutlich wird, dass diese vermutlich zu ihrem Unbewussten einen leichteren Zugang hatten als „normale" Menschen. Dieser Zugang ging einher mit einem „bipolaren" Wechsel zwischen Manie und Depression, welcher die Kreativität, so Kast, „auf Trab bringt". Nebenbei erfahren wir so, welche Rolle der übermäßige Drogen- und Alkoholkonsum für kreative Geister spielt.
In Sydney schließlich ließ Kast sich Teile seines Gehirns mittels Magnetimpulsen abschalten, um sich als autistischer Savant zu erleben und um dadurch andere - bessere - Leistungen erbringen zu können. Dieser Selbstversuch war erfolgreich. Doch das lesen Sie lieber selbst nach!
Insgesamt ist das Buch angenehm und unterhaltsam zu lesen, bringt viele interessante und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zusammen und ist dabei auch noch wunderbar lehrreich und anregend. Sehr empfehlenswert!
Fiona Lorenz
Bas Kast: Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft. Die Kraft der Intuition. Frankfurt/Main: S. Fischer. (Juli 2007).224 Seiten, € 17,90. ISBN-10: 3100383028 ; ISBN-13: 978-3100383020