Rezension

Islamverbände in der Kritik – Einwände von Eren Güvercin

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Eren Güvercin legt mit "DITIB und der ferngesteuerte Islam in Deutschland" gegenüber den Islamverbänden eine Kritik vor, seien ihnen doch islamistische Prägungen und problematische Verbindungen eigen. Auch wenn sein Buch nicht in analytische Tiefen geht, so liefert es doch beachtenswerte Einwände, auch bezogen auf die deutsche Regierungspolitik.

Es gibt in Deutschland bekanntlich einen Zentralrat der Muslime. Die gewählte Bezeichnung suggeriert, eben für die hiesigen Muslime zu sprechen. Doch wie viele Gläubige gehören dieser Organisation überhaupt an? Genaue Angaben liefert der "Zentralrat" selbst nicht, es wird lediglich von Mitgliedsorganisationen und Moscheegemeinden gesprochen. Offenbar bewegt sich die Anhängerschaft nicht über 20.000 Personen, was die Selbstzeichnung als "Zentralrat" anmaßend erscheinen lässt. Darüber hinaus handelt es sich nur um einen von vier islamischen Dachverbänden, der noch dazu mehrheitlich aus nicht-türkischen Muslimen besteht. Insofern ist in der Bilanz schwerlich der Eindruck aufrechtzuerhalten, dass die muslimischen Gläubigen von eben dieser Organisation repräsentiert werden. Sie gilt indessen als Kooperationspartner für die Politik. Legitimationsfragen spielen dabei offenbar keine so große Rolle. Es handelt sich hier aber nur um einen von vielen problematischen Aspekten der bestehenden Islamverbände.

Cover

Dies veranschaulicht das Buch "DITIB und der ferngesteuerte Islam in Deutschland", das Eren Güvercin mit dem Untertitel "Warum wir eine religionspolitische Zeitenwende brauchen" vorgelegt hat. Der Autor arbeitet für unterschiedliche Medien als freier Publizist. Er gehört auch der Deutschen Islamkonferenz als Teilnehmer an. Die deutsch-muslimische "Alhambra-Gesellschaft" geht auf ihn als Gründer zurück. In dem genannten Buch wird das Engagement der Islamverbände kritisch thematisiert, wobei es neben der titelgebenden DITIB ("Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion") auch um den Islamrat (für die Bundesrepublik Deutschland) und den VIKZ ("Verband der Islamischen Kulturzentren"), aber ebenso um den genannten Zentralrat der Muslime in Deutschland geht. Güvercin formuliert ihnen gegenüber eine Kritik, die auf Abhängigkeiten von anderen Regierungen und islamistische beziehungsweise nationalistische Ideologiesierungen der Muslime bezogen ist. Dabei plädiert der Autor für das Gegenmodell eines deutschen Islam.

Im Buch ist die titelgebende DITIB immer wieder ein Thema, insbesondere bezogen auf deren Abhängigkeit von der türkischen Regierung. Diese veranschaulichen viele Details wie etwa die behandelten intensiven personellen Verflechtungen. Es handele sich eben nicht um einen eigenständigen Dachverband in Deutschland, sondern eher um ein politisches Instrument der Türkei. Die institutionelle Einbindung macht dies darüber hinaus deutlich, was aber von der deutschen Politik eher ignoriert werde. Bei der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) gebe es auch Probleme, ebenso bei dem Zentralrat der Muslime in Deutschland. Im ersten Fall seien bezogen auf den türkischen Islamismus ideologische Prägungen nachweisbar, im zweiten Fall bestünden zur Muslimbruderschaft gewisse Nähen. Den Ausschluss der Deutschen Muslimischen Gemeinschaft ebendort hält Güvercin eher für strategisches Vorgehen. Es gehe bei all dem um problematische Politik, nicht um bloße Religionsgemeinschaften.

Der Autor enthüllt keine Geheimnisse, viele seiner Details wurden in den Medien thematisiert. Man hat es hier eher mit einer zusammenfassenden Darstellung zu den gemeinten Kontexten zu tun. Damit liegt aber eine bedeutsame Problembeschreibung vor, welche nicht nur auf die thematisierten Verbände bezogen ist. Immer wieder kritisiert Güvercin die deutsche Politik, übrigens aller Regierungsparteien, die von naiven Vorstellungen geprägt sei. Er plädiert demgegenüber für eine "religionspolitische Zeitenwende", wobei das Gemeinte aber etwas blass wirkt. Ähnlich verhält es sich mit den Aussagen gegen türkische Einflussnahmeversuche oder gegen den Islamismus gerichtete langfristige Strategien. Den Erörterungen ist demnach eine gewisse Oberflächlichkeit eigen, gleichwohl werden relevante Probleme in unterschiedlichen Zusammenhängen benannt. Gerade darin besteht die Bedeutung des Buches. Der Autor versteht sich als gläubiger Muslim, "Islamophobie" oder "Muslimenfeindlichkeit" kann man ihm schwerlich vorwerfen.

Eren Güvercin, DITIB und der ferngesteuerte Islam in Deutschland. Warum wir eine religionspolitische Zeitenwende brauchen, München 2025, C. H. Beck-Verlag, 160 Seiten, 18 Euro

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Hinweis der Redaktion (03.03.2025): Der Verlag liefert zwischenzeitlich das Buch nicht mehr aus, folgende Presseerklärung veröffentlichte er dazu: "Der Verlag C.H.Beck ist darauf hingewiesen worden, dass im o. g. Buch das Unterkapitel 'Diaspora ist zu Ende' (S. 21 - 26) nicht, wie in der Anmerkung auf S. 21 vermerkt ist, auf einem Vortrag des Autors selbst beruht, sondern auf einem von Herrn Dr. Aydın Süer verfassten und gehaltenen Vortrag.

C.H.Beck hat den Sachverhalt eingehend geprüft. Da sich der Hinweis als zutreffend erwies, hat der Verlag beschlossen, das Buch vorläufig nicht weiter auszuliefern. Eine nicht kenntlich gemachte Übernahme von Texten Dritter entspricht in keiner Weise den Qualitätsansprüchen des Verlags.

Eren Güvercin bedauert sehr, dass er den Anschein erweckt hat, der Text des Unterkapitels stamme von ihm."