Darfur

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Uwe Boll. Foto: Sascha Schmidt

SAARBRÜCKEN. (hpd) In erschütternden Bildern hat Regisseur Uwe Boll die Darfurkrise auf die Leinwand gebracht. Mit seinem Film „Darfur“ will er das Publikum schockieren, sauer machen und zum Handeln anregen. Am 22.07. war Boll im Filmhaus Saarbrücken und hat den Film persönlich vorgestellt.

 

Völkermord in Afrika, bei Popcorn und Bio-Limonade

Seit einigen Jahren ist die ferne Brutalität wohnzimmertauglich geworden, denn Hollywood hat das Leiden des afrikanischen Kontinents für sich entdeckt. Dabei wird erstaunlicherweise ein relativ breites Feld an Themen abgedeckt, und zudem mit publikumswirksamen Stars besetzt: „Blood Diamond“ etwa, mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle, bei dem es, wie der Titel verrät, um die sogenannten Blutdiamanten geht. Oder der mit bissiger Satire angereicherte „Lord of War“, in der Nicolas Cage einen skrupellosen Waffenhändler mimt, der u.a. illegal Waffen an den Diktator von Liberia verkauft und damit sowohl Amnesty International beeindruckte, als auch das Privatfernsehen überzeugte, den Film als großen Sonntagabend-Blockbuster auszustrahlen. Für seine Verkörperung des ugandischen Diktators Idi Amin in „Der letzte König von Schottland“ wurde Forest Whitaker sogar mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. Das Phänomen des Völkermordes auf dem afrikanischen Kontinent wurde ebenfalls bereits filmisch verarbeitet, etwa in „Hotel Ruanda“ von Terry George oder im Dokumentarfilm „Darfur Now“.

Auch der deutsche Filmemacher Uwe Boll hat seinen Blick auf Afrika gerichtet, genauer gesagt auf die sudanesische Krisenregion Darfur. Dort ereignet sich seit 2003 ein grausamer Völkermord, wie man sich ihn nach der Katastrophe in Ruanda nicht noch einmal hätte vorstellen können und wollen. Frühzeitig versuchten Menschenrechtsorganisationen auf die Lage in Darfur aufmerksam zu machen und Stars wie George Clooney oder Mia Farrow schenkten ihr Lächeln für Kampagnen und Organisationen, die sich für die Krisenregion engagieren. Bislang ohne substantiellen Erfolg.

„Darfur“ geht nun einen Schritt weiter, nennt die Krise nicht nur beim Namen, sondern zeigt sie auch, und zwar in all ihrer Grausamkeit. „Darfur“ visualisiert das Morden in den Dörfern im Westen des Sudans so drastisch und explizit, wie man es auf der Leinwand in dieser Form und Intensität zuvor noch nicht gesehen hat.

Ein Nachmittag, der alles verändert

Begleitet von AU-Soldaten, hat eine kleine Gruppe von Journalisten eine Stunde lang Zeit, um sich mit den Bewohnern eines Dorfes in Darfur zu unterhalten und vor Ort eigene Eindrücke zu sammeln. Schnell bauen sich bei den meisten Mitgliedern der Gruppe emotionale Bindungen zu den Menschen im Dorf auf. Auch wenn diese bislang dem großen Morden entgangen sind, so haben sie doch alle eine schwere Vergangenheit hinter sich, die in direktem Zusammenhang mit den ethnischen und politischen Konflikten im Sudan steht. Von systematischen Vergewaltigungen ist da die Rede, von Morden, von Kindesentführung und der Ausbildung von Kindersoldaten. Zurückhaltend zwar, aber dennoch offen berichten die Dorfbewohner von ihrem Schicksal. Manchmal genügt auch schon ein schweigender Blick.

Nach einer Stunde tritt die Gruppe wie geplant ihre Rückfahrt an. Kaum aber, dass sie losgefahren sind, bemerken sie eine Gruppe von Dschandschawid, die sich mit erhobenen Gewehren auf das Dorf zubewegt. In der Hoffnung, durch ihre bloße Anwesenheit vielleicht das Schlimmste verhindern zu können, kehren sie um und fahren zurück. Der Anführer der Dschandschawid jedoch empfindet die Anwesenheit ausländischer Beobachter in „seinem Land“ als übelste Provokation und zwingt sie, das Dorf umgehend zu verlassen. Als er einen kleinen Jungen erschießt, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, gibt die Gruppe nach und verlässt das Dorf erneut. Geprägt von den Geschehnissen und in vollem Bewusstsein dessen, was nun bevorsteht, entschließt sich ein Teil der Gruppe, auf eigene Faust in das Dorf zurückzukehren, um den Bewohnern mit Hilfe von Waffengewalt zur Seite zu stehen. Doch das Morden hat bereits begonnen.

Grobe Vorgaben für mehr Realismus

Um die Geschichte so authentisch wie möglich zu gestalten, hatten die Schauspieler in „Darfur“ größtenteils freie Hand. Wichtige Elemente in der Anlage und Entwicklung der von ihnen verkörperten Charaktere konnten sie selbst bestimmen, ebenso wie verschiedene Wendungen im Handlungsverlauf. Die inhaltlichen Vorgaben des Regisseurs beschränkten sich auf grobe Grundlinien und einige Kernelemente der Handlung. Unerlässlich für das Projekt „Darfur“ war es etwa, dass mindestens eine Person aus der Gruppe den Rückweg bestreiten würde, um sich gegen das Massaker zur Wehr zu setzen. Wer das aber sein würde, wie viele Mitglieder der Gruppe sich gar dafür entscheiden würden, das überließ Boll seinen Darstellern.

Zudem wurden die Dorfbewohner nahezu vollständig von Laiendarstellern verkörpert, viele sogar von sudanesischen Flüchtlingen, die die Situation in Darfur am eigenen Leibe erfahren hatten. Obwohl „Darfur“ 2009 in der Nähe von Kapstadt gedreht wurde, versuchte die sudanesische Regierung über ihr Konsulat in Südafrika Druck auf die Flüchtlinge auszuüben, berichtet Boll im Filmhaus. Davon haben diese sich aber nicht einschüchtern lassen und trotz des Protests am Film mitgewirkt – und das mit vollem Erfolg, wie Boll bestätigte: „Die sudanesischen Laienschauspieler haben sich absolut professionell verhalten. Niemand von ihnen hatte beispielsweise während des Drehs in die Kamera geschaut. Wenn ich da Laiendarsteller aus meiner Heimatstadt genommen hätte, hätte das ganz anders ausgesehen.“ Aber auch inhaltlich wurde den sudanesischen Darstellern einiges abverlangt, manche spielten eigene Schicksalsschläge nach. „Der Mann, dessen Familie zerhackt wurde, dem ist das wirklich passiert“, sagt Boll. Wie aber geht man als Regisseur mit einem derart sensiblen Thema um? „Da kann man nicht emotional werden, sondern muss als Regisseur neutral bleiben. Die Frau, die im Film vergewaltigt wird, die war nach dieser Szene völlig fertig. Deshalb kann ich als Regisseur aber nicht einfach sagen ‚Das drehen wir anders, weil das so zu schlimm ist‘. Da heißt die Anweisung ganz klar: ‚Beine breit und los‘“. Die Emotionen, gesteht er aber, haben ihn spätestens im Schneideraum dann doch gepackt, als er den Film zusammenschnitt.

Auch die Kameraleute wurden beim Dreh stärker belastet, als üblich. Sie mussten erkennen, wie sich die Situationen in den durchschnittlich zweiminütigen Takes entwickelten, um sich dann ihren Weg durch den Tumult zu bahnen. Diese Spontanität und der eher dokumentarische Gebrauch der Kamera machen sich bereits mit den ersten Sekunden von „Darfur“ bemerkbar, denn der gesamte Film ist mit verwackelter Handkamera gedreht. Nicht selten wird das zur wahren Belastungsprobe für den Zuschauer.