Sind es Launen des "Teufels"?

(hpd) Mittelalter-Romane und -Filme erfreuen sich nach wie großer Beliebtheit. Aber diese liefern zumeist nur weichgezeichnete Fantasy-Fiktion. Ein erfreulich anderes Bild bietet ein jetzt erschienenes Buch.

 

„Die Launen des Teufels“ - so lautet der Titel von Silvia Stolzenburgs Roman. Was man zunächst nicht vermutet hätte, dieses Buch kann durchaus als eine sehr kirchenkritische Abhandlung angesehen werden: Welcher gutkatholischer Mönch (eines sogenannten Bettelordens) ist eigentlich schlimmer? Der sich der Völlerei ergebende, der Jungfrauen vergewaltigende oder der eifernde Hexenjäger? Wobei jeder der hier angesprochene Typ ganz „gottgegeben“ materiellen Luxus für sich selbst als selbstverständlich ansieht...

Diese Frage nach dem Grad moralischer Verderbtheit des katholischen Klerus (nicht nur im Mittelalter) drängt sich bei der Lektüre von Silvia Stolzenburgs Roman immer wieder auf. Die Autorin wird aber auch direkt. So heißt es in einem Dialog zwischen Anabel und ihrer Freundin über den Abt: „Der wird sein Keuschheitsgelübde genauso ernst nehmen wie den Schwur, in Armut zu leben.“ (S.18)

Zwei historische Ereignisse bilden den Hintergrund für das Geschehen um die Mitte des 14. Jahrhunderts: Der Baubeginn des Ulmer Münsters und das europaweite Grassieren der Pest. Mit dem himmelsstürmenden „Gotteshaus“ wollen reiche Bürger und Kleriker ein Denkmal ihrer Macht setzen, eher notdürftig als Ehrung „Gottes“ verbrämt. Vielmehr geht es um profitable Bau-Geschäfte und um die persönliche Macht in der Stadt. Doch mit einem hatte man nicht gerechnet: Der „Schwarze Tod“, die Pest, hat auch Ulm und Umgebung erreicht und macht vielem und vielen einen Strich durch die Rechnung.

Im Mittelpunkt des Romans steht die Liebesgeschichte von Anabel und Bertram. Anabels Vater ist Glockengießer, habgierig und herzlos. Seines eigenen Vorteils wegen schreckt er weder vor Intrige und Mord zurück. So zwingt er seine Tochter Anabel ohne jeglichen Skrupel ins Bett des Abtes der Barfüßer-Abtei; beide Männer eint das Streben um die Führung in der Stadt. Doch Anabel liebt Bertram, den Lehrling ihres Vaters...

Die Pest rafft schließlich den lüsternen Abt dahin, sein Nachfolger ist ein bigotter Frauenhasser, der voller Eiferns die gebildeteten weiblichen Krankenpfleger als Hexen denunziert und per „Gottesurteil“ ums Leben bringt. Die aufkommende Inquisition schimmert hier schon durch.

Nein, so zart auch die Liebe zwischen Anabel und Bertram keimt und wächst, so sehr die beiden jungen Menschen sich auch nicht von den Umständen ihre Liebe zerstören lassen, so wenig zeichnet die Autorin ein Idyll des mittelalterlichen Lebens.

Gewalt gegen Frauen und das Gesinde sind für die Herrschenden dieser Zeit das normalste der Zeit, die christliche Nächstenliebe nur schön geschriebene Buchstaben-Worte in einer Welt des Analphabetentums, der Unbildung und des allgegenwärtigen Schmutzes. Da machen weder Mönche, noch Patrizier oder der hohe Adel eine Ausnahme. Gerade Unbildung und Schmutz führen im von den Mönchen geführten Spital zu besonders hoher Sterblichkeit. So läßt die Autorin den Leiter des Spitals sagen: „'Diese Frauen bezahlen für die Sünde unserer Vorväter', leierte er die beliebte Erklärung des Kindbettfiebers herunter.“ (S.95) Und als Urheber der Pest wird nicht mangelnde Hygiene ausgemacht, sondern wahlweise der Teufel oder die Juden. Wobei da Anabels Vater ganz bewußt aus eigenen Profitgründen zum Pogrom aufstachelt...

Ob die Liebesgeschichte von Anabel und Bertram einen guten Ausgang nimmt, welche Verwicklungen und Prüfungen die beiden noch zu bestehen haben, das mag jeder selbst lesen.

Ja, so sollten Bücher über längst vergangene Zeiten beschaffen sein: Wahrhaftig und dennoch poetisch. Dieser Roman ist authentischer (und aufklärender) als alle Mittelalterspektakel hierzulande zusammen. Nicht zuletzt wird deutlich, daß persönliche Freiheit, daß Menschen- und Frauenrechte, daß Bildung und Mitmenschlichkeit und daß soziale Fürsorge keine Früchte der christlichen Kirchen sind!

Auf die beiden Fortsetzungen darf man daher schon sehr gespannt sein. Teil 2 „Das Erbe der Gräfin“ ist vom Verlag für den Herbst 2011 angekündigt.

Siegfried R. Krebs

Silvia Stolzenburg: Die Launen des Teufels. Roman. Hardcover mit Schutzumschlag. 466 S. Bookspot-Verlag. München 2010. 16,95 €