Requiem für die abendländische Kultur

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Rolf Bergmeier / Fotos (c) Dennis Merbach

FRANKFURT/M. (hpd/sk) Als Ausklang des Herbstprogrammes der Säkularen Humanisten – Regionalgruppe Rhein-Main des Förderkreises der Giordano Bruno Stiftung (in Zusammenarbeit mit DiKOM e.V.) stellte Rolf Bergmeier am 19. November unter dem Titel „Requiem für die abendländische Kultur“ seine Thesen zur Diskussion.

Bericht und Kommentar von Mathias Mendyka

Knapp 60 Interessierte fanden sich im Saalbau Bornheim zu dem Vortrag mit anschließender Diskussion ein – für ein althistorisches Thema an einem Freitagabend eine durchaus stattliche Anzahl. Doch tatsächlich wurde der sachkundig-engagierte Vortrag Ausgangspunkt einer lebhaften Diskussion, die zeigte, wie gegenwärtig und relevant Geschichte sein kann.

Die griechisch-römische Kultur, ihr Niedergang in der Spätantike und die Frage nach den Gründen standen dabei im Zentrum des Interesses. Im Laufe des Abends zeigte sich wiederholt, dass Rolf Bergmeier unter „Kultur“ nicht ausschließlich „Hochkultur“ – Kunst, Musik und Literatur – versteht, sondern in seinen Untersuchungen auch die Bildungsmöglichkeiten der Bevölkerung, das öffentliche Verkehrswesen oder die Wasserversorgung zum „gewaltigen Erbe der Menschheit“ der Antike zählt.

Geschichte und Gegenwart

Als Gegenwartsbezug stellte Bergmeier aktuelle Aussagen des Bundespräsidenten Christian Wulff zu möglichen Prägekräften für die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland vor. Die Tatsache, dass hier in integrierender Absicht von allerlei, nicht aber von der antiken Kultur die Rede ist, griff der Referent zugleich als Einstieg in den Vortrag auf.

Zunächst skizzierte Rolf Bergmeier den historischen Hintergrund des vierten Jahrhunderts nach unserer Zeitrechnung. Wert legte er dabei vor allem auf eine Abgrenzung von der Spätantike, also dem vierten und fünften Jahrhundert sowie dem frühen (aufgrund der Überlieferungslage in der Tat „finsteren“) Mittelalter ab dem Jahre 600 sowie dem Hochmittelalter.

Als Meilensteine des vierten Jahrhunderts machte Bergmeier insbesondere Konstantin (den so genannten Großen), römischer Kaiser von 306 bis 337, den Christenstreit der Jahre 318 bis 380, hier insbesondere das erste Konzil von Nicäa 325 und schließlich Kaiser Theodosius I. (ebenfalls der „Große“) von 379 bis 394 aus.

Anhand einer Gegenüberstellung der kulturellen Umstände zu Beginn des vierten Jahrhunderts und dem Beginn des frühen Mittelalters gelangte Bergmeier zu dem Zwischenfazit, dass keine andere Kultur je innerhalb einer so kurzen Zeit so weitgehend vernichtet wurde wie die griechisch-römische. Dies belegte er anhand einer Vielzahl kultureller Errungenschaften, wobei die Vorliebe Bergmeiers für die Bildhauerei wiederholt zutage trat.

Ursachenforschung

Besonders spannend wurde es im Hauptteil des Vortrages, in dem der Referent der Frage nachging, wie es zu einem solchen kulturellen Bruch kommen konnte. In der etablierten Forschung existieren verschiedene Theorien: mal wird die römische Dekadenz herangezogen, mal von der Völkerwanderung als Zäsur ausgegangen, und Friedrich Dürrenmatt spitzt die Debatte in „Romulus der Große“ gar auf die Überlegenheit germanischer Beinkleider gegenüber römischer Gewänder zu. Rolf Bergmeiers Ansicht nach spielt jedoch das unter Kaiser Theodosius zur Staatskirche erhobene Christentum die entscheidende Rolle.

Damit, so räumte Bergmeier gerne ein, begebe er sich in bewusste Konfrontation mit einem Großteil der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft. Diese sei tendenziell kirchenhistorisch dominiert und spare die Frage nach der kirchlichen Verantwortung aus, während ausgerechnet die althistorische Zunft „Fahnenflucht vor den antiken Leistungen“ begehe und der „kulturellen Einöde“ nach Etablierung der christlichen Staatskirche mit verschämten Verweisen, z.B. auf die schönen neuen Kathedralen, begegne.