BERLIN. (hpd/hvd) Unser Freund und Kollege Gerd Eggers ist am 12. März 2011 im Alter von 62 Jahren gestorben. Er war schon lange an einer seltenen Krebsart erkrankt und musste mit der Aussicht auf ein baldiges Ende leben.
Als er die deprimierende Diagnose erhielt, erwarteten die Ärzte für ihn nur noch wenige Monate Lebenszeit. Aber Gerd hatte Glück im Unglück. Die medizinische Forschung entwickelte mehrere Medikamente, die seine Krankheit in Schach halten konnten. So hat er noch über fünf Jahre leben können.
Gerd hat sich entschieden wie er die ihm verbleibende Zeit nutzen wollte. Er verstärkte sogar sein Engagement für einen verbindlichen Ethikunterricht in Berlin und für das Angebot des „Humanistischen Lebenskundeunterrichts“ in den Bundesländern.
Gerd hatte Erfolg. In Brandenburg, wo er als Koordinator für den Landesvorstand arbeitete, gelang es, den Lebenskundeunterricht vor Gericht zu erstreiten. Gerd hatte in den Jahren bis zu diesem positiven Urteil intensiv die Öffentlichkeitsarbeit betrieben, mit Politikern Kontakte hergestellt und die Beratungen mit den Rechtsanwälten begleitet. Wir können sagen, dass es zu einem großen Teil Gerds Arbeit war, die es heute bereits über 1.000 Schülerinnen und Schülern in Brandenburg ermöglicht am Humanistischen Unterricht teilzunehmen.
Nach diesem Erfolg widmete er sich als Bundesbeauftragter des Humanistischen Verbandes der Einführung des Lebenskundeunterrichts in anderen Bundesländern. Er half die Klagen dazu auf den Weg zu bringen, hat aber leider nicht mehr die gerichtlichen Entscheidungen erleben können. Oft haben wir aus Länderverbänden gehört „Wie hätten wird das alles ohne Gerd hinbekommen?“.
Er war trotz allem sehr bescheiden, sah sich immer als Teil eines Teams, obwohl er oft eine hervorgehobene Rolle spielte.
Gerds Engagement galt der Sache und nicht seiner eigenen Anerkennung. Wir haben ihn als grundehrlichen und vertrauenswürdigen Freund erlebt, bei dem man immer wusste, was er dachte. Mit ihm konnten wir lange diskutieren, denn Gerd war ein Optimist des vernünftigen Arguments. Seine Lebenseinstellung drückte sich darin aus, solange über ein Problem gemeinsam nachdenken zu wollen, bis ein Konsens gefunden wurde. Er ist mit dieser Haltung auch angeeckt und passte manchmal nicht in jede bürokratische Struktur. So wurde er in den 1970er Jahren von der Humboldt Universität verwiesen, in der er als FDJ-Sekretär in Widerspruch zur SED geraten war.
Wir jedenfalls konnten im Nachhinein immer sagen: „Gut, dass wir Gerds Argumente kennengelernt haben, uns an ihnen abgearbeitet haben, oder wie meistens, uns von ihnen überzeugen ließen.“
Sein – wohl auch subjektiv empfundener - größter Erfolg war die Auseinandersetzung rund um den Volksentscheid zum Ethikunterricht in Berlin. Gerd schrieb den ersten Entschlussentwurf für eine SPD-Abteilung. Dieser Text wurde zur Grundlage aller weiteren politischen Entscheidungen.
Natürlich war das Bündnis für den Ethikunterricht eine große Gemeinschaft von Organisationen und Personen, aber ich glaube sagen zu können, dass alle Beteiligten den Satz zustimmen würden. „Gerd war die zentrale Person“. Er hat zwar eher in der zweiten Reihe agiert, aber von ihm stammten die Grundsatzpapiere und die Kampagnenpläne. Er hat wie immer im Team gearbeitet und soviel Menschen wie möglich daran beteiligt - das war auch eine Grundhaltung seines demokratischen Selbstverständnisses. Seine Ruhe und seine selbstsichere Gelassenheit haben die Sitzungen geprägt. Gerd war sehr froh, das auch religiöse Gruppen sich im Bündnis für den Ethikunterricht engagierten. Die große Gemeinschaft über alle weltanschaulichen und religiösen Grenzen hinweg war sein Ziel und er hat dies in seinem politischen Leben praktiziert.
Als wir dann alle vor dem Fernseher am Abend des Volksentscheides standen und die Nachricht vom Erfolg gesendet wurde, brachen alle in Jubel und laute Freude aus. Ich stand neben Gerd. Er lächelte nur leise. Dann kamen die Glückwünsche. Irgendwie wollte sie jeder Gerd mitteilen – und wieder war da diese stille, bescheidene Freude bei Gerd, der schon wieder dabei war, die nächste Pressekonferenz zu planen.
Für ihn war der Ethikunterricht ein Modell des großen Bündnisses in der Gesellschaft, in dem gemeinsam gelernt wird sich mit Fragen nach dem Sinn des Lebens zu beschäftigen, die Bedeutung der Menschenrechte für jeden Menschen kennenzulernen oder über Religionen und Weltanschauungen nachzudenken. Dieses Gemeinsame war seine Utopie, die ihn trug und mit der er den Menschen um ihn herum begegnete.
Die Schulpolitik in Berlin, die säkularen Verbände und die Unterstützer/-innen des Ethikunterrichts haben einen Freund verloren, dessen Engagement wohl nicht ersetzt werden kann.
Wir können Gerd Eggers wie er ruhig lächelt, in Erinnerung behalten.
Werner Schultz