(hpd) Geht man von dem Eindruck aus, den man von unseren Massenmedien gewinnen kann, so wird unsere Welt immer brutaler und gewalttätiger. Pinker zeigt in einem seiner Vorträge, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Auf allen Zeitskalen sinkt der Anteil der unnatürlichen Todesfälle. Die Lebenserwartung und die Lebensqualität steigen dagegen ständig an. Gewinnt die menschliche Vernunft auf die Dauer doch die Oberhand?
Steven Pinker (geb. 1954 in Montreal) ist Professor für Psychologie an der Harvard University in Boston, USA. Seine wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich vor allem auf die Sprachentwicklung und die visuelle Kognition. So schrieb er unter anderem ein Buch über den Spracherwerb von Kindern. Weiterhin hat er sich mit der evolutionären Psychologie und einer mathematischen Theorie des Verstandes beschäftigt. Pinker ist der Ansicht, dass die Sprache eine biologische Anpassung ist, die durch die natürliche Selektion erzeugt wurde. Mit dieser Überzeugung steht er im Widerspruch zu einigen anderen Wissenschaftlern, die die Sprache nur als Nebenprodukt anderer Anpassungen sehen.
Außerhalb der Fachwelt wurde er durch Veröffentlichungen von mehreren Büchern über Sprache, Geist und die menschliche Natur bekannt. Daneben schreibt er häufig für bekannte Magazine und Zeitungen. Für seine Publikationen hat er mehrere Auszeichnungen und Preise erhalten. In seinem Vortrag „The stuff of thought“ befasst er sich mit der Bedeutung der Sprache für unseren Verstand:
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Besonders aufschlussreich ist sein Vortrag „A brief history of violence“. Er zeigt darin, dass das, was die meisten über die historische Entwicklung der Gewalt vermuten, nämlich dass sie ständig zunimmt, völlig falsch ist. So starben in der Steinzeit zwischen 15 und 60% der Menschen durch Mord oder schwere Verletzungen aufgrund von Auseinandersetzungen mit anderen Menschen. Im letzten Jahrhundert lag diese Rate trotz der beiden Weltkriege und den Völkermorden bei unter 1%. Heutzutage liegt z.B. die Mordrate in den westlichen Ländern bei 1: 100 000 pro Jahr. Das ist im Vergleich zum Mittelalter um zwei Größenordnungen geringer.
Pinker diskutiert einige Erklärungen für diese Entwicklung: Einführung von staatlichen Gerichten, höhere ethische Standards (Menschenrechte), allgemein höhere Lebensqualität und größere Gemeinschaften. Weiterhin spielt sicher die verbesserte Bildung und infolgedessen die Zurückdrängung des Irrationalismus und der Religionen eine gewisse Rolle.
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Die Lehre aus der von Pinker vorgetragenen Entwicklung ist recht klar: Wir müssen uns nicht mit dem Leid und dem Elend auf dieser Welt abfinden, sondern wir können etwas dagegen unternehmen. Das so genannte Böse gibt es nicht, sondern es gibt gesellschaftliche Fehlentwicklungen, die beseitigt werden können. Zur einer weitgehenden Beseitigung des persönlichen Leids wird uns die Technologie und die moderne Medizin verhelfen. Dazu gehört nicht zuletzt auch eine vernünftige Regelung der aktiven Sterbehilfe. Es mag sein, dass wir Leid und Elend nie ganz beseitigen können, aber wir können sie auf jeden Fall um viele Größenordnungen reduzieren. Angst vor dieser Entwicklung müssen nur diejenigen haben, die mit dem Elend der Menschen ihr Geld verdienen oder die gar das Leid als etwas Heil Bringendes ansehen.
Pinker sieht sich als Wissenschaftler, der ergebnisoffen forscht und dabei keine Rücksichten auf geisteswissenschaftliche Traditionen nimmt. So steht er für eine rein wissenschaftliche Erforschung des Geistes und damit für eine Abkehr vom Geist-Körper Dualismus. In einem Artikel, der in der FAZ erschienen ist, tritt Pinker für eine Neurobiologie ohne Vorurteile ein. Er fragt:
„Warum werden empirische Fragen nach der Funktionsweise des Geistes mit so großen politischen, moralischen und emotionalen Lasten befrachtet? Warum fürchten die Menschen so gefährliche Folgen, wenn man sagt, der Geist sei ein Produkt des Gehirns, das Gehirn verdanke seine Struktur zum Teil dem Genom, und das Genom habe seine Gestalt durch natürliche Selektion erhalten?“
Bernd Vowinkel