HAMBURG/DRESDEN. (hpd) Der Offene Brief des Geschäftsführers eines Dresdner Hotels an Mitglieder der NPD-Landtagsfraktion, dass man
deren Zimmerbuchung nicht begrüße und - falls man von dem zustande gekommenen Vertrag nicht zurücktreten könne -, die Einnahmen an die Synagoge in Dresden spenden werde, hat eine Welle der Zustimmung ausgelöst. Er hat damit ein Beispiel gesetzt, dem mittlerweile auch Brandenburger Hotels und Gastwirte gefolgt sind.
„Die vergangenen vierzehn Tage möchte ich in meinem Leben nicht missen, sie werden mich mein Leben lang begleiten. Aber ab morgen ist Schluss damit, dann bin ich wieder der einfache Unternehmer, der kleine Hoteldirektor in Dresden."
So Johannes Lohmeyer, 1.86 groß, Jahrgang 1964, gestern, Dienstag den 6. November 2007, 19.20 auf seiner Fahrt von der Johannes B. Kerner Show zum Flugplatz in Hamburg. Am Abend, so hat er sich vorgenommen, wird er in der Hotellounge mit Freunden und Gästen die Aufzeichnung anschauen. „Die anderen Gäste waren so eloquent, so beredsam, ich dagegen so ungeübt" meint er. Welch ein Irrtum.
Unter dem Stichwort „Zivilcourage" kam Johannes Lohmeyer, Geschäftsführer des Holiday Inn Dresden, wie er findet, ungewollt in einen Medienstrudel und wichtiger noch, ihm wurde Anerkennung zuteil, die er seines Erachtens nicht verdient hat. „Ich habe einen Brief geschrieben, so wie jeden Tag zwanzig andere auch." Aber dieser Brief hatte es in seinen Formulierungen in sich, ein Meisterstück der Formulierungen, und zieht seit vierzehn Tagen immer weitere Medienkreise.
hpd: Hat dieser Offene Brief eine ‚Vorgeschichte' ?
Johannes H. Lohmeyer: Ja, und zwar in der Weise, dass wir immer wieder einmal, wie auch andere Hotels in Dresden, Anfragen und Buchungswünsche von NPD-Funktionären bekommen haben, die wir stets diskret und ohne viel großen Aufhebens abgelehnt haben.
Wie haben Sie erkannt, dass es eine Buchung der NPD war?
Das Hotel hat eine sehr aufmerksame Empfangs-Sekretärin, die sich in Dresden auskennt und die Buchung sofort an mich weiter geleitet hat.
Warum dann der Offene Brief?
Ich habe mich sofort bei der Internetplattform, mit der wir einen Vertrag haben und über die gebucht worden war, erkundigt und man bestätigte mir, dass mit der Buchung ein rechtskräftiger Vertrag zustande gekommen war. Das hat mich aufgebracht und der Offene Brief schien mir ein Mittel zu sein, diese rechtskräftige Buchung abzuwehren.
In einigen Mails wurde gefragt, ob es sich eventuell um einen Marketingtrick handeln würde.
(lacht) Nachdem ich die Buchung gesehen hatte und der Auskunft, dass sie rechtsverbindlich ist, war eine halbe Stunde später der Brief hinaus – Marketingstrategien werden sehr viel sorgfältiger und langfristiger geplant.
Wie hat die NPD darauf reagiert?
Die NPD schickte ein Fax, mit dem die Buchung storniert wurde und in dem sie sich beklagte, dass sie als Minderheit diskriminiert werden würden. Dann gab es einige gleich lautende Mails von NPD-Sympathisanten – allesamt mit einer tschechischen Absenderkennung.
Haben Sie gedacht, dass sich dieser Offene Brief über den Raum Dresden hinaus verbreitet?
Nein. Ich hatte diesen Brief nur an die Presse in Dresden weiter geleitet und habe niemals mit diesen Reaktionen gerechnet.
Wie haben die Menschen reagiert?
Ich persönlich habe mittlerweile rund 2.500 Mails und Briefe erhalten. Der sächsische Ministerpräsident, er stammt aus dem gleichen Dorf im Sauerland wie ich selber, hat mich für nächste Woche eingeladen. Es ist gewaltig, was ich an Zuspruch bekommen habe. Als ob ich ein schlummerndes Bedürfnis angesprochen habe, dass diese häufig sehr persönlichen Schreiben ausgelöst hat.
Werden diese vielen Mails alle persönlich beantworten können?
Einige, die mich besonders bewegt haben - von Überlebenden des Holocaust aus Israel und aus New York -, werde ich sicherlich persönlich beantworten. Die anderen zu beantworten, das werde ich wohl nicht schaffen. Da rund die Hälfte der Mails sich direkt auf die Meldung des Humanistischen Pressedienstes bezog, möchte ich unser Gespräch dafür nutzen, diesen Menschen meinen Dank für ihren Zuspruch auszusprechen und auf diesem Weg hoffentlich auch den meisten von ihnen hiermit übermitteln.
Hat sie diese - ja beinahe weltweite - Resonanz gefreut?
Ja. Es hat mich gefreut, dass ich als kleiner Hotelier so vielen Menschen offensichtlich Mut gemacht habe. Reporter haben mich gefragt, ob ich darauf persönlich stolz sei und ob ich auf Deutschland stolz sei. Stolz bin ich auf meine Mitarbeiter, wenn wir am Monatsende ein gutes Betriebsergebnis erwirtschaftet haben, das ist unsere eigene Leistung. Und ich bin froh in Deutschland zu leben, mit einem Grundverständnis, das seit 60 Jahren schon Bestand hat, und insgesamt gesehen bürgerliche Rechte gewährleistet, die auf der Welt nicht selbstverständlich sind.
Hat Sie diese Resonanz erschreckt?
Die Resonanz selber nicht, die hat mich überwältigt. Mir sind aber in dieser kurzen Zeit viele Informationen zugetragen worden, in letzter Zeit gab es auch schmähende Briefe von NPD-Gesinnungsgenossen, die mir gezeigt haben, wie sehr sich im ländlichen Raum eine rechtsradikale Subkultur ausgebreitet hat, von der ich vorher nichts wusste. Das hat mich erschreckt.
Es heißt, dass die NPD sich manches Mal unter Decknamen anmeldet und man erst weiß, wen man da im Hause hat, wenn die Leute sich versammelt haben. Kann man dagegen etwas tun?
Das Problem habe ich ja nicht in Dresden. Als Geschäftsführer eines städtischen Vier-Sterne-Hotels kann ich mich da behaupten. Aber auf dem flachen Land muss der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband sich etwas einfallen lassen, wie man Gastwirte und Hoteliers in solchen Situationen schützen und unterstützen kann. Den Kollegen dort würde doch zum Teil die örtliche Kundschaft wegbleiben, so dass wir aus Dresden aufs Land fahren müssen, dort Essen gehen, Gäste hinschicken. u. a. m. Es gibt viel zu tun.
Herr Lohmeyer, danke für das Gespräch.
Die Fragen stellte Carsten Frerk.