Vortragsveranstaltung der Humanistischen Union

"Zum Kleingedruckten der AfD"

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Katharina Nocun
Katharina Nocun

Über "das Kleingedruckte" im Programm, in den Zielen und in der Politik der AfD klärte am vergangenen Donnerstag ein Vortrag von Katharina Nocun auf. Gut 30 Interessierte folgten in der Marburger Thomaskirche der Veranstaltung der Humanistischen Union (HU).  

Sich durch die verschiedenen Wahlprogramme der sogenannten "Alternative für Deutschland" (AfD) zu kämpfen, sei ihr nicht leicht gefallen, bekannte die Trägerin des Marburger Leuchtfeuers für Soziale Bürgerrechte Nocun. Auslöser waren fremdenfeindliche Aussagen von AfD-Politikern im Wahlkampf zum Landtag von Baden-Württemberg im März 2016 gewesen. Daraufhin, so Nocun habe sie wissen wollen, was diese Partei sonst noch für Positionen vertritt. Nach "bewährter Hacker-Devise" begann sie deshalb, den "Quellcode zu lesen". Mit Screenshots hatte Nocun einzelne Aussagen des Wahlprogramms dokumentiert und kritisch kommentiert. Überschrieben hatte sie ihren Beitrag mit dem Hinweis "Was Sie wissen sollten, wenn Sie die AfD wählen wollen".

Das Ergebnis hatte sie abends in ihrem Blog kattascha.de veröffentlicht. Als Nocum am nächsten Morgen auf ihre Timeline bei Twitter blickte, war ihr Beitrag "viral gegangen" und zigtausendfach angeklickt worden. Viel Lob und Zustimmung, aber auch bösartige Anfeindungen seitens der AfD waren die Folge.

Als Wirtschaftswissenschaftlerin interessierte Nocun sich natürlich für Steuer- und Wirtschaftspolitik. Zu ihrem Erstaunen vertritt die AfD dazu trotz ihres Anspruchs als "Sprachrohr der kleinen Leute" auch im Bundestagswahlprogramm extrem marktliberale Positionen. So fordert sie die Abschaffung der Erbschaftssteuer und die Absenkung des Spitzensteuersatzes sowie einen Verzicht auf die Vermögenssteuer.
In der Bildungs- und Medienpolitik erhebt die Partei den Anspruch, ihr konservatives Familienbild im Schulunterricht sowie in den Darstellungen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zu verankern. Besonders großen Einfluss auf diese Positionen nähmen hier die "Christen in der AfD". Dabei handele es sich um eine Gruppe evangelikaler Fundamentalisten, die die AfD zur Durchsetzung ihrer rückwärtsgewandten familienpolitischen Vorstellungen nutzen wollten.

Die "Christen in der AfD" hatten beim Kirchentag in Berlin ihre Positionen breit darstellen dürfen. Bei ihnen handelt es sich um sogenannte "Lebensschützer", die seit vielen Jahren als entschiedene Gegner von Abtreibungen in Erscheinung treten. In der AfD scheinen sie nun eine passende Partei für ihr fundamentalistisches Weltbild gefunden zu haben.

Doch selbst innerhalb der AfD stießen Kritik an Abtreibungen und die Forderung, Alleinerziehende nicht steuerlich zu begünstigen, auf Widerspruch vieler weiblicher Parteimitglieder. Nocun spielte Berichte von Parteitagen ein, bei denen Männer die Gegenreden von Frauen mit patriarchalischen Argumenten wegwischten. "So etwas" seien sie "doch von Feministinnen gewöhnt", erklärte ein Delegierter.

Ihren eigenen Ansprüchen im Parteiprogramm werde die AfD in der Praxis häufig nicht gerecht. Das gelte für die Forderung nach Transparenz ebenso wie für die Parteienfinanzierung. Doch für die AfD gelte die Devise, dass derartige Forderungen immer nur für die anderen gelten.

"Die AfD hackt politische Debatten", erklärte Nocun. Mit gezielten Provokationen errege sie mediale Aufmerksamkeit, um so für sich zu werben. Am Ende stehe wahrscheinlich der Einzug in den Deutschen Bundestag. "Ihre Präsenz dort wird die Politik und das Land verändern", befürchtet Nocun. Vieles könne inzwischen laut gesagt werden, was sich früher niemand zu sagen traute. Rassistische und menschenverachtende Debatten im Bundestag könnten die Menschen an solche Positionen gewöhnen, warnt Katharina Nocun.

Eingeladen hatten die Trägerin des Marburger Leuchtfeuers für Soziale Bürgerrechte neben der Humanistischen Union (HU) das Bewohnernetzwerk für soziale Fragen (BSF) und der Kulturladen KFZ. Ihr Vortrag bildete den Abschluss eines Aktionstags der BSF zur Bundestagswahl auf dem Christa-Czempiel-Platz im Marburger "Problem-Stadtteil" Richtsberg.