BERLIN. (hpd) Am vergangenen Sonntag fand die erste „erhellende Lesung” zum ATHvent 2011 der Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg in Berlin statt. Als Referent war der Historiker Rolf Bergmeier eingeladen, der über das frühe Christentum als Staatsreligion sprach. Veranstaltungsort ist in diesem Jahr das Literaturhaus Berlin in Berlin-Charlottenburg.
Der Veranstaltungsort
Zur Historie des Literaturhauses gibt es interessante Details. Die Villa wurde 1889 erbaut und diente zeitweilig als Volksküche, Reservelazarett und sogar als Bordell. Aber schon sehr zeitig war es auch Treffpunkt von Literaten. Es war in den 1920er Jahren der Ort für Zusammenkünfte russischer Exilanten, unter ihnen z. B. Vladimir Nabokov. Ab 1931 bot die Villa Raum für die Leseabende der „Rabenpresse”, mit Autoren wie Horst Lange, Hermann Kasack, Oskar Loerke, Paul Zech, Werner Bergengruen, Max Herrmann-Neiße und vielen anderen. Es fanden in den kommenden Jahren immer wieder Lesungen und Ausstellungen statt. Unter anderem findet dort seit den 1970er Jahren die Walther-Serner-Preisverleihung gemeinsam mit dem Radio Berlin-Brandenburg statt.
Seit 1986 ist es dem Trägerverein Literaturhaus Berlin zur Nutzung als erstes deutsches Literaturhaus überlassen worden. Heute, mit dem Café und der Buchhandlung, ein gemütlicher Ort mit schönem Ambiente für die diesjährige Veranstaltungsreihe „ATHvent” der Evolutionären Humanisten Berlins, die zum zweiten Mal stattfindet und sich hoffentlich zu einer guten Tradition entwickelt.
Der Referent
Der Althistoriker Rolf Bergmeier, der schon einige Male in anderem Rahmen zu Gast war, zuletzt zur Fachtagung „Vatikan” in der TU Berlin und beim Herbstprogramm 2010 der Regionalgruppe der GBS Rhein-Main, stellte sein neues Buch „Schatten über Europa” vor. Ca. 50 Zuhörer fanden sich am Sonntagmittag im Kaminraum des Literaturhauses ein.
Als Autor hat Rolf Bergmeier bereits vor zwei Jahren ein Buch über Kaiser Konstantin veröffentlicht und befasst sich nun mit den Auswirkungen des nachfolgenden Kaisers Theodosius I. auf die griechisch-römische Kultur in den Jahren 300-400. Sein neues Buch, welches unter dem Titel „Schatten über Europa” erschienen ist, bringt einen „Bericht über [die angebliche] römische Dekadenz und germanische Barbaren, sowie eine Analyse, ob beide Kräfte die Grundlagen der abendländischen Kultur vernichtet haben. Es ist eine Aufarbeitung der Kirchengeschichte ab der Ernennung der trinitarischen Konfession zur Staatskirche um 380”.
Die antike Kultur
Bergmeier erklärt mit viel Sachwissen, und durch umfangreiche Recherchen belegt, dass nicht die oft angeführte Völkerwanderung den Untergang der antiken Kultur verursachte und auch nicht die römische Dekadenz, sondern der Paradigmenwechsel der neuen Staatskirche und das neu installierte Weltbild.
Konstantin (306-337), als der erste christliche Kaiser bezeichnet, hatte lediglich die Voraussetzungen für diesen Wandel geliefert, die dann besonders durch Theodosius I. (379-394) weitergeführt und intensiviert wurden. Während es noch im 3. Jahrhundert, ausgehend von Griechenland, in Rom zahlreiche öffentliche Schulen, Bibliotheken und Thermen gab, fünfzig Prozent der Bevölkerung schreiben und lesen konnten, Literatur, Theater und andere Künste einen sehr hohen Stellenwert hatten, Aquädukte, Fernstraßen, komfortable warme Wohnungen mit Bädern und sauberes Wasser zum Lebensalltag gehörten, war damit im 5. Jhd. Schluss.
Die Staatskirche
Insbesondere Theodosius' Edikt „Cunctos populos“ aus dem Jahre 380 wird von Rolf Bergmeier als der Schlüssel dieser gesellschaftlichen Entwicklung gesehen. Darin wurden alle christlichen Varianten, die bis dahin in einer Vielzahl nebeneinander existierten, verurteilt. Es sollte nur noch eine einzig gültige Religion geben, die trinitarische, die von der Gotthaftigkeit Jesu ausgeht. Dies wurde jedoch nicht von den Bischöfen und der Kirche verlangt, sondern wurde von einem Kaiser erlassen. Der Wechsel zum ausschließlichen Monotheismus war damit vollzogen und eine Staatskirche geschaffen. Gemäß Paulus' Worten „Wer den Herrn nicht liebt, sei verflucht.” wurde die Missionierung „mit dem Hammer” durchgesetzt. Im Zuge der Durchsetzung des Ediktes wurden die Bibliotheken und Schulen geschlossen, der Zugang der Menschen zu Schrift, Sprache und Bildung war damit abgeschnitten.
Es wurde ein „neues christliches Menschenbild” deklariert. Die Endzeitlehre wurde radikal umgesetzt, sämtliche Werte umgewertet und das Jenseitsgrauen übersteigert. Ein glückliches Leben hat nichts mit dem Jenseits zu tun, irdisches Leben ist nichts mehr wert, es sollte das Wartezimmer zu einem schöneren, größeren und erfüllteren Jenseits sein. Damit war den Menschen das Streben nach Wissen, Lebensglück und Erfüllung genommen. Angst wird die Grundlage für das Leben. Es wurden nahezu alle Bestrebungen getötet, im und für das Leben irgendetwas zu tun.
Der Untergang der Antike
In einer Gegenüberstellung zwischen Antike und Frühmittelalter macht Rolf Bergmeier klar, welch radikale Wandlung in relativ wenigen Jahren vollzogen wurde: keine öffentlichen Thermen mehr, die Bibliotheken befanden sich ausschließlich in Klöstern oder Bischofsresidenzen und waren ebenfalls nicht öffentlich zugänglich. Während die berühmte Bibliothek von Alexandria ca. 500.000 Bücher zu allen möglichen Themen in ihrem Bestand hatte, gab es in den großen klösterlichen Bibliotheken nur noch 100-500 Bücher und diese fast ausschließlich zu theologischen Themen.
Das dreiteilige Schulsystem, welches keine weltanschaulichen Bindungen hatte und öffentlich war, verschwand vollständig. Ebenso die Fachschulen für Medizin, Recht und Philosophie. Ab dem 5. Jhd. legten einzig die Kirchenväter die Grundlagen für die Wissenschaften fest. In der Folge breitete sich das Analphabetentum aus. Die Schriftlichkeit erlischt im 5./6. Jhd.