BERLIN. (hpd) Als wenige Tage nach der Machtübernahme des Nationalsozialismus in der Berliner Marienkirche ein Dankgottesdienst
stattfand und zu beiden Seiten der Kanzel die SA Aufstellung genommen hatte samt ihren Standarten und Hakenkreuzfahnen das Bild beherrschten, hat das wohl hier niemand weiter überrascht, in Berlin nicht und nicht andernorts, schon gar nicht die Kirchenoberen.
Die Anhänger der Deutschen Christen hatten besonders in Berlin eine fast 75prozentige Mehrheit. Von einer feindlichen Eroberung der protestantischen Kirchen konnte also keine Rede sein. Und auch die Katholiken standen in ihrer Freude über Hitlers Führerschaft nicht nach, wie die historische Forschung zeigt. Dennoch wird gern das Bild des christlichen Widerstandes gepflegt, den es auch gegeben hat, zweifellos.
Es hat sich in der Erinnerungskultur das Bild eingeprägt, es hätte wenig Kirchenneubauten in der NS-Zeit gegeben. Auch hier ist das Gegenteil der Fall, mehr noch, Restaurierungen und Neubauten zeigen klare Spuren einer „Verdeutschung“ und des Einschreibens nazistischer Symbole in kirchliche Bild- und Bauwelten – wie eine Ausstellung unter dem Titel „Christenkreuz und Hakenkreuz“ zeigt, die bis zum 12. Juli in Berlin (in Mitte, in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstraße 13 14, Eingang über den Ehrenhof) zu sehen ist und anschließend nach München und Hamburg wandert. Der Titel folgt einem Buch von Dieter Pfau über das Siegerland am Vorabend des „Dritten Reiches“.
Die Begeisterung nicht nur der Deutschen Christen für die NS Ideologie schlug sich auch im Kirchenbau nieder. In der unter Leitung von Stefanie Endlich (Berliner Universität der Künste) und unter Mitarbeit von Beate Rossié und Monica Geyler-von Bernus vom Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart konzipierten Exposition sind zehn Beispiele von Kirchenbau und Sakralkunst im Nationalsozialismus zu sehen. Insgesamt können die Kuratorinnen und ihre zahlreichen MitarbeiterInnen auf bislang etwa eintausend [!] Beispiele zurückgreifen. Sie zeigen „Wege zur Erinnerung“, wie ein Buchtitel von Stefanie Endlich heißt.
Leider gibt es noch keinen Katalog, aber die erfreuliche mündliche Auskunft vor Ort, dass es einen geben werde. Die knappen, aber klaren und hilfreichen Kommentare zu den zehn Beispielen sind auf Deutsch und auf Englisch zu lesen. Man hätte sich gern mehr Text und noch mehr Bilder gewünscht. Und wer von einer Etage höher aus der Abteilung kirchlicher Widerstand ins Parterre der massenhaften Begeisterung kommt, erfährt mehr über die Widersprüchlichkeit des Lebens und Glaubens im NS.
Das eindruckvollste Beispiel eines NS-Kirchenbaus ist die 1935 eingeweihte Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf. Hier findet sich kompakt die NS-Ideologie christlich verpackt. Unter dem Titel „Gottesdienst mit SA-Männern“ hatte am 10. Februar der Tagesspiegel ausführlich über diese Kirche berichtet und das Bild so unterschrieben: „Bergpredigt nach Naziart“. Die Kirche steht unter Denkmalschutz und ist seit 2004 wegen Baufälligkeit geschlossen. Der Ausstellung gelingt es gerade an diesem Beispiel, auf die historische Bedeutung des NS-Kirchenbaus aufmerksam zu machen. Zu sehen sind vier (von 800!) Tontafeln. Zwei zeigen den deutschen Arbeiter der „Stirn“ und den der „Faust“.
Wer soll / will diesen Bau heute nutzen? Landeskirche und Kirchengemeinde stehen hier vor einem Problem. Wie wäre es denn mit einer Dauerausstellung zum Thema in diesem Gebäude?
In der Vorhalle der Mariendorfer Kirche wird der Besucher von Reichspräsident Paul von Hindenburg auf der einen und Martin Luther auf der anderen Seite willkommen geheißen. Den Leuchter ziert ein riesiges Eisernes Kreuz samt Eichenlaub. Das Kanzelrelief zeigt einen sehr arischen Jesus bei der Bergpredigt. Er wird von einer „deutschen Familie“ eingerahmt. Daneben steht ein Soldat mit Stahlhelm und ein SA-Mann in Stiefeln. Die mächtige Orgel wurde erstmals 1935 auf einem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg gespielt. Das Kirchenschiff umspannt ein „Triumphbogen“, auf dem neben christlichen Symbolen klar die Köpfe von Soldaten mit Stahlhelmen, ein SA-Mann sowie das Symbol der NS-Volkswohlfahrt-Organisation zu sehen sind. Die Hakenkreuze wurden zwar nach dem Krieg entfernt, aber ihr Fehlen ist sichtbar.
Auch beim Bau oder Umbau anderer Kirchen griffen eifrige und gut bezahlte Künstler vor allem religiöse Motive auf, die Wehrhaftigkeit und Kampfbereitschaft zeigen. Selbst Horst Wessel ist einmal erkennbar. Das Motiv des Heiligen Georgs und sein Kampf mit dem Drachen passte gut, auch der Erzengel Michael als Schutzpatron der Deutschen und der Soldaten.
Daneben wurde die „deutsche Mutter“ gern genommen oder unverkrampft militaristisches und antisemitisches Gedankengut auf Wandgemälden verewigt. Dann wieder Martin Luther als „deutscher Führer“. Und besonders das neue Christusbild, die „arische“, heldische und Heil bringende nordische Lichtgestalt, so im uckermärkischen Strasburg, die überlebensgroße Figur eines „Auferstehenden“, ein Auftragswerk des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Bernhard Rust, als heroische Gestalt mit (so gemeinten) „arischen“ Gesichtszügen: Dieser auferstehende Jesus hebt eine Hand zum Segen – die andere zum „Deutschen Gruß“.
Die Ausstellung verdeutlicht auch die schlechte „Vergangenheitsbewältigung“, mit der Gemeinden meinten, nach dem „Zusammenbruch“ 1945 ihre „Belastungen“ in der Zeit davor einfach mal so entsorgen zu können. Hier und da hatte sich aber das Hakenkreuz bereits zu sehr ins Mauerwerk eingeritzt, so dass seine bloße Entsorgung nicht viel nützte. Verblüffend noch immer die Totentanz-Fresken in der Ingolstädter Aussegnungshalle. Hier wurde nach 1945 die Dreiergruppe von SA-, SS- und Arbeitsdienst-Mann übertüncht. Es blieb aber die Gruppe von drei Soldaten erhalten. – „Gott mit ihnen“, kann dazu nur gesagt werden.
Horst Groschopp
Die Öffnungszeiten in Berlin sind Montag bis Mittwoch und Freitag 9 bis 18 Uhr, Donnerstag 9 bis 20 Uhr und am Wochenende sowie an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr.