"Linke Leute von rechts"

(hpd) Der Politikwissenschaftler Benedikt Sepp legt mit "Linke Leute von rechts? Die nationalrevolutionäre Bewegung in der Bundesrepublik" eine erste wissenschaftliche Monographie zum Thema vor. Mit seinem hohen Informationsgehalt schließt die Studie eine Lücke in der Forschung, ist aber insgesamt sehr beschreibend ohne nähere Fragestellung gehalten.

 

"Von den Linken lernen. Respektlose Gedanken eines jungen Nationalisten" lautete der Titel eines Artikels, der 1969 in dem rechtsextremistischen Strategie- und Theorieorgan "Nation Europa" erschien. Der Autor Gert Waldmann plädierte dort für eine Übernahme von ideologischen, organisatorischen und strategischen Besonderheiten der politischen Linken der damaligen Zeit. Er setzte dieses Plädoyer später selbst politisch um, gehörte Waldmann doch zu einer Anfang der 1970er Jahre aktiven nationalrevolutionären Intellektuellengruppe. Seinerzeit fand sie phasenweise in der Publizistik eine gewisse Aufmerksamkeit, heute gilt sie weitgehend als vergessen. Auch mangelt es an Darstellungen und Einschätzungen zu dieser Strömung aus wissenschaftlicher Sicht. Als Studie mit einem solchen Anspruch versteht sich die Arbeit "Linke Leute von rechts? Die nationalrevolutionäre Bewegung in der Bundesrepublik", die der Politikwissenschaftler Benedikt Sepp auf Basis der Auswertung vieler Primärquellen aus jener Zeit vorlegte.

Er schreibt über die gemeinten Strömungen: "Von der zeitgenössischen Linken übernahm man eine Vielzahl von … Anregungen, mit denen die eigene Position modernisiert wurde. Die Revolution, den Sozialismus, die Ablehnung des Establishments und der bürgerlichen Werte, die Kritik an Konsum- und Massengesellschaft und die Betonung der Rolle von Intellekt, Theorie und Ideologie als Basis politischer Bewegungen" (S. 8f.). Gleichwohl könne man nicht von einer Aufhebung der Grenzen und Unterschiede von "links" und "rechts" sprechen. Die genaue Betrachtung zeige vielmehr, dass man die Ideologie zwar mit einigen Schwierigkeiten, aber dennoch eindeutig der Seite zuordnen könne, die als rechts gelte. Ziel seiner Studie sei es denn auch zu klären, ob und inwieweit ein alternatives Verständnis von "links" und "rechts" bei der Beschreibung der nationalrevolutionären Bewegung fruchtbar sei. Indessen sollte aus der Sicht von Sepp auch der Habitus und nicht nur die Ideologie in eine einschlägige Betrachtung im vergleichenden Sinne integriert werden.

Zunächst beschreibt der Autor die Organisationsgeschichte der nationalrevolutionären Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland, die zwischen den Jahren 1964 und 1980 von einer Fülle von Basisgruppen mit Gemeinsamkeiten und Konflikten geprägt sei. Dem folgend geht es ausführlicher um die politische Theorie der Nationalrevolutionäre, bezogen auf das biologisches Menschenbild und den "progressiven Nationalismus" ebenso wie auf den internationalen "Befreiungsnationalismus" und den neuen "Ethnopluralismus". Die Selbstverortungen der Nationalrevolutionäre etwa hinsichtlich der Abgrenzungen nach "links" und "rechts" oder der Rezeption von Vordenkern wie Ernst Niekisch stehen danach im Zentrum des Interesses. Und schließlich konzentriert sich Sepp auf den “"inken" Habitus der Nationalrevolutionäre, hält er doch die Übernahme von "linken" Diskursmustern und Einstellungen nicht nur für einen formalen Ausdruck. Eine solche Auffassung nehme die Intensionen und das Selbstverständnis der Nationalrevolutionäre nicht ernst.

Letztendlich handelt es sich bei Sepps Arbeit um die erste wissenschaftliche Monographie zum Thema. Andere Darstellungen von Günter Bartsch und Karl-Heinz Pröhuber stammten von Autoren, die erhebliche ideologischen Nähen zu ihrem Untersuchungsobjekt aufwiesen. Sepp hat breit Primärquellen aufgearbeitet und die einschlägigen Publikationsorgane jener Jahre ausgewertet. Damit schließt er eine Lücke in der bisherigen Forschung und darin ist auch der Wert seines Werkes zu sehen. Indessen fällt bei aller Anerkennung in diesem Bereich eine doch allzu stark beschreibende Herangehensweise auf. Eine wirklich entwickelte Fragestellung weist die Studie nicht auf. Einige Andeutungen in diesem Sinne, etwa zu einem "alternativen Verständnis von 'links' und 'rechts'" (S. 11), werden zwar gemacht, aber letztendlich nicht umgesetzt. Methodisch interessant ist demgegenüber die "Habitus"-Perspektive. Indessen musste der scheinbare linke Habitus, was Sepps Studie auch deutlich macht, nicht der tatsächlichen rechten Orientierung widersprechen.

 

Armin Pfahl-Traughber

 

Benedikt Sepp, Linke Leute von rechts? Die nationalrevolutionäre Bewegung in der Bundesrepublik, Marburg 2014 (Tectum-Velag), 127 S., 24,95 Euro