STUTTGART. Am gestrigen Totensonntag, 23. 11, veranstalteten Die Humanisten Württemberg eine eindrücklich gestaltete musikalische Feierstunde. Im Mittelpunkt stand das Gedenken an die 62 in diesem Jahr verstorbenen Mitglieder des Verbandes, deren Namen auch verlesen wurden.
Diesem Anlass angemessen war die Auswahl der Lieder, die von der Berliner Sopranistin Juliane Jachmann-Mohsine sowie dem ebenfalls in Berlin wohnhaften Pianist Matthias Laudel mit Bravour vor den zahlreich erschienenen Besuchern im Humanistischen Zentrum Stuttgart vorgetragen wurden: Es erklangen u. a. von Franz Schubert „Am Grabe Anselmos“ und „Der Tod und das Mädchen“, von Johannes Brahms „In Stiller Nacht“ und „Der Tod, das ist die kühle Nacht“, von Gabriel Fauré „Au cimetière“ und „Les Berceaux“ sowie von Hugo Wolf „Anakreons Grab“ und „Denk es, o Seele“.
In seiner Gedenkrede, sprach der Geschäftsführer der Württemberger Humanisten, Andreas Henschel, seinen Zuhörern Mut zu, sich über Vorbereitungen für individuelle Trauerfeiern und Begräbnisse, rechtzeitig zu informieren. Dabei sollte der jeweils letzte Wunsch mit den Angehörigen besprochen bzw. dieser schriftlich fixiert sein. Er verwies ebenfalls auf die Schwierigkeiten, die wohl jeder damit habe, „dem unwiderruflich eigenen Tod ins Gesicht zu blicken. So haben wir heutzutage mehr und mehr damit begonnen den Tod wegzuräumen, ihm so wenig wie möglich in die Augen zu schauen und den letzten Weg der jeweils anderen, die wir selbst nie sein wollen, mit immer weniger Sorgfalt vorzubereiten und zu begleiten. Und so scheint unser ganzes Leben heute eine nahezu bedingungslose Hoffnung auf die eigene Unsterblichkeit zu sein“. Doch gerade „die weltlichen Dinge rund ums Sterben“ rechtzeitig festzulegen bzw. mit den Angehörigen die eigenen diesbezüglichen Wünsche und Vorstellungen noch zu Lebzeiten zu besprechen, sei nicht nur Ausdruck von Mündigkeit und Reife, sondern erleichtere es dann auch den Hinterbliebenen gerade in den schmerzlichsten Momenten des Abschieds die unwiderruflichen Entscheidungen richtig, also dem Verstorbenen sowie den Familien und Freunden gemäß, zu treffen. Vor seinen Zuhörern warb Andreas Henschel zudem darum, sich auch von dem völlig unnötigen hohen Termindruck freizumachen, vor den sich viele Angehörige im Todesfall bei der Organisation des Begräbnisses bzw. der Trauerfeier gestellt sehen. „Die anscheinend schicksalhafte Hektik im Umgang mit den Toten“ aber sei es gerade, die „die Zeit zwischen Tod und Beerdigung für alle Beteiligten heute zu einem schwierigen Prozess mache“. Schuld an dieser Misere seien auch die Bestatter, die einerseits aus geschäftlichem Interesse und andererseits, weil sie selbst zu stark gesellschaftlichen und religiösen Konventionen verbunden seien, in ihrer Pflicht als Dienstleister gegenüber den Angehörigen nur allzu häufig versagten. „Denn was oder wer hindere denn heute noch daran eine „Trauerfeier erst ein oder zwei Wochen, im Falle von Urnentrauerfeiern und Begräbnissen sogar erst einen oder auch mehrere Monate später auszurichten? Dann bleibe genügend Zeit, um herauszufinden, was gewünscht wird, um Entscheidungen zu treffen, die man hinterher nicht bereut. Um in diesem Sinne die Angehörigen zu beraten, wären allerdings Bestatter gefragt, die mit Menschen umgehen können, nicht nur mit Toten“.
Und als ein gutes Beispiel wie man es auch machen könne, zitierte Andreas Henschel zum Schluss aus der letztwilligen Verfügung von Karl (Kari) Dällenbach, Coiffeurmeister und Stadtoriginal in Bern, kremiert am 12. August 1931:
„Alle, die mich auf dem letzten Gang begleiten, sollen nur während der Predigt und der Versenkung der Urne besinnlich sein. Danach ist Gemütlichkeit und Humor an der Reihe. Ich habe bei Frau Jenni in der Grünegg ein Säli reserviert und im vor aus ein Zvieri mit Hamme und natürlich einem rechten Tropfen Roten bezahlt. Da denkt alle an mich zurück, indem ihr bei Frohsinn und Geselligkeit meine Geschichten auffrischt. Zum Abschluss des Mahls, das wünsche ich mir ausdrücklich, singt für mich noch einmal ‚Wie die Blümlein draußen zittern’. Ich werde mein liebstes Lied hören“.
Quelle: Kurt Marti, Leichenreden, Sammlung Luchterhand, November 1976, 10. Auflage, April 1986, S. 10