Die lange Nacht des „Menschenrechts-Films"

BERLIN. (hpd) Aus Anlass des 60. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurden die Siegerfilme des Deutschen Menschenrechts-Filmpreises 2008 erstmals auch in Berlin präsentiert. Hpd-Redakteur Carsten Frerk hat sich die Eröffnung und den Hauptbeitrag angesehen. Er kam ins Grübeln.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte und die Deutsche UNESCO-Kommission hatten am Dienstagabend zu einer "Langen Nacht des Menschenrechts-Films" in das Haus der Kulturen der Welt, die frühere Kongresshalle im Tiergarten, eingeladen. Der Deutsche Menschenrechts-Filmpreis will das Bewusstsein für Menschenrechte in der Öffentlichkeit schärfen. Seit 1998 werden im zweijährigen Rhythmus herausragende Film- und Fernsehproduktionen ausgezeichnet, die Menschenrechtsthemen aufgreifen. Die diesjährige Preisverleihung fand bereits am 6. Dezember in Nürnberg statt. In Berlin wurden die vier Preisträgerfilme in den Kategorien Profifilm, Kurzfilm / Magazinbeitrag, Hochschulfilm und Amateurfilm gezeigt.

Mo Asumang moderierte diese, wie sie sagte: „Reise in die Welt" und warnte die Zuschauer vorsorglich: „Es wird eine Reise in die Realität, Filme, die über Intimes berichten, über Gewalt und Tod." Aber gerade diese Filme würden jedoch zeigen, dass die Menschenrechte nicht überall gelten. Nach den Angaben von amnesty international gibt es 2008 in 81 Staaten noch die Folter, in 45 Staaten sind Politische Häftlinge inhaftiert, in 24 Staaten gibt es noch die Todesstrafe und 1.252 Hinrichtungen.

Der Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Prof. Heiner Bielefeldt, betonte die Wichtigkeit, dass Menschenrechte im öffentlichen Gespräch bleiben, dass über deren Verletzungen berichtet wird, dass sie nicht im Schweigen verhüllt werden, in der „Grausamkeit der Ignoranz". Die Akte der Barbarei, gegen die sich die Erklärung der Menschenrechte vor 60 Jahren gewandt habe, sie gibt es heute noch. Doch die Möglichkeiten des Protestes haben sich seitdem verbessert. Ein kleiner Fortschrift, aber immerhin ein Fortschritt.

Dieter Offenhäuser, stellvertretender Generalsekretär der Deutschen UNESCO Kommission, betonte die häufig abstrakte Distanz zu Menschenrechtsverletzungen, zu Entwürdigungen durch Willkür und Übergriffe des Staates. DIE UNESCO sei die einzige UN-Organisation mit dem Auftrag der Verteidigung der Pressefreiheit, auch und insbesondere der Arbeitsfreiheit von Journalisten

„Im Schatten des Bösen"

Der vom Südwestfunk 2007 produzierte Film "Im Schatten des Bösen. Der Krieg gegen die Frauen im Kongo" von Susanne Babila ist ein Dokumentarfilm (59 Minuten) und behandelt das Thema Vergewaltigung als Kriegswaffe. Der Film ist Preisträger in der Kategorie „Profifilm".

Aus der Jury-Begründung: „Im Dokumentarfilm ‚Im Schatten des Bösen' von Susanne Babila berichten schwer verletzte und traumatisierte Frauen und Mädchen aus dem Kongo über grausame Vergewaltigungen. Im Nordosten des Kongo herrscht noch immer Krieg. Milizen plündern, brandschatzen, misshandeln und vergewaltigen systematisch Frauen und Kinder oft vor den Augen der Angehörigen und der Dorfgemeinschaft. Die Täter sind vor allem Hutu-Milizen, die nach dem Völkermord in Ruanda in den Kongo flohen. Sie finanzieren ihre Waffen mit der Ausbeutung von Gold und Coltan, das für die Herstellung von Laptops und Handys verwendet wird. Ihr Ziel ist, Terror zu verbreiten durch Erniedrigung, Demütigung und Zerstörung. Vergewaltigung wird dabei systematisch als Kriegswaffe eingesetzt.
Die Filmemacherin und ihr Team begleiteten über einen Zeitraum von vier Wochen einige dieser Frauen und Mädchen, die in einem Krankenhaus Zuflucht gefunden haben. Dort werden sie behandelt und psychisch betreut, bis die äußerlichen Wunden verheilt sind. Sie schildern eindringlich, welchen unvorstellbaren sexualisierten Grausamkeiten und Erniedrigungen sie ausgesetzt waren."

Die Regisseurin und Drehbuchautorin Sabine Babila verweist darauf: „Das Schicksal der Menschen ist in den Medien kaum präsent". Das ist ihr ein Anliegen, davon will sie, wie sie auf dem Podium sagt, „Zeugnis ablegen", sie ist von dieser Aufgabe „beseelt", über diese „Hölle" zu berichten. Die Frauen ständen im Mittelpunkt und kämen zu Wort.

Doch warum endet der Film damit, dass Ntakobajira M'Bisimwa, die junge Mutter mit zwei Kindern, die im Mittelpunkt des Films steht und deren Aufenthalt und Behandlung im Krankenhaus eines der Themen ist, und nun, nach der dringendsten Behandlung, immer noch krank, wieder in ihr Dorf zurücktransportiert wird. Dorthin, wo sie - was der Film ausdrücklich berichtet - als Vergewaltigungsopfer geächtet ist und als Ausgestoßene leben wird.

„Ich habe genug davon!"

Der Film setzt auf Mitleid - Frauen weinen während der Vorführung im Publikum -, und wohl die meisten Zuschauer werden sich fragen, wie können Männer den Frauen so Grausames antun? Doch das, was der Film vorgibt, ändern zu wollen („Warum schweigt die Welt zu diesem Krieg und diesen Morden?"), aufzurütteln, versinkt in der erschütterten Hilflosigkeit des Betrachters, dem nicht einmal eine minimale Andeutung gegeben wird, was dagegen getan werden könnte.

Eine dunkelhäutige Zuschauerin wird - entgegen der Absicht, keine Publikumsfragen zuzulassen -, Rederecht gegeben. Sie ist erregt und fragt: „Was bewirken solche Filme, wo ständig den Frauen zwischen die Beine geschaut wird? Es gibt genug davon, ich habe genug davon!" Die Regisseurin winkt ab.

Sabine Babila ist kein „Neuling". 2004 erhält sie den Niedersächsischen FrauenMedienPreis für einen Film über türkische Zwangsheiraten, ihr Bericht "Brücken ins Nichts - Entwicklungshilfe Tschad" erscheint im Juli 2005 in "zeitzeichen - Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft".

Insgesamt 17 Organisationen verleihen den Menschrechtsfilmpreis gemeinsam. Unter der Federführung der Evangelische Medienzentrale Bayern und in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk, sind es amnesty international, die Deutsche UNESCO-Kommission, das Deutsche Institut für Menschenrechte, das Deutsche Jugendherbergswerk, die Journalistenakademie, das Jugendzentrum für kulturelle und politische Bildung der Stadt Nürnberg, die Katholische Medienzentralen in Bayern, die Landesmediendienste Bayern e.V., das Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg, missio Aachen, Mission Eine Welt, Missionszentrale der Franziskaner, Nationaler Geistiger Rat der baha´i in Deutschland, Nürnberger Menschenrechtszentrum und Pro Asyl. Zu den weiteren Unterstützern zählen unter anderen das Menschenrechtsreferat im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, die Missionsprokur der Jesuiten und die Rosa Luxemburg-Stiftung.

Eine bemerkenswerte Anzahl christlicher Organisationen und was in diesem Zusammenhang besonders auffällt, auch vier christlicher Missionswerke.

Religion, Mission und Menschenrechte?

Und, beschreibt die offizielle Nennung von religiösen Organisationen tatsächlich alle? Der Eindruck ist zumindest nicht eindeutig.

Anlässlich des aktuell ausgeschriebenen Fotowettbewerbs „Zoom human rights" des Instituts für Menschenrechte (in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Jugendherbergswerk) gibt der Direktor des Instituts. Prof. Heiner Bielefeldt auf die Frage: „Haben Sie das Gefühl, dass Jugendliche sich mit dem Thema Menschenrechte ausreichend befassen? Reicht das, was man in der Schule lernt, oder muss hier nachgebessert werden?", die Antwort: „Die meisten hören in der Schule auch mal von Menschenrechten - vielleicht im Geschichts- oder Religionsunterricht." Im Religionsunterricht?

Darauf persönlich direkt angesprochen, ob er denn meine, dass im Religionsunterricht über Menschenrechte gesprochen werde, ist er zuerst überrascht und fragte dann zurück: „Habe ich das tatsächlich gesagt?"

Auch darauf angesprochen, warum es eine offensichtliche christlich-religiöse Emotionalisierung im Film gäbe, weisen sowohl der Direktor des Instituts für Menschenrechte wie auch die für den Filmpreis zuständige Mitarbeiterin des Instituts jeglichen religiösen Bezug des Filmes zurück.

Tatsächlich gibt es jedoch im Film eine mehrminütige Sequenz, die explizit als christliche Andacht untertitelt ist und bei der mehrere der traumatisierten Frauen zu Worte kommen. Eine bekennt: „Da ich an unseren Herrn Jesus glaube, wird mich auch reines Wasser heilen." In einer zweiten Sequenz werden die Frauen kommentarlos im Gebet und Gesang gezeigt.

Der Film selbst und seine Einbettung werfen Fragen zur medialen Instrumentalisierung von Opfern auf, deren Beantwortung zumindest in direkten Fragen ausgewichen wird.

CF.

Fotos (C) Evelin Frerk