(hpd) Der Dortmunder Politikwissenschaftler Thomas Meyer legt mit „Was ist Demokratie? Eine diskursive Einführung" eine systematische Darstellung des Verständnisses von moderner Demokratie vor. Dem hohen Informationsgehalt und der entwickelten Problemorientierung stehen mitunter aber etwas fragmentarische Ausführungen zu einzelnen Themenkomplexen gegenüber.
„Im abgelaufenen Jahr", so jüngst „Der Spiegel", „wurde so intensiv wie nie zuvor die Frage diskutiert, ob nicht der Demokratie allmählich eine Konkurrenz erwächst. Autoritäre Staaten, wie China, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Singapur schaffen zwar Wohlstand und Sicherheit, aber nur mit Hilfe von Unterdrückung. Die Krise ist auch ein Wettkampf um Lösungskompetenzen" (Nr. 1/2009, S. 25). Angesichts einer möglichen Legitimationskrise der Demokratie bedarf es einer Rückversicherung über ihre Besonderheiten und Vorzüge. Dazu lädt das von dem Dortmunder Politikwissenschaftler Thomas Meyer vorgelegte Buch „Was ist Demokratie? Eine diskursive Einführung" ein. Es versteht sich als eine systematische Einführung in die moderne Demokratie, ihre Grundlagen, Funktionsbedingungen und Organisationsformen. Der Autor will darin die Fragen, die sich im Hinblick auf die Demokratie unter den Bedingungen der Gegenwartswelt stellen, auf dem aktuellen Stand der Forschung kritisch und problemorientiert diskutieren.
Die sieben Kapitel des Buches enthalten 31 einzelne Abschnitte: Zunächst geht es darin um die Erfahrungen und Wurzeln der Demokratie im antiken und modernen Verständnis. Dem folgend stehen die theoretischen Grundlagen wie etwa Grundrechte oder Volkssouveränität im Zentrum des Interesses. Anschließend geht Meyer auf moderne Typen wie deliberative, präsidentielle oder soziale Demokratie ein. Die Realität der modernen Demokratie bezogen auf Kultur, Wirtschaft oder Zivilgesellschaft bildet danach den Schwerpunkt. Anschließend geht es um Aspekte einer Transformation der Demokratie wie die Medien- oder Postdemokratie. Dem folgen Ausführungen zum transnationalen Verständnis von Demokratie bezogen auf Europäisierung, Globalisierung oder Regionalisierung. Und schließlich thematisiert Meyer Probleme mit der Demokratie hinsichtlich ihrer Gegner oder ihrer Paradoxien. Abschließend findet sich noch eine kurze Erörterung der Frage, ob die Demokratie eine Zivilisation auf Widerruf darstelle.
Der Autor definiert Demokratie allgemein „als die Organisation des Gemeinwesens nach dem Grundsatz der politischen Gleichheit der Bürger" (S. 11). Daher heißt es auch: „Das Maß an Gleichheit aber, das die faire Teilhabe aller an den demokratischen Entscheidungsprozessen ermöglicht und das Freiheitsversprechen für alle im persönlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben zu einer realen Erfahrung werden lässt, kann keine Demokratie preisgeben". Auch wenn Meyer die „libertäre Demokratie" (S. 100) noch für eine Demokratie hält, liegt seine Sympathie unverkennbar bei der „sozialen Demokratie". Am Beginn des 21. Jahrhunderts, so heißt es gegen Ende, könnten zwei Aspekte der Selbstgefährdung der Demokratie ausgemacht werden: das „Versäumnis, die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Leistungen zu garantieren, die allen ... die volle Erfüllung der Bedingungen gleichwertiger Staatsbürgerschaft garantiert" und die „zunehmende Abkopplung der Entscheidungseliten von den Gesellschaften und ihren Mitwirkungsansprüchen" (S. 233).
Meyer legt auch mit diesem Buch ein überaus informatives, kenntnisreiches und problemorientiertes Werk zum Thema vor. Es eignet sich sowohl zur Einführung wie zum Nachschlagen, wofür die übersichtliche Strukturierung des Textes sinnvoll ist. Gleichwohl wirkt dieser mitunter etwas fragmentarisch, fehlen doch hier und da wichtige Gesichtspunkte. Offensichtlich ist das Buch in großer Eile erstellt worden, was sich an kleineren Fehlern und Mängeln erkennen lässt. Gleich zweimal wird etwa aus dem bedeutenden US-amerikanischen Rechtsphilosophen Ronald Dworkin ein „Dworking" (S. 45). Und dann fallen auch die Ungleichgewichte im Text auf: Während etwa die Ausführungen zur sozialen Demokratie zwölf Seiten ausmachen, findet die defekte Demokratie nur auf drei Seiten Aufmerksamkeit. Darüber hinaus hätte man sich noch Ausführungen zum Spannungsverhältnis ihrer Grundprinzipien oder zu einem Vergleich mit Diktaturen gewünscht. Gleichwohl handelt es sich um eine beachtenswerte Einführung zu einem wichtigen Thema.
Armin Pfahl-Traughber
Thomas Meyer, Was ist Demokratie? Eine diskursive Einführung, Wiesbaden 2009 (VS - Verlag der Sozialwissenschaften), 235 S., 19,90 €






