BERLIN. (HAD, HAB / hpd) Was wem Humanismus ist – das lässt sich nur im Diskurs ermitteln. Dafür stellen die Organisationen der säkularen Szene diverse Veranstaltungen bereit. Einige von ihnen haben sich etabliert.
Dazu gehören seit zehn Jahren die jährlichen Konferenzen der Politischen Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung mit der Humanistischen Akademie Deutschland und der Berliner Akademie, diesen Herbst am 14. und 15. November zum Thema „Politik der Menschenwürde und der Selbstbestimmung“.
Die diesjährige Novembertagung (siehe die drei PDF im Anhang) nimmt sich vor, das Thema Menschenwürde an zwei konkreten sozialen Gruppen zu behandeln, den Senioren und den Kindern. Eingangs fragt Prof. Dr. Frieder Otto Wolf (Philosoph, Berlin, Akademiepräsident, KORSO-Vorsitzender) was überhaupt eine Politik der Menschenwürde unter humanistischen Gesichtspunkten sein könnte. Dr. Dr. Joachim Kahl (Philosoph, Marburg) wird dann zu präzisieren versuchen, was dies für eine Ethik des Humanismus bedeutet und ob es eine spezielle und dann noch humanistische Seniorenethik gibt und worin diese bestehen könnte.
Dr. Guido Klumpp (Jurist, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, BAGSO e.V., Bonn) fragt schließlich aus praktischen und politischen Erfahrungen heraus nach den aktuellen ethischen und politischen Diskursen und wie in darin verwendeten Menschenbildern Alte gesehen werden. Wer ist überhaupt alt, wenn sogar noch die Rolling Stones als „Junge“ gelten und die Leistungsgesellschaft alle zwingt, irgendwie jung zu sein, bis Mann oder Frau dann daraus ausscheiden und plötzlich alt sind. Ist erst richtig alt, wer vor dem Tod steht?
Es scheint, als bildet sich kulturhistorisch ein neuer Lebensabschnitt heraus. Nach dem mehr oder minder flotten Seniorendasein folgt eine längere oder kürzere Phase des Sterbens. Dieses Ende sollte aus humanistischer Sicht möglichst leidfrei sein. Was das bedeutet und ob dies auch eine im modernen Humanismus bereit zu stellende Spiritualität einschließt, darauf geht Dipl.-Psych. Gita Neumann (Psychologin, Berlin) ein, die auch ihre Erfahrungen als HVD-Sterbebegleiterin reflektieren wird: Ist Leidfreiheit und Selbstbestimmung am Lebensende ein Ideal, ein Irrweg oder eine Illusion?
Im Anschluss daran wird es darum gehen, wie besonders säkulare Verbände nach dem Erfolg der Patientenverfügungsbewegung nun ihre Konzeptionen einer „Autonomie am Lebensende“ sehen, was sie neu fordern und was Sorgfaltspflicht und Verantwortung bedeuten.
Am Tag darauf sind Menschenwürde und Kinderrechte das Thema. Kann überhaupt von kindlicher Selbstbestimmung geredet werden und was bedeuten hier Kinderrechte? Das Thema wird von drei Seiten angegangen. Nach einer Betrachtung der Geschichte und aktueller Fragen der Kinderrechte von Prof. Dr. Thomas Mohrs (Philosoph, Brunnenthal und Passau, Leiter des Instituts für Humanistische Lebenskunde in Bayern) wird Dr. Thomas Swiderek (Erziehungswissenschaftler, Wuppertal) über Partizipation als angestrebtes Ziel von Kinderpolitik sprechen, worauf Dr. Eva Ellerkmann (Fachberaterin in Berlin) darüber reflektiert, wie Kinderrechte im Lebenskundeunterricht des HVD an Berliner Grundschulen behandelt werden.
Auch wenn es vielleicht oberflächlich so scheinen mag, hier gehe es vorrangig um viel Theorie. Ein tieferes Nachdenken der Thematik wird ergeben, dass Humanismus immer mit konkreten Menschen und mit konkreter Politik zu tun hat. Und wer sich sogar vornimmt, die Konfessionsfreien unter ihnen oder Eltern zu organisieren, wird gut daran tun, sich dem Humanistischen im Tun und Denken dieser Menschen zu nähern.
Die Bundesakademie des HVD lädt zudem in diesem Herbst zu einer „Rechtspolitischen wissenschaftlichen Konferenz“ zum Thema „Konfessionsfreie und deutsches Verfassungsrecht – 90 Jahre Weimarer Reichsverfassung“ ein und die Humanistische Akademie Berlin am 7. November zu einem Kolloquium „Zur Förderung von Wertebildungsprozessen in Humanistischen Kindertagesstätten“. Da der HVD bundesweit über dreißig Einrichtungen dieser Art verfügt und auch Kindergärten und Krippen anderer Anbieter sich durchaus humanistisch sehen, ist eine öffentliche Debatte darüber längst überfällig.
Horst Groschopp