Viel Betrieb auf den Linken Buchtagen

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EinStand / Foto: Evelin Frerk

BERLIN (hpd) Am vergangenen Wochenende fanden zum siebten Mal die Linken Buchtage statt. Im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg stellten rund 30 Verlage ihre Bücher aus; in über 30 Veranstaltungen wurde gelesen, vorgetragen und diskutiert, was die Linke aktuell bewegt.

Die Bandbreite der Themen signalisierte die Vielfältigkeit der derzeit verfolgten gesellschaftsverändernden Ansätze. Angesichts der wirtschaftlichen Zustände nahmen klassische Ökonomiekritik und die Auseinandersetzung mit der herrschenden Krise – theoretisch wie anhand konkreter Beispiele – größeren Raum ein. Dabei wurde deutlich, dass das momentan sogar in den etablierten Parteien populäre Banker-Bashing die Krise weder hinreichend erklärt noch Potential zu Veränderungen in sich birgt.

In den meisten Veranstaltungen wurden neu erschienene Bücher vor- und zur Diskussion gestellt. Zur Sprache kamen unter anderem der zunehmende Einsatz von Überwachungstechnik, Antiziganismus, die jüdischen Wurzeln des Punk oder die (post)kolonialen Ambitionen Frankreichs. Eine Form der politischen Aktion, deren Ergebnisse viele Menschen vielleicht schon gesehen haben, ohne zu wissen, was sie sahen, wurde mit dem „Botanischen Manifest“ vorgestellt. Guerilla Gardening-Aktivisten pflanzen Grünzeug, wo es nicht hingehört: Salatköpfe in öffentliche Gartenanlagen, Cannabis in städtische Blumentöpfe, Dornbüsche auf Golfplätze.

Praxis und Debatten

Neben solchen Einblicken in die revolutionäre Praxis gab es auch zahlreiche Debatten auf akademischem Niveau. Manchmal war dabei überraschend, in welche ideengeschichtliche Tradition sich die Referenten stellten. In der Podiumsdiskussion über „Queerness und die Linke“ wurde der Neukantianismus angerufen; und Suitbert Cechura landete im Zuge seiner Kritik der Kognitiven Hirnforschung unter Verzicht auf Empirie ebenfalls bei idealistischen Positionen.

BeispielbildBüchertisch / Foto: Evelin Frerk

Eine der spannendsten Diskussionen, die es je auf den Linken Buchtagen gegeben hat, fand über den „Stoff aus dem Konflikte sind“, nämlich das Kopftuch, statt. Hier prallten die Auffassungen unvermittelt und teilweise sehr emotional aufeinander. Müssen feministische Positionen grundsätzlich religionskritisch sein? Ist das Kopftuch immer eine Ausdruck von Unterdrückung? Wie sind Feministinnen mit Kopftuch einzuschätzen? Ist die Kritik der Westens an der Unterdrückung der Frau in islamischen Gesellschaften glaubwürdig? Gibt es „Islamophobie“? Die Antworten auf diese Fragen vielen sehr kontrovers aus und das war auch gut so, denn dadurch wurden die unterschiedlichen Standpunkte klar herausgearbeitet.

Die Kunstinstallation kam auch dieses Jahr wieder von Peter Schmidt. „Die große Maschine“ zeigt eine Produktionshalle mit einer Montagestraße für Autos en miniature. Das Fließband dreht sich im Kreis, die Produktion erscheint als sinnlose Vorstufe des Abwrackens, dem wieder unmittelbar die Montage folgt. Arbeiter sind in der Halle nicht mehr zu sehen, nur ein paar Beobachter. Lediglich im Keller der vollautomatisierten Hightech-Fabrik hantieren noch ein paar Menschen in grauen Monturen, deren Arbeit sich für die „Zirkulationssphäre“ noch zu rechnen scheint.

Vor allem am Samstag konnten die Linken Buchtage deutlich mehr Besucher verzeichnen als in den letzten Jahren. So war die Organisationsgruppe auch zufrieden: Die Veranstaltungen waren fast alle sehr gut besucht und bei allen Kontroversen stand die sachliche Auseinandersetzung im Vordergrund. Die Linken Buchtage sind zu einer wichtigen Diskussionsplattform der Linken geworden; innerhalb von zweieinhalb Tagen gelingt es, eine Vielzahl von Themen zu präsentieren und Leute aus den verschiedensten Richtungen dazu zu bewegen, einander wenigstens für 45 Minuten zuzuhören.

Gunnar Schedel