Ein Gespräch mit Max Kruse

So religionsfrei wie Ihre Kindheit und Jugend und ihr Leben verlaufen ist und so religionsfreundlich bzw. tolerant Sie anders denkenden Menschen gegenüber sind, wann kommt die religionskritische Seite in den Alltag des Künstlers und Schriftstellers Max Kruse hinein? Es scheint so, als hätten Sie dieses Thema erst in Ihrem reiferen Leben bearbeitet. Gibt es dafür einen Grund bzw. Anlass oder ist die Annahme einfach falsch?

In der Jugend – also während der Nazizeit – wollte ich mich nicht explizit gegen die Kirche stellen, dazu gab es ja auch wenig Grund. Ich schrieb zwar 1945 eine Komödie, deren Dialoge teilweise bereits recht antikirchlich waren, aber das hatte weiter keine Folgen. In meinen ersten Nachkriegjahren in Niedersachsen, spielte die Religion im öffentlichen Leben keine Rolle. Das änderte sich erst nach meiner Übersiedlung nach Bayern, Anfang 1949. Nun begann ich religiöse Intoleranz zu erleben, auch wenn sie mich nicht persönlich betraf. Damals bestimmte Kultusminister Alois Hundhammer die bayerische Szene, dieser fundmentalistische Katholik erregte nicht nur meinen Zorn. Ich erinnere mich z.B. noch an sein Verbot der Aufführung von Werner Egks Ballett „Abraxas“ wegen „Unzüchtigkeit“ in den Münchner Kammerspielen.

In der Folge trat ich aus der Kirche aus. Wie ich dazu kam, später auch noch ein Buch zu schreiben, erklärte ich in dessen Nachwort („Antworten aus der Zukunft): „...zöge jetzt nicht recht unerwartet eine gewaltige Gefahr herauf. Das griffige Stichwort dafür lautet: „Kampf der Kulturen“. Es ist jedoch eher ein Gegeneinander der Religionen. Und wir, die aufgeklärten europäischen Menschen, sind in Gefahr, nach jahrhundertelangen intellektuellen Auseinanderssetzungen die so mühsam wie blutig errungenen Freiheiten wieder zu verlieren. Fundamentalismus und Intoleranz, durch die Aufklärung zurückgedrängt, gewinnen wieder Boden. Die Aufklärung, der wir all unsere Freiheiten verdanken - die Freiheit der Forschung, die Freiheit des Denkens, und sogar die Freiheit, zu glauben, was wir glauben wollen -, ist in Gefahr. Dabei kommt der religiöse Fanatismus, noch überraschender, nicht nur aus dem Orient, sondern – kaum weniger intolerant - auch aus den USA. Gerade auch dieser ist deshalb so gefährlich, weil er im Kostüm eines aufgeklärten Christentums agiert, die vertrauten Verse spricht – und sich damit tarnt.“

Was würden Sie einem Kind sagen, wenn es Sie fragt: Gibt es einen Gott?

Wenn ein kleines Kind vom Elternhaus her gläubig ist, lasse ich ihm sein Urvertrauen. Kindern, die bereits selber denken, würde ich erklären, warum ich nicht an einen persönlichen Gott glaube. Ulkigerweise ist mir die Frage soweit ich mich erinnere, noch nie explizit gestellt worden.

Und wie sieht es mit den Weihnachtsmann und dem Osterhasen aus?

Ach, das ist gar kein Thema. Ich kenne einfach keine Kinder, die das noch ernst nähmen.

An vielen Orten dieser Welt haben Sie schon gelebt. Was führte Sie in das Voralpenland? Gab es auch Zeiten, in denen Sie städtisches Leben bevorzugt haben oder schlicht dort arbeiten mussten?

Ich habe durchaus gern in Städten gelebt und gearbeitet, jeweils länger in Berlin und in München, aber – wohl weil ich in einer Kleinstadt aufgewachsen bin, zog es mich dann doch aufs Land, wenn auch immer in die Nähe größerer Städte.