Reise in den Evangelikalen Märchenwald

 „Wie zähmt man den Menschen?“

„Das ist ja schon ein Frontalangriff – wie reagiert man jetzt auf sowas?“ beginnt Hempelmann den zweiten Teil des Interviews. Und wie so viele vor ihm versucht er die Flucht nach vorne: Konsens, Gemeinsamkeiten formulieren. Wir erinnern uns an die Buskampagne: „Aber Herr Frerk, wir haben doch so viele Gemeinsamkeiten“ ließ der Sprecher der „Gott-kennen“-Tour verlauten… Heute kann Frerk darüber lachen. Welche Gemeinsamkeiten also?

Erstens so Hempelmann, sei auch er dem kritischen Rationalismus verpflichtet. „Das wird Sie vielleicht wundern“. Ja, in der Tat, das wundert mich. Zweitens: „die Einsicht in die Notwendigkeit von Religionskritik“. Aha. Und drittens? „Der interessant gemeinsame Kampf gegen einen postmodernen Wahrheitspluralismus und gegen einen prämodernen Fundamentalismus.“ Ich lehne mich zurück und versuche zu verstehen. Die Evangelische Allianz kämpft also gegen Fundamentalismus? Ich scheitere.

„Ich kann nur an einen Gott glauben, der sich gegenüber meinen intellektuellen Fragen bewährt. Und das hat er. Zumindest mehr als die atheistischen und agnostischen Alternativen“ vertieft er die erste Gemeinsamkeit. Die Kritik der Giordano Bruno Stiftung geht laut Hempelmann allerdings noch nicht tief genug. „Wie zähmt man diesen Menschen, damit er nicht noch mehr Unheil anrichtet in seinem Willen zur Macht?“ sollte demnach die Leitfrage der Religionskritik sein. Etwas nur deshalb für wahr zu halten, weil es eine Autorität sagt, hat für Hempelmann nichts mit christlichem Glauben zu tun, daher der gemeinsame Kampf gegen Fundamentalismus.

„Woher weiß aber die naturalistische Position, dass es nur eine Wahrheit gibt?“ fragt er kritisch zurück und schneidet sich damit argumentativ ins eigene Fleisch. Die meisten Fragen allerdings habe er an den Naturalismus, der versuche Wissenschaft und Weltanschauung miteinander zu verbinden, nicht als Christ, sondern als Wissenschaftstheoretiker. Die Aussage „In einem an sich sinnleeren Universum genießt der Mensch das Privileg, den Sinn des Lebens aus dem Leben selbst zu schöpfen“ ergibt sich für ihn nicht aus der wissenschaftlichen Forschung, denn „Wissenschaft kann als solche keine metaphysischen Aussagen machen.“ Hier sieht Hempelmann den zentralen philosophischen Bruch.

Einen letzten Teil seines geplanten Referats formuliert er wie folgt: „Die GBS provoziert uns in heilsamer Weise, selber zu formulieren wofür wir stehen als Christen und wir sind gefordert zu sagen, warum wir den christlichen Glauben für wahr halten.“ Und da ist es soweit: Das Für-wahr-halten. Nun begibt sich Hempelmann in genau die Sphäre, in der es gefährlich wird, „weil es der Aufklärung entgegensteht“. Christlicher Glaube wird von ihm nicht als Glaube, sondern – selbstverständlich – als Realität betrachtet. Wir schließen diesen Teil des Gesprächs ab und gehen zu Fragen über, die ich über die Ziele der GBS hinaus habe.