9. November 1989 – das letzte Ende des Krieges

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Foto/Montage (c) Thomas Häntsch

BERLIN. (hpd) Kurz vor sieben Uhr am Abend des 9. November 1989 beantwortete Günter Schabowski die Frage eines italienischen Journalisten mit der Auskunft, dass private Reisen in das nichtsozialistische Ausland ab sofort und ohne besondere Voraussetzungen für alle DDR – Bürger möglich sind.

Anmerkungen von Thomas Häntsch

Dass dies eine Fehlinterpretation der Beschlüsse des gerade neu aufgestellten Politbüros war, ahnte niemand und interessierte an diesem Abend auch kaum einen Menschen. Führende Agenturen meldeten sofort nach der spektakulären Pressekonferenz, dass die DDR ihre Grenzen zum Westen geöffnet habe. Wenig später ging diese Neuigkeit über sämtliche Nachrichtensender und löste dadurch den Sturm auf die Schlagbäume der Grenzbefestigungen in der gesamten DDR aus.

Die Mauer oder der Antifaschistisch Demokratische Schutzwall, wie der Betonwall im offiziellen Sprachgebrauch der DDR genannt wurde, begann zu fallen. Mit diesem Bauwerk fiel in kürzester Zeit auch die gesamte innerdeutsche Grenze, die eine Länge von ca. 1.400 km hatte.

Heute, im November 2009, zwanzig Jahre nach diesen (Welt)bewegenden Tagen, wird man im wiedervereinten Deutschland viele Gedenk- und Jubelfeiern erleben können.

Freilich wird nicht jeder der „vereinten Bundesbürger“ angesichts seiner persönlichen Umstände in Enthusiasmus verfallen, denn die Gestaltung der Einheit hat für viele gravierende Einschnitte gebracht, welche die Freude über die Zusammengehörigkeit deutlich dämpfen. Nach wie vor übertrifft jedoch sehr häufig das Wehgeschrei über die Lasten der Einheit die eigentlichen Tatsachen. Der Osten jammert über die verloren gegangenen Industrien und das vermeintlich soziale Ruhekissen aus DDR-Zeiten, der Westen wehklagt über die Gelder, die in den Osten flossen - inklusive des Solidaritätszuschlags, den jeder ganz automatisch von seinem Einkommen abgeben muss. Die Phrasendrescherei vom arroganten Wessi und dem faulen Ossi hält sich, allen Grundwahrheiten trotzend, immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung. Im Osten und Westen kann man Stimmen hören, die da behaupten: „Als die Mauer stand, war alles besser.“

Bei all dem Lamentieren vergisst man einen Fakt, der bei der Beurteilung der heutigen Situation nicht außer Acht gelassen werden sollte und der, wenn er ins Bewusstsein gebracht wird, vielleicht bei manchem einen Wechsel vom Ost-West-Schubladen-Denken hin zu einem neuen Verstehen bewirken kann.

Die heutige gesamtdeutsche Generation macht doch im Grunde genommen nichts anderes, als für die Folgen des Handelns unserer gesamtdeutschen Vorfahren zu bezahlen. Das entscheidende Datum dafür ist der 30. Januar 1933! An jenem Tag wurde auf sehr fragwürdige Art Adolf Hitler zum Reichskanzler gewählt. Hierbei ist ebenfalls, die beim Fall der Mauer als herausragend bezeichnete Rolle der Christen zu nennen. Denn die katholische Zentrumspartei stimmte genauso für Hitler wie die Liberalen. Angehörige der Linken, gegenwärtig in Deutschland immer noch als nicht demokratiefähig verschrien, saßen damals bereits in den Folterkellern der Nazis. Die SPD unternahm einige parlamentarische Schritte gegen das Hitlerregime, blieb jedoch damit erfolglos. Schon damals war die Partei durch interne Flügelkämpfe geschwächt. Am Ende waren alle Parteien von der politischen Bühne verbannt.

Diese Wochen und Monate des Jahres 1933 waren entscheidend, dass Hitler mit brutaler Führung seine Macht festigen und seine wahnsinnigen Pläne vorbereiten konnte.

Auch wenn es den Anschein hat, diese Fakten seien zu weit hergeholt, als dass sie mit dem Fall der Mauer und deren Konsequenzen im Zusammenhang stehen könnten – sie sind doch ursächlich für die Tage im November 1989. Wer sich eingehender mit den Abläufen in jener Zeit beschäftigt, wird noch sehr viel mehr Beweise dafür finden.

Der Wahnsinn des Adolf Hitler, der so „ganz nebenbei“ katholischen Glaubens war und bis heute nicht posthum exkommuniziert wurde, endete im Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation nach einem Krieg, der seines gleichen sucht – ihn aber hoffentlich niemals findet.

Als Ergebnis dieses Krieges wurde Deutschland und ein Teil Europas unter den Siegermächten des 2. Weltkrieges neu aufgeteilt. Besiegelt wurden diese Ansprüche auf der so genannten Potsdamer Konferenz im Sommer 1945. Die deutsche Teilung, das Auseinanderdriften Deutschlands in zwei völlig unterschiedliche Machtgebiete und der Beginn des Kalten Krieges nahmen von da an den geschichtlichen Lauf. Und! Weder die Deutschen im Osten, der späteren Deutschen Demokratischen Republik,  noch das Volk im Westen, das sich in der Bundesrepublik Deutschland wieder fand, konnte daran etwas ändern.

Die großen Blöcke, die in der Nachkriegszeit Europa beherrschten, führten bis zum Ende der 80ger Jahre einen erbitterten Krieg, der zwar weitgehend ohne Waffen, dafür mit den Mitteln des Embargos, der Spionage und der Hetze geführt wurde. Die Abschottung des wirtschaftlich schwächeren Ostens führte am 13. August 1961 zur Errichtung der Mauer in Berlin und in der Folgezeit zum Ausbau des so genannten Eisernen Vorhangs.

Dieser kurze Ausflug in die jüngere Geschichte soll ausreichend sein, um darzulegen, warum es unsere Aufgabe ist, den Ausbau der Einheit Deutschlands und ihre Vollendung voran zu treiben. Die Rückschau soll auch deutlich machen, dass es für kaum einen Deutschen so unerträglich ist, dass er vor lauter Jammer das Handeln vergessen muss.

Wir, die Bürger des Bundesrepublik Deutschland, die wir heute in wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, kultureller oder in irgendeiner anderen Weise am Aufbau des Landes beteiligt sind, beseitigen eine letzte Wunde des Krieges, dessen Ausbruch keiner von uns persönlich zu verantworten hat.

Ganz gleich, wo jeder von uns bis 1989 gelebt hat, es steht aus historischer Sicht keinem zu, den anderen für die heutige Lage zu verurteilen. Es gibt nur die eine kollektive Geschichte und eine gemeinsame Aufgabe und die lautet, die Einigung Schritt für Schritt auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens zu ereichen. Dabei sollte jedem klar sein, dass die Einheit des Landes niemals ein „Einheitsbrei“ sein wird. Es gab und wird Unterschiede geben in einem Land in dem ca. 80 Mio. Einwohner auf einer Fläche von fast 360.000 km2 leben.

Wem das Ganze immer noch als schier unerträgliche Last erscheint, dem sei verdeutlicht, dass wir unsere Aufgaben in einem friedlichen Umfeld erledigen können. Wir müssen keine Angst haben, nach Kriegsnächten vor den Trümmern unserer Häuser zu stehen und das gesamte Hab und Gut zu verlieren. Das allein – dieser Frieden – ist ein Stück Wohlstand, den zu genießen jeder in der Lage ist.