Abschied von der Willensfreiheit?

 

Gibt es Zombies?

Vielleicht waren die oben genannten Studien ja nur Ausnahmefälle? Vielleicht verstehen Wissenschaftler normalerweise schon, was die libertarische Willensfreiheit ist und erforschen sie korrekt? Nun, leider nicht. Vielmehr ist in mehreren empirischen Bereichen ein mangelndes Verständnis für das Thema "Willensfreiheit" zu verzeichnen, so auch in der sozialen Psychologie. In dem Artikel Free Will in Social Psychology definiert der Psychologe Roy Baumeister die Willensfreiheit wie folgt:

 

"In diesem Kontext ist der freie Wille höchstwahrscheinlich eine Menge von inneren Fähigkeiten zur Kontrolle von Handlung. Es ist die innere Einrichtung, die Entscheidungen trifft. Freiheit bedeutet die Fähigkeit, diversen bestimmten Einflüssen zu widerstehen, wie externer Druck und starke innere Impulse."

 

Nein, das ist keineswegs der umstrittene, also der libertarische freie Wille. Das ist die Handlungsfreiheit – und die bestreitet im Grundsatz niemand. Eigentlich verwundert es nicht, dass Wissenschaftler gar nicht verstehen, was der libertarische freie Wille ist. Denn wollen zu können, was wir wollen – etwas ohne Ursache zu wollen –, das ist in den Augen eines empirischen Wissenschaftlers Magie, ein Wunder. Diese Philosophen können doch gar nicht das meinen, was sie zu meinen scheinen!

Es ist so ähnlich wie das Konzept des philosophischen Zombies, das Wissenschaftler ebensowenig verstehen. Ein philosophischer Zombie ist ein Lebewesen, das sich genauso verhält wie ein Mensch, das aber im Gegensatz zum Menschen kein Bewusstsein hat. Wissenschaftler glauben normalerweise, dass es den Philosophen dabei um so etwas wie um den Turing-Test geht, mit dem man Roboter von Menschen unterscheiden kann. Aber darum geht es ihnen gar nicht! Leider geht selbst Michael Schmidt-Salomon den Zombies in die Falle. So heißt es in seinem FAQ zu Jenseits von Gut und Böse:

 

"Nun einmal angenommen, wir besäßen tatsächlich das technische Know-how, um einen Katzen-Roboter so zu programmieren, dass wir ihn von einer echten Katze nicht mehr unterscheiden könnten. Handelte es sich bei einer solchen High-Tech-Roboter-Katze nun um ein „echtes Lebewesen“ oder bloß um eine besonders raffinierte „Simulation eines Lebewesens“? Es könnte sein (und dies ist meines Erachtens die weit wahrscheinlichere Variante!), dass für diesen Roboter trotz seiner raffinierten Reaktionen und seiner scheinbaren Intelligenz die eigene Existenz ebenso wenig Bedeutung hätte wie für einen gewöhnlichen Staubsauger oder Toaster. Er wäre eine Maschine, unfähig zum Erleben von Wohl und Wehe, obgleich wir aufgrund einer geschickten Simulation emotionaler Reaktionen das Gegenteil vermuten würden."

 

Wenn wir das Verhalten von einem Katzen-Roboter nicht von dem Verhalten einer echten Katze unterscheiden könnten, dann gäbe es keinen relevanten Unterschied zwischen einem Katzen-Roboter und einer echten Katze! Der Katzen-Roboter hätte den Katzen-Turing-Test bestanden! Der Unterschied bestünde lediglich darin, dass Philosophen wie Schmidt-Salomon versucht wären, dem Katzenroboter seine an sich wohlbegründeten Tierrechte abzusprechen, oder einem philosophischen Zombie die Menschenrechte. Und das, obwohl es sich um echte, normale Katzen und um echte, normale Menschen handelte (womöglich aus einem anderen Material gefertigt), die lediglich aufgrund einer philosophischen Verwirrung von einigen Philosophen anders behandelt würden. Es ist wirklich ein Glück, dass es noch keine Katzenroboter oder Androiden (Maschinenmenschen) gibt. Schmidt-Salomon könnte "Data" aus Star Trek: The Next Generation ohne große Bedenken in die Schrottpresse werfen, weil Data ja schließlich nicht mit dem "Naturgesetz des Lebens" ausgestattet ist.

Aber nicht alle Philosophen denken das. Daniel Dennett verrät bereits im Titel einer kritischen Arbeit zum Thema, was er davon hält: Die unfassbare Groteskheit philosophischer Zombies. Der philosophische Zombie und das damit zusammenhängende "Naturgesetz des Lebens" sind übrigens auch die Gründe, warum sich Schmidt-Salomon nicht als "Materialist" bezeichnen möchte. Schließlich muss es ja noch mehr geben, als kalte Materie und ihre Wirkungen. Warum? Keine Ahnung, muss eben einfach. Wie Daniel Dennett in einer anderen Arbeit zum Thema feststellt: "Es scheint noch immer so, als ob diese mechanistischen Theorien des Bewusstseins etwas auslassen, aber das ist natürlich eine Illusion. Sie erklären tatsächlich alles über das Bewusstsein, das eine Erklärung erfordert."