Rückschau: Epoche des Kommunismus

(hpd) Der britische Historiker David Priestland will mit seinem Buch „Weltgeschichte des Kommunismus“ eine Gesamtdarstellung zum Thema bezogen auf die Staatensysteme vorlegen. Es handelt sich um ein ausgesprochen informatives und gut geschriebenes Werk, das aber nur selten über die Ebene der Beschreibung hinauskommt.

Die Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre erfolgte „Auflösung“ vieler Staaten des „real existierenden Sozialismus“ erlaubt nach zwanzig Jahren eine bilanzierende Rückschau der Epoche des Kommunismus. Immerhin lebten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gut ein Drittel der Weltbevölkerung unter kommunistischen Regimen. Eine umfassende Betrachtung zum Thema will der in Oxford lehrende Historiker David Priestland in seinem voluminösen Werk „Weltgeschichte des Kommunismus. Von der Französischen Revolution bis heute“ vornehmen. Es konzentriert sich in den Worten des Autors „auf die Ideen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Kommunisten selbst, behandelt aber auch die Erfahrungen derjenigen, die unter ihrer Herrschaft lebten“ (S. 22). Priestland geht in dem Werk historisch-chronologisch vor und widmet sich insbesondere den Aufstiegs- und Niedergangsprozessen. Dabei hebt der Autor in diesem Entwicklungsprozess vor allem die Besonderheiten der bedeutenden Personen an der Spitze hervor.

Die zwölf Kapitel des Buches behandeln die vier Hauptphasen der „Weltgeschichte des Kommunismus“: Die Darstellung setzt bei der Französischen Revolution ein, wo für den Autor erstmals die Hauptelemente der kommunistischen Politik zutage traten. Danach geht es um die Herausbildung des Marxismus als Ideologie und dessen erste parteipolitische Protagonisten. Die zweite Phase des Kommunismus steht für Priestland ganz im Zeichen der Sowjetunion, beginnend mit der Oktoberrevolution und Lenins Politik bis zur Machtkonzentration und Repression unter der totalitären Diktatur Stalins. Die Ausweitung kommunistischer Herrschaft nicht nur in Osteuropa nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern auch in Afrika, Asien, China oder Kuba behandelt Priestland danach. Hier sei Stalins halbkoloniale Ordnung entstanden, es habe aber auch eigenständige Entwicklungsprozesse gegeben. Und schließlich widmet der Autor sich der vierten Phase, welche für den Niedergang der kommunistisch beherrschten Staatensysteme steht.

Bilanzierend bemerkt er zu den gesellschaftlichen Folgen der politischen Herrschaft in ihnen: „Der Kommunismus vermittelte eher den Eindruck eine stagnierenden Mangelwirtschaft wie in Kriegszeiten als denjenigen von pulsierender Modernität. Noch abträglicher als wie wirtschaftlich Sklerose war die Kluft zwischen kommunistischem Ideal und Realität. ... Auch durch seine eigene Gewaltgeschichte, ob nun durch das Verhalten der neuen Regime in Entwicklungsländern oder durch die Erinnerung an stalinistische und maoistische Verbrechen, wurde der Kommunismus in zunehmendem Maß diskreditiert ... Auch die alltägliche Repression verdeutlichte die Verbindung zwischen Marxismus und Unmenschlichkeit.“ Und weiter heißt es: „Mit einigen dieser Ideen, insbesondere der Ablehnung liberaler Rechte und der Vorstellung von einem künftigen vollkommenen Volkskonsens wurden totale staatliche Kontrolle und Mobilisierung gerechtfertigt, selbst wenn dies nicht den Vorstellungen von Marx und Engels entsprach“ (S. 683f.)

Bei Priestlands „Weltgeschichte des Kommunismus“ handelt es sich um ein ausgesprochen informatives und gut geschriebenes Werk. Es macht auch bereits einleitend darauf aufmerksam, dass die radikale und romantische Dimension mit der modernistischen und technokratischen Dimension des Marxismus notwendigerweise bei der gesellschaftlichen Umsetzung in Konflikt geraten musste. Gleichwohl dominieren doch kritische Aspekte im Gesamturteil über das Buch: Immer dann wenn Priestland über die durchaus gelungen Form der historischen Erzählung hinausgehen müsste, enttäuscht das doch allzu sehr der Beschreibung verpflichtete Werk. Priestland liefert schon zu Beginn keine klare Definition für das mit dem Kommunismus gemeinte Phänomen. Insofern verwundert auch der „Start“ mit den Jakobinern der Französischen Revolution, hätte man mit einem solchen Verständnis doch sogar noch viel früher ansetzen können. Leider sind die Kapitel auch nicht klarer gegliedert, um diese „Weltgeschichte des Kommunismus“ als Handbuch nutzen zu können.

Armin Pfahl-Traughber

David Priestland, Weltgeschichte des Kommunismus. Von der Französischen Revolution bis heute. Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt, München 2009 (Siedler-Verlag), 487 S., 32 Euro.