MÜNCHEN. (hpd) Vergangene Woche feierten diverse Medien den 50. Geburtstag der „Pille“. Anlass, sich an die seinerzeitige historische gesellschaftliche Situation und an ein paar Konsequenzen der Pille zu erinnern, sowie pastorale Äußerungen auf dem Ökumenischen Kirchentag in München zu betrachten.
Die so genannte „Antibabypille“ kurz „Pille“ genannt - wobei jeder weiß, um welche spezielle Pille es sich dabei handelt – ist in diesem Jahr fünfzig Jahre auf dem Pharmamarkt erhältlich. Sie hat das Verhütungsverhalten in Deutschland grundlegend beeinflusst.
In einer Studie zum Kontrazeptionsverhalten Erwachsener in der Bundesrepublik Deutschland, die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 2007 durchgeführt wurde. äußerten sich Frauen und Männer im Alter von 20 bis 44 Jahren, die in den letzten zwölf Monaten Geschlechtsverkehr hatten.
Zwei Drittel der Befragten haben die Informationen zur Empfängnisverhütung im Gespräch mit Freunden, Verwandten und Bekannten erfahren. 86 Prozent der 20 – 29jährigen wenden Methoden der Empfängnisverhütung an und für 55 Prozent aller Befragten ist die Pille die angewandte Methode, 36 Prozent verwenden Kondome. Auch in anderen Aspekten ist die Pille die am meisten angewandte Verhütungsmethode. Sie gilt als einfach und sicher.
Eine der Grundfesten der traditionellen Sexualmoral, die Furcht – speziell der Mädchen und ihrer Eltern - vor einer ungewollten Schwangerschaft, brauchte nicht mehr zu bestehen.
Das Grundprinzip der so genannten Antibabypille, dem Körper chemisch eine Schwangerschaft vorzutäuschen, damit er nicht für eine weitere Schwangerschaft bereit ist, war schon bereits 1921 von Ludwig Haberlandt formuliert worden. Aber erst der Chemiker Carl Djerassi meldete 1951 einen Abkömmling des weiblichen Geschlechtshormons Progesteron als Verhütungsmittel zum Patent an. Am 9. Mai 1960 wurde schließlich die erste Antibabypille in den USA offiziell zugelassen und am 18. August 1960 kam die erste „Pille“ auf den amerikanischen Markt, 1961 dann auch in Deutschland in die Apotheken.
„Kinder wie die Orgelpfeifen“
Ein paar persönliche Anmerkungen. Wie war es denn gewesen, in den gelobten Jahren vor der angeblichen „sexuellen Revolution“ der so genannten „68er“ – wo die zudem stattfand, das wissen wohl nur die Eingeweihten – in den „guten, alten Zeiten“?
Meine Großeltern mütterlicherseits, streng katholisch im Rheinland während der Zeit des Endes des deutschen Kaiserreichs, hatten nach dem sechsten Kind ihren freundlichen Priester voller Vertrauen gefragt, wie man denn zukünftig weitere Kinder vermeiden könne - trotz „Vollzug der ehelichen Pflichten“ - und der Seelsorger hatte ihnen die entsprechenden Daten genannt. Nach zwei weiteren Kindern wurden sie jedoch misstrauisch und bekamen unter der Hand die Information, dass der hochwürdigste Priester ihnen genau die falschen Termine genannt hatte – an den fruchtbaren Tagen hatten sie Geschlechtsverkehr, an den unfruchtbaren Tagen enthielten sie sich.
Meine Eltern hatten noch vier Kinder gezeugt, das gewünschte fünfte und sechste blieb ihnen versagt. Ich selber habe zwei Kinder. Mit anderen Worten, von den Kindern „wie die Orgelpfeifen“ bei den Großeltern hin zu den selbstbestimmten Wunschkindern.
Humanae Vitae
Am 25. Juli 1968 veröffentlichte der Vatikan die fünfte Enzyklika von Papst Paul VI. „Humane Vitae“, die ihm den Beinamen „Pillen Paul“ einbrachte, da jede Empfängnisverhütung darin ausgeschlossen wurde. Es heißt darin: „Ebenso ist jede Handlung verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel.“ Denn: „Nach Lehre der Katholischen Kirche sind im ehelichen Akt zwei Sinndimensionen (significatio) fest miteinander verknüpft (HV 12): Die liebende Vereinigung (significatio unitatis) und die Fortpflanzung (significatio procreationis). Mit der liebenden Vereinigung bestätigen sich die Eheleute gegenseitig ihre Liebe. Gleichzeitig ist diese Liebe nach der Lehre der Kirche immer auch auf die Fortpflanzung hin orientiert. Diese beiden Sinndimensionen zu trennen, entspricht nach der Lehre der Kirche nicht der Natur des Menschen und der Bedeutung der ehelichen Liebe.“ (Humanae Vitae)
Paul VI., als Nachfolger des als progressiv geltenden „Reformpapstes“ Johannes XXIII., hatte damit eine Bastion formuliert, die auch die bisherigen Nachfolger nicht verändert, sondern immer wieder bestätigt und bekräftigt haben: Keine Empfängnisverhütung. Keine Pille und auch keine Kondome. Von Vielen als sture Lebensfremdheit gegenüber den Fragen der Moderne bewertet.
Aber warum bekommen in den Medien immer wieder ältere Männer eine Plattform geboten, sich über Sexualmoral zu äußern, so wie am Mittwoch Erzbischof Marx in der taz, die nach den Lehrsätzen ihrer Weltanschauung keinerlei praktische Erfahrung in gelebter sexueller Partnerschaft haben dürften, also keine Ahnung haben, wovon sie reden. Man lässt doch auch keinen Vegetarier über die Zubereitung und den Verzehr von Rindersteaks sprechen. Und wenn, wäre es sicherlich eine ‚Lachnummer’. Warum lacht beim Papst oder einem solcherart redenden Erzbischof eigentlich niemand? Wahrscheinlich, weil es nur noch die Wenigsten interessiert.
Die Pille „ein Geschenk Gottes“
Gestern, auf dem Ökumenischen Kirchentag in München, erklärte die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Käßmann: Die Pille könne man auch als „ein Geschenk Gottes" betrachten. Und das sprach sie im katholischen Liebfrauendom.
Eine wundersame Sichtweise. Zum einen könnte man es als grobe Ökumenische Unhöflichkeit betrachten, diese Feststellung in einer katholischen Kirche zu äußern, da der Pastorin die Auffassung des Gastgebers bekannt sein dürfte. Zum zweiten ist ein derart offenkundiges Beispiel, wie Kirchenfunktionäre alles auf dieser Welt, alles – außer natürlich dem „Bösen“ – ihrem Gott „zuschreiben“, denn bekanntlich hat Prof. Dr. Carl Djerassi die Pille ‚erfunden’ und zur Marktreife gebracht. Und drittens, wenn es denn so sein sollte, wie es Margot Käßmann verkündete, warum hat dann dieser Herr Gott bis zum Jahre 1960 gewartet, bis er der Menschheit dieses „Geschenk“ in den Apotheken offenbarte?