Humanistisches Engagement und Steuerrecht

BERLIN. Das ist selten. Kulturschaffende in unserem Land, sonst in der Regel Kritiker des Staates

nahezu von Berufs wegen, sind des Lobes voll für den Finanzminister der Bundesrepublik Peer Steinbrück. Nein, er senkt nicht die Mehrwertsteuer, die er gerade – entgegen Versprechungen im Wahlkampf – angehoben hat nach dem Motto „Zwei plus Null ist Drei“.

Was ist geschehen? Der Finanzminister stellt höhere Abzugsfähigkeit von Spenden und weitere Regelungen in Aussicht, die das persönliche ehrenamtliche Engagement ebenso stärken sollen wie sie gemeinnützige Vereine fördern durch steuerentlastende Regelungen über jetzige Vergünstigungen hinaus. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat nämlich den Entwurf eines „Gesetzes zur weiteren Stärkung des Ehrenamtes“ auf den Weg gebracht. Manche nennen das staatliche Förderung der Freiwilligenarbeit – das sei hier dahingestellt. Es handelt sich um einen <Referentenentwurf> (um einen Gesetzentwurf der Fachbeamten des Ressorts), den der Minister am 15.12.2006 den anderen Bundesministerien, den Finanzministerien der Länder und – wie es in den offiziellen Verlautbarungen heißt – den betroffenen Verbänden zugeleitet hat. Es ist bezeichnend, dass säkulare Verbände wieder einmal nicht als „betroffene“ gelten, obwohl es auch sie berührt, was da drin steht.

Darüber hinaus ist geplant, die Verbände (das meint wieder die „betroffenen“) zu einer Anhörung zu dem Gesetzentwurf einzuladen, die im Januar 2007 im BMF in Berlin stattfinden soll. Zu den Betroffenen gehört der <Deutsche Kulturrat> (mit den ihm zugehörenden Verbänden). Am 14.02.2007 soll der Referentenentwurf die nächste Stufe im Gesetzgebungsverfahren erreichen und zu einem Kabinettsentwurf werden. Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD hatten schon im Koalitionsvertrag eine Reform des Spendenrechts und des Gemeinnützigkeitsrechts in Aussicht gestellt.

In Deutschland sind etwa 23 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig. Das Spendenaufkommen ist enorm – auch in den säkularen Verbänden. Praktischer Humanismus ist nicht denkbar ohne ehrenamtliche Tätigkeit. Ein Bespiel besonderer Arbeit ist der „Besuchs- und Hospizdienst“ <V.I.S.I.T.E.> des Berliner HVD (Foto – V.I.S.I.T.E.-HOSPIZKURS 2005). Wer in solche und ähnliche Praxis verstrickt ist, der begrüßt das Positive in dem Referentenentwurf – doch dem fallen dann aber auch einige Ungerechtigkeiten und Halbheiten ins Auge, die daraus resultieren, dass die verfassungsmäßig geforderte Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen wieder einmal verletzt wird.

Deshalb hat heute der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) in einem Brief an den Finanzminister – zwei kritische Stellen des Entwurfs herausgreifend – entschiedenen Widerspruch angemeldet:

  • Erstens: Der Referentenentwurf sieht in Artikel 5 (Änderung der Abgabenordnung) eine Neufassung des § 52 Abs. 2 vor. Danach ist als Förderung der Allgemeinheit unter Nr. 2 „die Förderung der Religion“ anzuerkennen. Hier fehlt die Aufzählung von „Weltanschauung“. Der HVD macht geltend, dass auch Weltanschauungsgemeinschaften mit den Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften schon aufgrund des Gleichstellungsgebotes des Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG steuerrechtlich gleichzustellen sind.

    Der HVD verweist in seinem Brief auf den Bundesfinanzhof. Dieser hat in seinem Urteil vom 23. September 1999 (Aktenzeichen XI R 66/98) entschieden, dass § 10b Einkommenssteuergesetz verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass nicht nur religiöse Zwecke, sondern auch weltanschauliche Zwecke begünstigt sind. Um hier auch in der Abgabenordnung die nötige Klarheit herzustellen, ist die zusätzliche Aufnahme des Weltanschauungsbegriffs hilfreich.

  • Zweitens: In Artikel 2 (Änderung der Einkommenssteuer-Durchführungsverordnung 2000) soll der Abs. 1a u.a. dahingehend geändert werden, dass Förderstiftungen zukünftig nicht mehr in die Vergünstigung des Spendenabzugs gemäß der Regelung im Einkommenssteuergesetz kommen.

    Diese Ausnahme hält der HVD für unverständlich. Der Passus sei in der Praxis nur mit größtem Bürokratieaufwand zu handhaben. Vor allem stelle er eine Begünstigung der großen Stiftungen dar, die eigene Projekte verfolgen. Die geplante Regelung wird nach Ansicht des HVD zu einer rapiden Abnahme der Stiftungsgründungen führen, was den bisherigen Absichten des Gesetzgebers diametral entgegen steht.

    Eine Revision dieser Passage – so meint der HVD – sei daher angezeigt. Dies ist auch deshalb von politischer Bedeutsamkeit, weil in den letzten Jahren der organisierte Humanismus (z.B. in Nürnberg und Berlin) neue Stiftungen ins Leben gerufen hat, die sich noch in der Aufbauphase befinden und die – z.B. gegenüber den etablierten kirchlichen Stiftungen – Nachteile in Kauf nehmen müssten.

Der HVD ist zunächst noch guter Hoffnung hinsichtlich der Stichhaltigkeit seiner Einwände. Deshalb wirbt er für seinen Standpunkt und hofft, dass auch andere Säkulare sich hier zu Wort melden. Nun ist das Gesetzgebungsverfahren abzuwarten. Von seinem Ausgang macht der HVD weitere Schritte abhängig.

GG