Rechtsstaat vor Religion: Warum das Lobbyregistergesetz auch für Weltanschauungsgemeinschaften gelten muss

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Anlässlich der heutigen Beratungen im Bundestag zur Änderung des Lobbyregistergesetzes hat der Zentralrat der Konfessionsfreien sich dafür ausgesprochen, künftig auch Weltanschauungsgemeinschaften in den Geltungsbereich des Gesetzes einzubeziehen.

"Es gibt keinen plausiblen Grund, vor allem die Kirchen vom Lobbyregistergesetz auszunehmen", argumentiert der Vorsitzende des Zentralrats Philipp Möller. Der politische Einfluss insbesondere der evangelischen und der katholischen Kirchen sei trotz ihrer schwindenden gesellschaftlichen Bedeutung noch immer erheblich, so Möller. "Kirchlicher Lobbyismus ist allgegenwärtig, aber durch die Ausnahme vom Lobbyregistergesetz kann er weiterhin im Verborgenen stattfinden", sagt der Vorsitzende. Zudem werde mit Blick auf die Kirchen mit zweierlei Maß gemessen. 

"Wenn Personen in hohen politischen Ämtern zugleich Ämter in Konzernen innehaben, ist der Aufschrei zurecht groß", ergänzt Möller. "Aber bei den Kirchen wird das offenbar als normal empfunden – obwohl sie selbst große wirtschaftliche Interessen haben."

"Die Zeiten der Kirchenrepublik sind vorbei!"

Das Problem des kirchlichen Lobbyismus sei kein abstraktes, sondern betreffe ganz konkret aktuelle Fälle. Als Beispiele nennt Möller die staatliche Finanzierung von Kirchentagen, die "astronomische Höhe" der Ablöseforderungen für die historischen Staatsleistungen sowie die verschleppte Ausweitung des staatlichen Arbeitsrechts auf die Kirchen.

"Die Kirchen genießen erhebliche finanzielle und juristische Privilegien, die in Deutschland über Jahrzehnte installiert wurden", kritisiert Möller. Diese seien aber teils verfassungswidrig oder widersprächen den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Antidiskriminierung. "In einer Kirchenrepublik Deutschland hat das Geklüngel von Staat und Kirche vielleicht niemanden gestört, aber diese Zeiten sind vorbei", fasst der Vorsitzende zusammen. 

Politik muss gesellschaftlichen Wandel abbilden

Inzwischen sind über 42 Prozent der Menschen in Deutschland konfessionsfrei, und es werden immer mehr. Seit 2022 gehören erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik weniger als die Hälfte der Deutschen der evangelischen oder katholischen Kirche an. "Diesem kulturellen Wandel muss auch ein politischer Wandel folgen", argumentiert Möller. "Dazu gehört auch, dass der Staat die Einflussnahme der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auf die Politik transparent macht – zumal diese häufig sehr früh in den Gesetzgebungsprozess einbezogen werden."

Dabei betreffe diese Ausnahme nicht nur die Kirchen, fügt Möller hinzu. Islamische Verbände schließen Staatsverträge ab, die ihnen zunehmend ähnliche Privilegien wie den Kirchen verschaffen. Und auch nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften übten politischen Einfluss aus, der für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein müsse. 

Keine Ausnahmen für Weltanschauungsgemeinschaften

"Wir stehen für die Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften", ergänzt Möller. Dazu ist der Staat durch Artikel 140 des Grundgesetzes verpflichtet. Durch den Aufbau immer neuer Privilegien werde jedoch der Status Quo eines Systems etabliert, in dem Weltanschauungsgemeinschaften gegenüber anderen Organisationen systematisch bevorzugt werden, so Möller. "Deswegen sprechen wir uns entschieden für den Abbau einseitiger Kirchenprivilegien aus – denn sonst müssten wir etwa auch islamischen Verbänden ein eigenes Arbeitsrecht oder eine Moscheesteuer zusprechen." An genau solchen Privilegien werde bereits gearbeitet. "Wenn die Öffentlichkeit nicht nachvollziehen kann, welchen Einfluss Religionsgemeinschaften auf die Politik ausüben, schadet das dem demokratischen Rechtsstaat erheblich – deshalb muss das Lobbyregistergesetz auch für sie gelten."

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