Notizen zu Nordkorea 15

Menschenrechtssituation in Nordkorea ist "glänzend"

BERLIN. (hpd). Shin Dong-Hyuk wird für seine besonderen Verdienste um Menschenrechte geehrt, das nordkoreanische Regime veröffentlicht einen eigenen Menschenrechtsbericht und verurteilt den amerikanischen Staatsbürger Mathew Miller zu sechs Jahren Zwangsarbeit. Weitere Themen u.a.: Kulturelle Unterschiede zwischen beiden Koreas und deren Bedeutung für eine eventuelle Wiedervereinigung, Jubelkader bleiben diesmal zu Hause, 29 nordkoreanische Staatsangehörige aus China abgeschoben.

Shin Dong-Hyuk wegen besonderer Verdienste für Menschenrechte mit Auszeichnung geehrt

Neben Pater Bernard Kinvi aus der Zentralafrikanischen Republik, Arwa Othman aus dem Jemen und Dr. M. R. Rajagopal aus Indien wird auch Shin Dong-Hyuk aus Nordkorea mit dem “Alison Des Forges Award for Extraordinary Activism” ausgezeichnet, berichtet die internationale nichtstaatliche Organisation Human Rights Watch (HRW). Benannt ist die Auszeichnung nach Dr. Alison Des Forges, die nahezu zwei Jahrzehnte lang leitende Beraterin bei Human Rights Watch war und am 12. Februar 2009 bei einem Flugzeugabsturz im US-Bundesstaat New York ums Leben kam.

Shin Dong-Hyuk ist der einzige Flüchtling, von dem bekannt ist, dass es ihm erfolgreich gelang aus dem nordkoreanischen Lager für politische Gefangene in dem er geboren wurde, zu entkommen. Seit seiner Flucht im Jahr 2005, mit der sich u.a. Marc Wiese in seiner Dokumentation “Camp 14 – Total Control Zone” filmisch auseinandersetzt, engagiert sich Shin dafür, über die in Nordkorea verübten Gräueltaten aufzuklären. Außerdem sprach er wiederholt vor der UN über die Situation der Menschenrechte im nordkoreanischen Lagersystem und engagiert sich in mehreren NGOs.

Obwohl er seine Erlebnisse immer noch nicht völlig verarbeitet hat und trotz des Risikos von Vergeltungsmaßnahmen durch die nordkoreanische Regierung, hat Shin die Welt durch seine Biographie, Dokumentationen und Reden auf die Vorgänge in den Konzentrationslagern Nordkoreas aufmerksam gemacht. Im Jahr 2013 war seine Aussage mit ein Anlass für die Einrichtung der UN-Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea.

Nordkorea stellt sich glänzendes Zeugnis zur Situation der Menschenrechte im Land aus

Nordkoreanische Bürger seien glücklich, unabhängig, und hätten laut einem Bericht der nordkoreanischen “Association for Human Rights Studies” einen hohen Lebensstandard. Der 53.000 Wörter umfassende und in fünf Kapitel unterteilte Report, der als Gegenstudie zur Untersuchung der UN-Kommission verfasst wurde, gibt als Quelle einige inländische Institutionen, akademische Einrichtungen, Nicht-Regierungsorganisationen und Menschrechts-Experten an. Die Vereinten Nationen hatten Nordkorea “systematische, weitreichende und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen”. Das Regime in Nordkorea, das sich weigerte die Arbeit der Untersuchungskommission zu unterstützen, weist die Angaben des UN-Berichtes als auf falschen Zeugenaussagen beruhend und als Werk feindlicher Mächte zurück.

Im Gegensatz dazu spiegele der “all-inclusive”-Bericht der Association for Human Rights Studies aus Nordkorea die Eigenschaften des sozialistischen Systems, die Menschenrechtspolitik und die tatsächliche Durchsetzung der Menschenrechte in Nordkorea wieder, berichtet die Korean Central News Agency KCNA.

Das Papier ziele darauf ab, “die Öffentlichkeit angemessen über die Bemühungen des Landes zu informieren, die Menschenrechte zu schützen und zu fördern, die falschen und reaktionären Anschuldigungen rücksichtsloser Anti-nordkoreanischer Menschenrechtsgauner bloßzustellen sowie Vorurteile und Missverständnisse auszurotten” so KCNA weiter.

Nordamerikanischer Staatsbürger zu 6 Jahren Arbeitslager verurteilt

Der nordkoreanische Menschenrechts-Bericht ist zeitgleich mit der Information veröffentlicht worden, dass der Oberste Gerichtshof den 24-jährigen US-Bürger Matthew “Todd” Miller zu sechs Jahren Zwangsarbeit für “feindliche” Handlungen verurteilt hat.

Die Nachrichtenagentur KCNA teilt mit, dass Miller sich am 10. April “bei Einreise in die Demokratische Volksrepublik Korea unüberlegt verhalten habe, als er sein Touristenvisum in Stücke gerissen und heiser geschrien hätte, er sei nach Nordkorea gekommen weil er dort um Asyl bitten wolle. Dies sei eine grobe Verletzung der Rechtsordnung gewesen”. Die genaue Anklage laute auf “Spionage gemäß Artikel 64 des Strafrechts der Demokratischen Volksrepublik Korea.”

Zurzeit sitzen neben Miller zwei weitere US-amerikanische Staatsbürger in nordkoreanischer Haft: Ein weiteres Verfahren wird demnächst für Jeffrey Fowle erwartet, der im Mai eine Bibel in der Toilette eines Seemannsheimes liegengelassen haben soll. Kenneth Bae, ein koreanisch-amerikanischer Missionar, verbüßt eine 15-jährige Haftstrafe wegen angeblicher “feindseliger Handlungen”.

Fowle schlug vor, die ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton oder George W. Bush bei der Klärung der Situation zu involvieren. Der US-Sondergesandte für Menschenrechtsfragen in Nordkorea, Robert King, geht allerdings davon aus, diese Aussage sei erzwungen worden: Der Besuch eines früheren US-Präsidenten wäre ein diplomatischer Schachzug für Kim Jong-un, der bisher noch kein führendes Staatsoberhaupt empfangen durfte.

Clinton war 2009 nach Pjöngjang gereist um einige Journalisten aus dem Gefängnis zu befreien; Jimmy Carter fuhr 2010 nach Nordkorea um die Freilassung von Ajalon Gomes sicherzustellen, der zu acht Jahren Zwangsarbeit wegen illegaler Grenzüberschreitung und Missionierung verurteilt worden war.

In der Zwischenzeit sind weitere angebliche Einzelheiten über Millers Vorhaben bekannt geworden: So soll er offenbar vorgegeben haben, geheime Informationen über die Vereinigten Staaten zu besitzen und ließ sich nach nordkoreanischen Medienberichten vorsätzlich festnehmen, um berühmt zu werden. Außerdem wollte er anscheinend versuchen, den inhaftierten Kenneth Bae zu treffen. “Miller wollte durch internationales Rowdytum ein zweiter Edward Snowden werden”, kolportiert KCNA und führt weiter aus, dies sei “eine unerträgliche Beleidigung und Verhöhnung der Demokratischen Volksrepublik Korea; deshalb verdiene er, bestraft zu werden”.

“Die Ergebnisse der Untersuchung machen deutlich, dass er nicht aus Mangel an Verständnis und als Psychopath gehandelt habe, sondern seine kriminelle Handlungen absichtlich begangen hat um ins Gefängnis zu kommen”, so hätte er z.B. ein Notizbuch vorbereitet mit den Sätzen “ich suche politisches Asyl nachdem ich vergeblich versucht habe, Informationen über die US-Regierung zu sammeln” und weiterhin Informationen über “die imperialistischen US-Aggressor-Streitkräfte in Südkorea”, die er aus dem Internet bezogen, auf seinem iPod [sic!] und iPad gespeichert habe. 
Seine Taten würden verschärft durch “die rücksichtslose Bemerkungen” des US-Außenministers John Kerry, in der dieser Nordkorea als “Land des Bösen” beschreibe, so die Nachrichtenagentur. Kerry hatte Nordkorea nach der Veröffentlichung des Berichts der UN-Menschrechtskommission als “bösen Ort” bezeichnet.

Anders als bei Fowle und Bae ist über den allein lebenden Miller recht wenig bekannt. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete vor wenigen Tagen, der aus Bakersfield (Kalifornien) stammende Miller habe sich monatelang in Südkorea unter dem Namen Preston Somerset als Engländer ausgegeben und dort an einer Cartoon-Ausgabe von Lewis Carolls Roman “Alice im Wunderland” gearbeitet. Dazu habe er Künstler, Musiker und Autoren angeheuert um das Werk auf der Internet-Plattform deviantART zu veröffentlichen. Nachdem er hunderte von Dollar für Raummieten ausgegeben habe, sei er jedoch nie wieder gesehen worden, so der Manager des Jankura Art Space-Studios. Millers Spuren im digitalen Netz verlieren sich bereits im Januar 2014 so dass es keine Hinweise auf seine Aktivitäten vor seiner Reise nach Nordkorea im April dieses Jahres gibt. In einem Debattier-Lehrgang für Einheimische habe er jedenfalls kein Interesse an Nordkorea gezeigt.

Kurznachrichten

Lee Dae Young, Professor an der Chung-Ang University, sprach im Rahmen einer Vortragsreihe über eine “Gebrauchsanleitung zur Wiedervereinigung”. Er verwies darauf, dass die Kulturen Nord- und Südkoreas von Natur aus anders seien und die Gesellschaft sich auf neuen Wegen dem Einigungsprozess annähern müsse. Lee erwähnte, viele Aspekte der nordkoreanischen Kultur seien Südkoreanern völlig fremd. Ohne Bewusstsein und Verständnis auf Seiten der Südkoreaner gäbe es aber keine Möglichkeit einer Wiedervereinigung. Lee betonte abschließend die Notwendigkeit, einen kulturellen “Übergangsraum” während des Einigungsprozesses zu schaffen. „Kulturkunst“ existiere derzeit nicht, aber es müsse darauf hingearbeitet werden um Leid und Probleme in der Zukunft zu verhindern.

Nordkorea hat 150 Athleten zu den Incheon Asian Games entsandt um an den Sportarten Fußball, Schwimmen, Bogenschießen, Leichtathletik, Boxen, Schießen, Tischtennis, Gewichtheben und Ringen teilzunehmen. Zu Hause bleiben mussten hingegen die 350 Mitglieder der nordkoreanischen Jubeltruppe, die bei früheren Asienspielen viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Begründet wurde diese Entscheidung mit der feindseligen Haltung des Südens während der Vorbereitungsdiskussionen.
Die Mitglieder des aktuellen Kaders wurden aus einer Vielzahl von Organisationen innerhalb ganz Nordkoreas ausgewählt - eine deutliche Veränderung zur Praxis in der Vergangenheit, wo lediglich Frauen der Hochschule für Musik in Pjöngjang und anderen Institutionen aus dem künstlerischen Bereich in der Hauptstadt zugelassen wurden. Voraussetzung für die Teilnahme war diesmal jedoch ein Mindestalter von 23 Jahren und Mindestgröße von 160 cm.

Die Non-Profit-Organisation Amnesty International berichtet, dass 29 nordkoreanische Staatsangehörige, darunter ein einjähriges Kind, Anfang August nach Nordkorea abgeschoben worden sind, nachdem sie in China festgenommen worden waren. Es ist unklar, was mit ihnen seitdem passiert ist. Personen, die unerlaubt die Grenze nach China überqueren, drohen Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen, darunter Zwangsarbeit.
Der Verein “Saram e.V. – für Menschen in Nordkorea” hatte sich in einem Schreiben an den Botschafter der Volksrepublik China, seine Exzellenz Shi Mingde, gewandt und darauf hingewiesen, dass es sich bei den Festgenommenen nicht um Wirtschaftsflüchtlinge handeln könne, wie von Chinesischer Seite immer wieder kolportiert wird, wenn es um die Rückführung nordkoreanischer Menschen aus China geht. Vielmehr seien diese Personen allein schon durch die Androhung von Gewalt bei der Rückkehr zu Flüchtlingen “sur place” im Sinne der der UN-Flüchtlingskonvention geworden. Eine Antwort der chinesischen Botschaft steht immer noch aus.

SARAM e.V.
www.saram-nk.org