Notizen zu Nordkorea 18

Das abgesagte Interview

Folge des Sony-Hacks: Kinostart der Komödie “The Interview” abgesagt

Der Skandal um den Hacker-Angriff auf Sony Pictures Entertainment schlägt immer größere Wellen, nachdem nun als Folge von Terrordrohungen der Filmstart von “The Interview” abgesagt wurde und das FBI den Angriff auf Nordkorea zurückführt. Bei dem Film handelt es sich um eine Hollywood-Komödie, in der zwei Journalisten von der CIA beauftragt werden, Kim Jong Un umzubringen.

Nordkorea hatte sich bereits im Sommer bei den Vereinten Nationen über den Film beschwert und ihn als „Kriegsakt“ bezeichnet. In einem Brief an Ban Ki-moon soll der nordkoreanische Vertreter Ja Song Nam die USA dazu aufgefordert haben, Maßnahmen zu ergreifen, um Produktion und Verbreitung des Films zu stoppen. Sollte dies nicht geschehen, machten sie sich der Förderung von Terrorismus schuldig. Ähnlich hatte sich auch ein Sprecher des nordkoreanischen Außenministeriums geäußert, der direkt die US-Regierung in die Pflicht nahm, den Filmstart zu verhindern. Damals war dieser noch für Oktober 2014 vorgesehen.

Der Starttermin wurde allerdings nach hinten verschoben und der durch den Sony-Hack an die Öffentlichkeit gelangte E-Mail-Verkehr der Konzernspitze scheint die Gründe dafür zu liefern. Es gab zwar schon vorher Spekulationen darüber, dass nach den Drohungen Nordkoreas der Film modifiziert wurde, aber nun gibt es starke Indizien dafür, dass der Sony-Chef in Japan die in den USA ansässige Tochterfirma Sony Pictures Entertainment dazu gedrängt hat, einige Szenen zu ändern beziehungsweise zu streichen, möglicherweise, um das Verhältnis zwischen Nordkorea und Japan nicht weiter zu verschlechtern.

Die Hackergruppe, die sich “Guardians of Peace” nennt, soll schon Anfang Dezember in eigenwilligem Englisch folgendes Statement veröffentlicht haben: “Beendet sofort das Zeigen des Film des Terrorismus, der den regionalen Frieden brechen und Krieg verursachen wird!” Nachdem die mutmaßlichen Hacker allerdings konkret damit gedroht hatten, Terroranschläge in den Kinos zu verüben, in denen der Film ab Weihnachten laufen sollte, kündigten einige große Kinoketten in den USA an, den Film nicht zu zeigen. Daraufhin sagte Sony nicht nur den Starttermin ab, sondern machte deutlich, dass man nicht mehr vorhabe, den Film überhaupt zu veröffentlichen - weder im Kino noch als DVD. Auch Vorführungen des Films “Team America: World Police”, der von einem anderen Studio im Jahre 2004 veröffentlicht wurde und statt “The Interview” in manchen Kinos gezeigt werden sollte, können wohl nicht realisiert werden. In diesem Marionetten-Film, auch einer Komödie, wird Kim Jong Il, der damalige Machthaber Nordkoreas, auch nicht gerade vorteilhaft portraitiert. Als “Team America” in den Kinos lief, soll sich die nordkoreanische Botschaft in Prag an die tschechische Regierung gewandt und versucht haben, den Filmstart zu verhindern. Diesem Wunsch wurde nicht stattgegeben. Weitere Versuche Nordkoreas, die Verbreitung des Films zu stoppen, sind nicht bekannt.

Es bleibt unklar, ob Nordkorea wirklich der Drahtzieher hinter der Cyber-Attacke ist. In einer Stellungnahme der politischen Abteilung der Nationalen Verteidigungskommission klingt das Dementi so: “SONY Pictures, ein US-Filmproduzent, wurde Berichten zufolge von Hackern attackiert. […] Wir wissen weder, wo sich SONY Pictures in Amerika befindet oder wegen welchen Fehlverhaltens es Ziel eines Angriffs wurde, noch sehen wir die Notwendigkeit, das wissen zu wollen. Aber wir wissen ganz genau, dass SONY Pictures genau die Firma ist, die einen Film produziert hat, der zu einem terroristischen Akt anstiftet und die Würde der obersten Führung der DVRK verletzt, indem es sich die feindliche Politik der US-Regierung gegenüber der DVRK zunutze macht. […] Dass SONY Pictures gehackt wurde, kann daher als eine gerechte Tat von Unterstützern und Sympathisanten der DVRK als Antwort auf unsere Beschwerde angesehen werden. […] Die USA sollten wissen, dass es sehr viele Unterstützer und Sympathisanten der DVRK in der ganzen Welt gibt, wie auch die ‘champions of peace’ [sic], die SONY Pictures attackiert haben. Gerechte Reaktionen werden stärker werden, um die bösen Machenschaften niederzuschmettern.”

Dieses Mal wurde der Protest nicht ignoriert. Durch die Terrordrohung ist das Hacking nun endgültig kein Sony-internes Problem mehr. US-Präsident Obama hatte noch in der letzten Woche die Empfehlung ausgesprochen, in die Kinos zu gehen, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Drohungen in die Realität umgesetzt werden. Das war allerdings vor der Absage des Filmstarts. Am vergangenen Freitag veröffentlichte dann das FBI eine Stellungnahme, in der es heißt, dass die gesammelten Informationen den Schluss zuließen, die nordkoreanische Regierung sei der Drahtzieher hinter der Cyber-Attacke auf Sony Pictures Entertainment. Dies wiederum veranlasste Obama in einer Pressekonferenz dazu, Nordkorea mit einer “angemessenen Reaktion” zu drohen. Er kritisierte Sony für die Entscheidung, “The Interview” nicht zu zeigen. Irgendein Diktator an irgendeinem Ort könne nicht jemanden in den USA zu Zensurmaßnahmen zwingen. Er warnt vor den Folgen: Wenn man sich bei einem satirischen Film einschüchtern ließe, was würde in der Zukunft mit Dokumentationen oder Nachrichtenbeiträgen passieren, die jemandem nicht passen? Man hätte vorher mit ihm sprechen sollen.

Der Geschäftsführer von Sony Pictures Entertainment widersprach dem Präsidenten: Man habe schon vor dem Hacker-Angriff mit dem Weißen Haus und anderen Stellen Kontakt aufgenommen und von allen Seiten habe es geheißen, es gebe keine Probleme mit dem Film. Er betonte, man wolle den Film weiterhin veröffentlichen, und dementierte damit vorherige Berichte. Nur habe es keine andere Möglichkeit gegeben als den Kinostart zu verschieben, weil die großen Kinoketten sich geweigert hatten, den Film zu zeigen.

Niemand wollte sich wohl dem Risiko aussetzen, dass die Kinos wegen einer Terrordrohung über die Feiertage leer blieben. Obwohl es von mehreren Personen und Anbietern das Angebot gibt, den Film zu zeigen, ist Sony wohl noch auf niemanden zugegangen.

Für die Absage des Kinostarts wurde Sony nicht nur von politischer Seite kritisiert. Auch Kulturschaffende zeigten sich alarmiert. Stimmen aus Hollywood verurteilten das Verhalten von Sony und den Kinoketten. Es wird eine Selbstzensur in zukünftigen Produktionen befürchtet. Die Absage von Sony Pictures Entertainment schafft einen Präzedenzfall, dessen Folgen für alle möglichen regimekritischen Kulturproduktionen noch nicht abzusehen sind. Auch wenn es mehr als fragwürdig ist, sich in einer Komödie über Nordkorea lustig zu machen und den “Obersten Führer” Kim Jong Un als menschlich und nett darzustellen (was zumindest der Trailer impliziert), werden wohl auch zukünftige Produktionen mit einer ernsteren Aussage darunter leiden. Gerüchten zufolge soll das Buch “The Aquariums of Pyongyang” verfilmt werden, in dem das Leben von Kang Chol-hwan beschrieben wird, der von seinem zehnten Lebensjahr an zehn Jahre im Lager für politische Gefangene Nr. 15 (“Yodok”) interniert war. Ein anderes Projekt unter der Regie von Gore Verbinski wurde indes auf Eis gelegt, weil der Verleiher im Zuge des Sony-Hacks ausgestiegen sei. Dabei handelt es sich um die Verfilmung des sehr lesenswerten Comics von Guy Delisle (“Pjöngjang”), der seine mehrmonatige Arbeit in einem Trickfilmstudio in Pjöngjang graphisch verarbeitet hatte. Auch Delisle zeigte sich enttäuscht vom Rückzug des Verleihs, erinnerte sich aber auch daran, dass sich sein damaliger Arbeitgeber alles andere als begeistert gezeigt hat, als er seine Erfahrungen in einem Comic veröffentlicht hatte.

SARAM e.V.
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