BERLIN. (hpd). Nach einem verheerenden Hacker-Angriff auf Sony und Terrordrohungen wurde der Filmstart einer nordkoreakritischen Komödie abgesagt. Führt das jetzt zu Selbstzensur in Hollywood? Zunächst berichten wir aber über neun junge Flüchtlinge, deren Schicksal nach ihrer Abschiebung nach Nordkorea ungewiss ist.
Aus Laos abgeschobenen nordkoreanischen Flüchtlingen geht es “blendend”
Über das Schicksal der neun von Laos nach Nordkorea ausgelieferten Flüchtlinge gibt es widersprüchliche Angaben. Anfang Dezember hatte die südkoreanische Aktivistengruppe “Dream Makers for North Korea” unter Bezugnahme auf eine nordkoreanische Quelle die Befürchtung geäußert, zwei der Flüchtlinge, Mun Chol und Baek Yong Won, seien hingerichtet und die sieben anderen in das Internierungslager für politische Gefangene Nr. 14 in Kaechon deportiert worden. Zuvor seien die sieben männlichen und zwei weiblichen Jugendlichen an verschiedenen Orten festgehalten worden: In einem Gasthaus an der Ostküste, in einer Hilfseinrichtung für Kinder an einem nicht näher identifizierten Ort und in einem Rehabilitationszentrum. Park Sun-young, Vorsitzender der Aktivistengruppe, merkte dazu an, dass unter einer “Hilfseinrichtung für Kinder” ein Waisenhaus zu verstehen sei und ein Rehabilitationszentrum einem Gefängnis in Südkorea ähnele.
In der Gruppe, vermutlich alles Waisen im Alter zwischen 15 und 23 Jahren, sollen fünf noch minderjährig sein. Die Flüchtlinge sollen mit Hilfe einer südkoreanischen Missionsorganisation Nordkorea verlassen haben. Sie hielten sich anschließend in einem Zeitraum, der mit “zwischen drei Monaten und drei Jahren” angegeben wird, in China auf, bevor sie die Grenze nach Laos am 9. Mai 2013 überquerten.
Die laotischen Behörden nahmen sie eine Woche später fest und schickten sie trotz Bitten von Seoul und den Vereinten Nationen per Flugzeug zurück nach China. Von dort wurden sie nach Nordkorea abgeschoben, was einen eindeutigen Verstoß gegen geltendes Recht darstellt: Das “Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft” des Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen legt in Absatz 61 fest, dass “die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerechtfertigt sein wird, wenn eine Person wegen ihrer gesetzwidrigen Ausreise oder unerlaubten Fernbleibens eine […] schwere Bestrafung zu erwarten hat.” Laut „Guardian“ sieht das nordkoreanische Recht für “Überläufer” mindestens fünf Jahre Zwangsarbeit vor, verhängt aber auch lebenslange Freiheits- oder sogar Todesstrafen. China weigert sich jedoch immer noch, nordkoreanische Flüchtlinge als solche anzuerkennen, sondern bezeichnet diese weiterhin als Wirtschaftsmigranten.
Eine internationale Koalition von Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Situation der Menschen in Nordkorea engagieren, ging dementsprechend auch davon aus, dass die Flüchtlinge eine lange Lagerhaft mit den einhergehenden Folterungen und der Verweigerung adäquater medizinischer und Lebensmittelversorgung erwarteten würde.
Kurz nach der Abschiebung durch China hieß die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA die jungen Überläufer im Juni 2013 jedoch “wieder in den Armen ihres Vaterlandes” willkommen, nachdem sie von der “Marionettenregierung” Südkoreas ausgetrickst worden seien, um das Land zu verlassen. Dank der Hilfe laotischer Behörden habe eine “Entführung” durch südkoreanische Aktivisten vereitelt werden können.
Nachdem die Organisation “Dream Makers for North Korea” ihre Befürchtungen über das Schicksal der Flüchtlinge veröffentlicht hatte, wurde bekannt, dass kurz danach ein Video mit dem Titel “Das Leben von 9 Jugendlichen nach Rückkehr in die liebevolle Umarmung der Republik, nach ihrer Entführung durch das südkoreanische Marionettenregime” von Uriminzokkiri TV veröffentlicht wurde, dem Propagandaorgan des nordkoreanischen Komitees zur friedlichen Wiedervereinigung des Vaterlandes. In dem Video werden die neun namentlich genannt und detaillierte Angaben über ihren Aufenthaltsort und ihre Aktivitäten gemacht. Demnach handelt es sich um Mun Chol, Jeong Kwang Yong, Ryu Kwang Hyok und Baek Kwang Hyok, die jetzt das “Helden-Gymnasium Nr. 1” in Hyesan besuchen, und Baek Yong Won, der an der Hochschule in Hamhung Lehrer in der Abteilung für Künste sei, um dort sein Talent “nach Herzenslust auszuleben”. Die jüngeren Kinder, Ri Kwang Hyok, Ryu Chol Ryong, Jang Guk Hwa und Ro Jong Yong, sollen Schüler der “Kumsong Mittelschule Nr. 1” in Pjöngjang sein. Nur die vier letztgenannten werden in dem Video gezeigt. Das südkoreanische Ministerium für Wiedervereinigung verfolge die Situation aufmerksam, heißt es aus einer anonymen Quelle.
Möglicherweise gebe es bald, wie im Video angekündigt, Fortsetzungen der Ausstrahlung, aus denen dann hervorgeht, dass die beiden vermeintlich Hingerichteten noch am Leben sind. Es ist nicht auszuschließen, dass Nordkorea Gerüchte über angebliche Exekutionen selbst gestreut hat, um dann in einem Video den Gegenbeweis zu erbringen. Seitdem die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft verstärkt auf der verheerenden Menschenrechtslage in Nordkorea liegt, versucht das Land die Glaubwürdigkeit von Berichten über Menschenrechtsverletzungen zu unterminieren. Nordkoreanische Medien haben auch Auszüge aus Tagebüchern der jungen Flüchtlinge veröffentlicht, die Reue über ihre “Missetaten” ausdrücken sollen: “Ich wusste nicht, was schlecht war, und ich verstand nicht, ob das, was ich tue, etwas Gutes oder etwas Schlechtes ist. Ich werde nie wieder schlimme Dinge tun und in die Falle gelockt werden“, so ein Zitat. Anderweitig heißt es: „Ich wusste nicht, was es bedeutet, dankbar für sein Land zu sein, aber es hat sich um mich gekümmert und liebte mich wie eine Mutter, und das würde ich gerne mit meiner Dankbarkeit ausgleichen.”
Wie am 15. Dezember bekannt wurde, ist fünf Tage zuvor tatsächlich zusätzliches Material über die fünf anderen Mitglieder der Gruppe als Video mit dem Titel “Wir haben unsere Mutter: Wir werden ihr für immer folgen” auf der Propaganda-Website “Uriminzokkiri TV” hochgeladen worden. Die Aufnahmen zeigen die vier Jugendlichen, die das Helden-Gymnasium Nr. 1 in Hyesan besuchen sollen. Dort, so die Beschreibung, “blühen ihre Hoffnungen und Talente wie Blüten auf dem Schulgelände, hell von der Sonne beleuchtet.” Auch Baek Yong Won, der in Hamhung leben soll, wird gezeigt.
Auf die Meldung, man habe die Flüchtlinge entweder exekutiert oder in ein Arbeitslager gesteckt, wurde in dem Video ebenfalls eingegangen und sie wurde als “Manipulationen” bezeichnet. Von einem der Jugendlichen hieß es: “Wir hörten von diesen Gerüchten auch. Ich weiß nicht, wer solche Gerüchte verbreitet, aber wir leben mit allem, was wir brauchen in den Armen unseres Marschalls, der uns aus der Hand des Todes errettet hat. Einige von uns sagten am Morgen, wir sollten hingehen und die Menschen verprügeln, die solche Gerüchte in die Welt setzen.”
Es wird davon ausgegangen, dass Pjöngjang diese Aufnahmen in Umlauf gebracht hat, nicht nur um der internationalen Kritik nach den Berichten über die Exekution bzw. Lagerhaft der neun zu begegnen, sondern womöglich auch, um im Vorfeld die Abstimmung im Plenum der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Resolution über die Menschenrechtssituation in Nordkorea am 18. Dezember zu beeinflussen und eine Verurteilung als ungerecht erscheinen zu lassen. Für die Resolution, die im vergangenen Monat schon von einem Hauptausschuss der Generalversammlung angenommen wurde, stimmten jetzt 116 Staaten gegenüber 20 Nein-Stimmen und 53 Enthaltungen. Am 22. Dezember berät der Sicherheitsrat über den Fall, aber mit einer schnellen Entscheidung, die dort auch rechtlich bindend ist, wird nicht gerechnet. Es bleibt abzuwarten, ob die Vetomächte China und Russland die Resolution blockieren werden. China hatte am Freitag noch einmal seine Haltung bekräftigt, dass der Sicherheitsrat nicht der geeignete Ort für Diskussionen über Menschenrechte sei.
Laos verhält sich in Bezug auf nordkoreanische Flüchtlinge nicht konsistent: Eine Gruppe von weiteren sechs Flüchtlingen, die im Norden des Landes verhaftet wurde, ist freigelassen worden und befindet sich nach einer Meldung aus dem Oktober 2014 auf dem Weg nach Südkorea. Die fünf Frauen zwischen 20 und 40 Jahren sowie ein Mann in den Vierzigern wurden nach Thailand gebracht und befanden sich zum Zeitpunkt der Meldung in einer Schutzeinrichtung für Flüchtlinge. Über ihr aktuelles Schicksal gibt es derzeit keine Berichte.
Oh Gyeong Seob, Experte für Flüchtlingsfragen am Sejong Institut in Seoul, geht aber nicht von einer grundsätzlichen Änderung der laotischen Flüchtlingspolitik aus: “Die Freilassung der Flüchtlinge ist wohl eher auf die Tatsache zurückzuführen, dass diese erwachsen waren, sowie auf schwache diplomatischen Bemühungen um Rückführung durch Nordkorea und proaktive Anstrengungen Südkoreas, ihre Freilassung sicherzustellen”, und fügte ergänzend hinzu: “Die laotische Regierung erhält Wirtschaftshilfe aus Südkorea und profitiert daher von der Aufrechterhaltung guter Beziehungen.” Schätzungen zufolge laufen 90 Prozent des Flüchtlingsstromes mit dem Ziel Südkorea über Laos, das als Brücke nach Thailand dient. Letzteres liefert Flüchtlinge im Gegensatz zu Laos nicht an Nordkorea aus.