Aufklärung und Kritik - Schwerpunktausgabe 2014 erschienen

Friedrich Jodl und das Erbe der Aufklärung

NÜRNBERG. (hpd) Die Schwerpunktausgabe für das Jahr 2014 zum Thema "Friedrich Jodl und das Erbe der Aufklärung" von "Aufklärung und Kritik", der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg, ist erschienen. Als Übersicht der vielfältigen Artikel und Themen hat die Redaktion dem hpd wieder das Vorwort zu Verfügung gestellt.

Der Philosoph und Psychologe Friedrich Jodl (1849–1914) war lange Zeit fast nur noch durch späte Nachdrucke seiner zweibändigen "Geschichte der Ethik" präsent. Feuerbach-Spezialisten wissen darüber hinaus, dass Friedrich Jodl zusammen mit Wilhelm Bolin einst Herausgeber der 10-bändigen "Sämtlichen Werke" Ludwig Feuerbachs (erschienen 1903–1911) gewesen ist. Doch wer war Jodl selbst? Was hat ihn geprägt, woran hat er gearbeitet und was hat er bewirkt?

Ein gründlicher Blick in die Literatur fördert einen fleißigen Arbeiter des Geistes zutage, einen Aufklärer aus Leidenschaft, einen säkularen Humanisten mit politischem und sozialem Weitblick. Jodl war vielbeschäftigter Professor, mehrfacher Buchautor, rühriger Vortragsredner und engagierter Vorkämpfer für Volksbildung, Religionskritik und säkulare Wertebildung an der Schule. Sein Leben ist durch die drei Stationen München – Prag – Wien gegliedert und geprägt.

In München studierte er Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte und promovierte mit einer Arbeit über David Hume. Nach Lehrtätigkeit an der Bayerischen Kriegsakademie und Habilitation in Philosophie folgte er 1885 einem Ruf an die Deutsche Universität Prag, wo er neben Band 2 der "Geschichte der Ethik" auch an seinem einflussreichen "Lehrbuch der Psychologie" arbeitete. Ab 1896 war er dann bis zu seinem Tod Lehrstuhlinhaber an der Universität Wien. Hier schrieb er u.a. ein Buch über Ludwig Feuerbach, das zu dessen 100. Geburtstag 1904 erschien und in den 1920er Jahren in 2. Auflage wegweisend blieb.

Jodl war Mitbegründer der "Deutschen Gesellschaft für Ethische Kultur", einer wichtigen Vorläuferorganisation des heutigen Humanistischen Verbandes, und gefragter Referent beim Wiener Volksbildungsverein. Er wirkte als scharfer Kritiker ultramontaner Einflüsse, aber auch als kluger Bremser kommunistischer Strömungen in den eigenen Reihen. Sein Eintreten für eine empiristische, positivistische und naturalistische Philosophie atmet den Geist von David Hume, Auguste Comte – und Ludwig Feuerbach. Den Ausbruch des Ersten Weltkrieges hat er nicht mehr erlebt. Vielleicht sind es die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts, die allzu lange den Blick verstellt haben auf das Zeitlose und Wertvolle in Jodls Werk.

Der 100. Todestag Friedrich Jodls im Jahr 2014 bot den Anlass, sich neu und vertieft mit seinem Leben und seinen Leistungen auseinanderzusetzen, um daraus Lehren für die weltanschaulichen und politischen Diskurse der Gegenwart zu ziehen. Dies geschah schwerpunktmäßig auf einem Symposium am 11. Oktober 2014 in Nürnberg. Das vorliegende Sonderheft dokumentiert die dort gehaltenen Referate, umfasst aber darüber hinaus etliche weitere Beiträge.

Friedrich Jodl (1849–1914)
Friedrich Jodl (1849–1914)

Der einleitende Aufsatz des Herausgebers Helmut Fink gibt einen Überblick über den Lebenslauf, die intellektuelle Entwicklung und die Entstehung der wichtigsten Werke Friedrich Jodls. Dieser biographische Abriss soll die Einordnung der in den nachfolgenden Beiträgen vertieften Gesichtspunkte erleichtern. Er orientiert sich an den detaillierten Schilderungen von Margarete Jodl und ist mit zahlreichen Originalzitaten angereichert.

In Anknüpfung an Friedrich Jodls Frühwerk über David Hume untersucht Prof. Dr. Rudolf Lüthe die methodische Differenz zwischen Meinungen und Wissen. Er findet dabei die Auffassung von Jodl bestätigt, dass Humes Verständnis von Kausalität und "Notwendigkeit" eine Psychologisierung der philosophischen Grundbegriffe voraussetzt und auf dieser beruht.

Anschließend setzt sich Dr. Gerhard Engel in einer profunden Analyse mit Jodls Ideen zur Wirtschaftsethik auseinander. Im Spannungsfeld von Adam Smiths Hauptwerken "Wohlstand der Nationen" und "Theorie der moralischen Gefühle" und vor dem Hintergrund der industriellen Revolution klopft er die ethischen Ideale Jodls auf ihre Tragfähigkeit im Bereich der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik ab und findet dabei wegweisende Konzepte mit Gegenwartsbezug.

Hans-Jürgen Stubig vergleicht in seinem Beitrag die familiäre Herkunft und die Lebenswege Friedrich Jodls und Wilhelm Bolins. Er zeichnet ihr Kennenlernen und ihre enge Freundschaft im Geiste Feuerbachs nach. Die Editionsgeschichte der Feuerbach-Werke und die Arbeitsweise der beiden Herausgeber werden dabei deutlich.

Dr. Peter Stachel gibt vielfältige Einblicke in die zahlreichen Kontakte und Korrespondenzen Jodls auf der Grundlage seines bisher nur teilweise erforschten und veröffentlichten Briefnachlasses. Erläutert wird der Austausch mit dem Philosophen Alexius Meinong, dem Psychoanalytiker Sigmund Freud, dem Arzt Josef Breuer und dem Soziologen Georg Simmel.

Friedrich Jodls "Lehrbuch der Psychologie" ist Gegenstand des Textes von Dr. Georg Gimpl. Systematischer Aufbau, inhaltliche Gliederung, philosophischer Hintergrund und zeitgenössische Bedeutung dieses oft unterschätzten Werkes werden erklärt und neu gewürdigt.

Mit Jodls Vorlesungen zur Ästhetik an der Technischen Hochschule in Wien setzt sich Rolf Küffner auseinander. Er gibt eine ideengeschichtliche Einordnung, stellt Jodls Auffassungen zum Verhältnis von Form und Inhalt von Kunstwerken vor und diskutiert die Fruchtbarkeit dieses ästhetischen Zugangs.

Prof. Dr. Rainer Prätorius zeichnet die Ursprünge und Ziele der ethischen Bewegung in den USA nach. Er schildert die zentrale Rolle Felix Adlers, erläutert die Abgrenzung von und die Gemeinsamkeit mit den Religionen und weist auf typisch amerikanische Besonderheiten dieser Bewegung hin, die zu Jodls Zeiten eine starke Ausstrahlungskraft in den deutschsprachigen Raum hatte.

Mag. Daniela Savel berichtet über den gesellschaftlichen Bedarf, die Gründung und die Entwicklung des Wiener Volksbildungvereins bis 1914. Nach kurzer Wiedergabe von Jodls Weltanschauung und Bildungsverständnis zeichnet sie sein langjähriges Wirken auf dem Gebiet der Volksbildung nach, ruft seine Vorstandsämter und Vorträge in Erinnerung und geht auch auf das damalige Bibliothekswesen ein.

Der Beitrag von Manja Stegemann schildert den Verlauf des großen Internationalen Monistenkongresses 1911 in Hamburg und gibt eine zusammenfassende Darstellung der monistischen Weltanschauung in ihrer damaligen Ausprägung, einschließlich ethischer Vorstellungen und der Forderung nach Trennung von Kirche und Schule sowie von Kirche und Staat.

Einen kurzen Einblick in die Fülle der Jodl’schen Vorträge und Aufsätze gewährt Dr. Dr. Joachim Kahl. Er betont dabei die Verträglichkeit der biologischen Abstammung und Ausstattung des Menschen mit einer Kultur der Kooperation, wie sie schon Jodl gesehen hat.

Eine gründliche Aufarbeitung von Jodls Beziehung zu Friedrich Nietzsche legt Helmut Walther vor. Er vergleicht die Lebensläufe der beiden, geht auf ihren Musikgeschmack und ihr Verhältnis zu Wagner ein, analysiert ihre Abkehr vom Christentum und erklärt ihre unterschiedlichen Schlussfolgerungen zu Ethik und Moral. Jodls kritische Bewertung Nietzsches, aber auch das rezeptionsgeschichtliche Ungleichgewicht zwischen beiden Denkern werden nachvollziehbar.

Prof. Dr. Thomas Rießinger befasst sich mit Jodls Spätwerk, seiner immer klarer hervortretenden Kritik am Idealismus in der theoretischen Philosophie. Er zeichnet Jodls Abgrenzung von platonischen, aber auch von kantischen Positionen nach. Die realistische und materialistische Grundlegung von Jodls Philosophie gewährleistet ihre Offenheit für naturwissenschaftliche Erkenntnisse und impliziert zugleich die strikte Anbindung von Bewusstseinsphänomenen an neuronale Vorgänge einerseits und die Ablehnung theologischer Spekulationen andererseits.

Im abschließenden Beitrag geht Dr. Andreas Heyer der Frage nach, wieso sich die SED-Intellektuellen in der DDR nicht intensiver mit Jodl befasst oder gar auf ihn berufen haben. Er erläutert die Sonderrolle von Georg Lukács und Wolfgang Harich. Dabei werden die ideologischen Hürden des orthodoxen Marxismus gegenüber der sog. "bürgerlichen Philosophie" deutlich.

Am Ende des Sonderhefts steht ein kurzer Ausblick des Herausgebers und der Hinweis auf die in Gründung befindliche Friedrich-Jodl-Gesellschaft. In ihr soll sein Erbe fachkundig und im Geiste der Aufklärung gepflegt werden.

Die reibungslose Fertigstellung und das zeitnahe Erscheinen dieses Heftes wären nicht möglich gewesen ohne die stets motivierende, philosophisch kompetente und technisch souveräne Hintergrundarbeit von Helmut Walther. Ihm gilt mein herzlicher Dank!

 


Bestellmöglichkeit über die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg - im Internet unter www.gkpn.de (Schutzgebühr 10 EUR)