Aufklärung und Kritik 3/2016 erschienen

Das aktuelle Heft von "Aufklärung und Kritik", der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg, ist erschienen. Die Redaktion hat dem hpd wieder das Vorwort zu Verfügung gestellt.

Aufklärung und Kritik sind angesichts beängstigender Erfolge radikaler Bewegungen und dem Erstarken lange totgeglaubter anti-aufklärerischer Ideen nötiger denn je. Ob man nun die Erfolge der AfD und vergleichbarer Gruppen darin begründet sieht, dass strukturschwache Regionen den einzig verbliebenen Protestweg wählen oder eher darin, dass sich immer schon schwelende bürgerliche Ressentiments Bahn brechen, ist eine wichtige Frage; noch wichtiger ist, wie wir es schaffen, den gesellschaftlichen Diskurs auf kommunikativen Schienen zu halten und ihn nicht abdriften zu lassen. Zur kritischen und aufgeklärten Auseinandersetzung lädt diese gut gefüllte Ausgabe von AuK erneut ein:

Im Eröffnungsbeitrag dieser Ausgabe untersucht Dr. Philipp Batthyány Gefährdungen und Risiken der Freiheit der Individuen allgemein und konkret in den westlichen Gesellschaften; nachdem er seine Auffassung des Wesens von Freiheit entwickelt hat, schildert er deren verschiedene, sich oft unbemerkt einschleichende Aushöhlungen, womit paradoxerweise im Namen der Freiheit diese selbst eingeschränkt wird, unter anderem auch durch die ökonomische Einengung auf Nutzenmaximierung. Diesen Verengungen setzt er sein utopisches und offenes Ideal einer formalen Freiheitsgarantie durch den Staat gegenüber, welche die materiale Freiheit der Individuen gewährleisten soll.

In seinem kurzen Beitrag Über die Auffassungen des Generals Carl von Clausewitz skizziert und erläutert Prof. Dr. Hans Albert die Überlegungen des wohl wichtigsten westlichen Kriegstheoretikers zu Krieg, Frieden, Neutralität und Verbundenheit.

Prof. Dr. Hans Friesen beschreitet in seinem Artikel den Weg von der "Ich-Wir-Balance" zur "globalen Wir-Identität". Darin beschreibt er, wie sich unsere Betrachtung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft durch verschiedene Diskurse gewandelt hat und wie Interkulturalität im 21. Jahrhundert zu verstehen ist.

Aufklärung ist naturgemäß immer verbunden mit Bildung.

Prof. Dr. Ingo Pies stellt in seinem Beitrag "Werte-Erziehung? Wirtschafts-Unterricht?" eine Reihe von Thesen zum schulischen Bildungsauftrag vor. Er geht dabei u.a. der Frage nach, ob und welche Werte die Schule zu vermitteln hat und wieso eine aufgeklärte Bildung in einer kapitalistisch verfassten Gesellschaft nicht ohne ein Verständnis ökonomischer Zusammenhänge auskommen kann.

Prof. Dr. Peter Tepe zeigt in seinem Aufsatz "Fundamentalismus: Neue Wege in Analyse und Kritik" auf, wie verfahren unser Fundamentalismus-Diskurs schon alleine begrifflich ist, welche Definitionen und Bedeutungsebenen wir unterscheiden müssen und weshalb eine historische und sprachliche Analyse der wirksamen Kritik vorangehen muss.

In seinem Beitrag "Zwischen Koran und Grundgesetz" analysiert Klaus Goergen die Bildungspläne für den islamischen Religionsunterricht in Baden-Württemberg im Hinblick darauf, ob diese geeignet sind, eine kritisch-distanzierte Auseinandersetzung mit dem Islam zu gewährleisten.

Prof. Dr. Rainer Prätorius‘ Aufsatz "Säkularismus in den USA – eine Aktualisierung" liefert aktuelles statistisches Material und Deutungsansätze zur Nicht-Religiosität in "God’s own country". Nicht nur die Selbstzuordnung zu religiösen Lagern kommt zur Sprache, sondern auch neue Formen von "Spiritualität" und Religiosität abseits der Kirchen und Sekten.

Prof. Dr. Christian Niemeyer untersucht in "Nietzsche und die Lebenskunst", inwieweit uns Nietzsche überhaupt als Kronzeuge für die "Lebenskunst"-Debatten zur Verfügung steht, wie sich der lebenskünstlerisch vielleicht gescheiterte Philosoph als Stichwortgeber ge- oder missbrauchen lässt – und vor allem, wer diese Stichwörter aufgreift und wie verwendet.

In seinem Beitrag "Heidegger, ein philosophischer Mystiker?" entschleiert Prof. Dr. Anton Grabner-Haider Heideggers Philosophie um Sein und Zeit als (zuweilen sehr schlecht) getarnte Theologie und Mystik.

Gedanken und Analysen zu Rationalität und Lebenswelt liefert Dr. Klaus Peter Müller in seinem Aufsatz zu Habermas’ Idee einer "kommunikativen Vernunft". Über Begriffsdefinitionen und Quellenanalysen entwickelt er einen konkreten Begriff kommunikativer Rationalität und prüft, was diese im Habermas‘schen Werk bedeutet (und wie sie zu erreichen sein könnte).

Die gesellschaftliche Debatte um die Thesen und Äußerungen des Bioethikers Peter Singer erreicht(e) auch in Deutschland immer wieder kuriose, fast hysterische Höhen und Tiefen. Kevin M. Dear geht in "Zwischen Ein- und Ausladung: Peter Singer in Deutschland" dem Phänomen und den wunden Punkten der Diskussion nach.

Frederick Herget ist als studierter Philosoph, Mathematiker und Physiker bestens gerüstet, einen Abriss über Mathematik zu formulieren. Insbesondere die Unzweideutigkeit und Unmissverständlichkeit des mathematischen Beweises (und der mathematischen Sprache) stehen im Fokus.

In seinem Artikel "Systemdenken in der Philosophie" bespricht Dr. Jürgen Lambrecht, welche Kategorienfehler bei der Betrachtung von Systemen gemacht werden können (wie diese mit ihren Elementen verwechselt werden), und was dies auch für die Bewusstseins-Philosophie bedeutet.

Den Hauptteil des Heftes beschließt Dr. Wilhelm Richard Baier. Er bespricht in seinem kurzen Beitrag den Sorites, das sogenannte Haufen-Paradoxon: Wann wird aus einer Reihe von Sandkörnern ein Haufen – und wie viele Körner darf man entfernen, bevor es keinen Haufen mehr gibt?

Im FORUM möchte Prof. Dr. Horst Herrmann eine Initiative zum Thema christliche und säkulare Feiertage in Deutschland starten. Alfred Reif liefert uns ein Protokoll: Und Gott lachte. Prof. Dr. Hermann Josef Schmidt betrachtet Nietzsches doppelte Verabschiedung der "Naumburger Tugend", und auch Prof. Dr. Christian Niemeyer widmet sich Nietzsche und merkt Kritisches an "Zum jüngsten Versuch, der denkerischen Entwicklung eines offensichtlichen Kotzbrockens" auf die Spur zu kommen. (Diesen Untertitel musste ich hier vollständig wiedergeben, ich bitte um Verständnis.)

Prof. Dr. Thomas Rießinger stellt Band 13 der "Gesammelten Werke" von Karl R. Popper mit dem Titel "Erkenntnis und Evolution" vor, der von unserem Mitherausgeber Hans-Joachim Niemann herausgegeben wurde. Prof. Dr. Dr. Gerhard Vollmer betrachtet das Phänomen "Mario Bunge, Physiker und Philosoph".

Dr. Hans-Joachim Böhlk versucht eine "Ehrung des Anarchisten", Ufuk Özbe kritisiert die Poppersche Lösung für das Problem Humes und Russells. Dr. Matthias Mindach betrachtet die jüngste "Wiederentdeckung des Christentums – und was man von ihr halten mag", weiter steuert Helmut Dreßler einen "Traktat zur Vernünftigkeit" bei und Dr. Dominik Riedo analysiert in "Der Staat voll Ignoranten, was wir aus Max Frischs ‹Fische› lernen können".

Auch diese Ausgabe von AuK wird wie immer abgerundet durch eine Reihe von Rezensionen neu erschienener Titel. Der Buchmarkt hält einiges Neues bereit, u.a. zu Feuerbach, zur Kritik von Götzenbildern, Karlheinz Deschner, Ernährungswissenschaft, Anarchie, Erotik und Gewalt.

Bezug der Ausgabe über die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg via Internet: www.gkpn.de (Schutzgebühr 12,00 EUR zuzügl. 1,50 EUR Verp. u. Porto)