50 Jahre Liturgiereform

Geschichtliches

Mit dem Messbuch von 1570 wurde der tridentinische Ritus im Auftrag des Konzils von Trient eingeführt. Das Trienter Konzil beabsichtigte damals, genauso wie später das Zweite Vatikanische Konzil, eine Reform der Liturgie. Andere Traditionen gingen damit unter, weil sie verboten oder verdrängt wurden.

An dem alten Ritus wurden immer wieder kleine Veränderungen vorgenommen. Die letzte Ausgabe dieses Messbuchs wurde im Jahr 1962 unter Papst Johannes XXIII. herausgegeben. Um ein gültiges Konzept zu erarbeiten, hatte das Zweite Vatikanische Konzil beschlossen, eine umfassende Liturgiereform durchzuführen. Von Papst Paul VI. wurde die Einführung der Volkssprachen in den katholischen Gottesdienst zwischen 1964 und 1971 in mehreren Schritten befürwortet. Die einzelnen Bischofskonferenzen hatten die Kompetenz diese Entwicklung mitzutragen und zu befördern. Doch bereits Papst Johannes Paul II. gestattete unter bestimmten Bedingungen die Verwendung des Messbuches von 1962 und Papst Benedikt XVI. bestätigte die allgemeine Zulassung unter bestimmten Voraussetzungen. Für diese "außerordentliche Form" der Liturgie ist nur der Gebrauch des Lateinischen zulässig und die Gemeinde ist nur gering beteiligt.

Johannes XXIII. wollte keine neuen Dogmen, sondern ein von der Seelsorge geprägtes, dialogisches, nicht autoritäres Konzept. Er wollte die aktuellen Fragen der Christen im 20. Jahrhundert ansprechen. Nach drei Jahren intensiver Auseinandersetzung wurden die tiefgreifenden Veränderungen bekannt gegeben und „führten zur umfassenden liturgischen Erneuerung mit der Zurückdrängung der lateinischen Messe; zu einem verstärkten Selbstbewusstsein der Ortsbischöfe gegenüber Rom, aber auch der Laien gegenüber den Bischöfen; einer Bewusstwerdung von Weltkirche und einer ökumenischen Öffnung ohne Vorbild.”(3)

Bereits im Dezember 1963 wurde die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium als erstes Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils veröffentlicht. Gegenstand der damit beschlossenen „allgemeinen Erneuerung der Liturgie“ ist der gesamte Gottesdienst der Kirche: die Eucharistiefeier, die übrigen Sakramente und die Sakramentalien, das Tagzeitengebet, der Kalender, die Feste und Festzeiten, die Kirchenmusik und die sakrale Kunst.

Man erkannte, dass „nicht selten der Gebrauch der Muttersprache für das Volk sehr nützlich sein kann“.

„Bei dieser Erneuerung [der Liturgie] sollen Texte und Riten so geordnet werden, dass sie das Heilige, dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen, und so, dass das christliche Volk sie möglichst leicht erfassen und in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mitfeiern kann.”(6)

Die Muttersprachen sollten besonders in den Lesungen und im Allgemeinen Gebet sowie in den Teilen, die dem Volk zukommen, eingesetzt werden. Jedoch blieb man dabei, dass die Gläubigen auch Teile des Meßordinariums lateinisch sprechen oder singen können.

Aber nicht nur das Streitthema Liturgie stand zur Diskussion, sondern auch die Kleiderordnung wurde radikal verändert. Im Zuge der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils ging es gegen die Prunkgewänder der päpstlichen Senatoren. Nach alter Auffassung reflektieren die die jahrhundertealte Tradition der Kirche und ihren historischen Auftrag. Das Konzil wollte neue Wege gehen und ein neues Verständnis von Kirche entwickeln.

Paul VI. legte auch bei seiner Geistlichkeit Wert darauf, dass „Korrektheit und Anstand im Gleichklang seien mit Einfachheit, Zweckmäßigkeit und dem Geist von Demut und Armut”. Es sollte keine Seide mehr verwendet werden, Soutane, Mantelletta und Mozetta sollten nur noch aus Wolle hergestellt werden. Der schwarze Kardinalshut mit den rotgoldenen Kordeln wurde abgeschafft und die rot eingefassten Schuhe sollten nicht mehr verwendet werden.

Papst Johannes Paul II. lebte noch ganz diese Einfachheit. Er trug z. B. sehr einfache Lederschuhe. Doch bereits sein Nachfolger Benedikt XVI. legte die Beschlüsse des Konzils anders aus. Während er sich im Alltag bescheiden kleidete, verwendete er als Papst die traditionellen Accessoires in Hülle und Fülle in jeglicher Kombination. Viele der Kurie sahen dies als Zeichen, dass prunkvolle Pelze, Samt und Seide wieder Einzug in den Vatikan hielten.

Papst Franziskus hat nun einen neuen Anlauf genommen, Schlichtheit und authentisches Priestertum anzumahnen, wie es dem dienenden Charakter ihrer Würde entspreche.

Die Gegner

Eine Änderung in solchen Ausmaßen geht nicht ohne Widerstände zwischen Bewahrern und Erneuerern ab. Die scharfen Auseinandersetzungen der beiden Richtungen konnten damals nicht ausgeräumt werden und halten bis heute bis in die Pfarreien an. Beide Strömungen berufen sich auf den Geist des Konzils, da angesichts der unzähligen Reformvorschläge sich die Konzilsväter auf große Kompromisse selbst in zentralen Formulierungen einlassen mussten. Die vom Konzil beschlossenen Grundzüge der Liturgiereform waren hingegen selbst für traditionell denkende Bischöfe noch konsensfähig.

Der Begeisterung des Konzils folgte ein Aufbruch, aber auch eine Zeit allgemeiner Verunsicherung. Bei der Umsetzung von Sacrosanctum concilium kam es zu Brüchen, das Lateinische verschwand fast völlig, viele Altäre wurden abgebaut und das "heilige Geheimnis" des Messopfers wurde zu einer Art Abendmahls-Erinnerungsfeier umgedeutet.

Priester erfanden eigene Hochgebete und entfernten durch eigene Liturgiekreationen die letzten Spuren der "alten Messe". Die übers Ziel hinaus schießende Experimentierfreudigkeit im Gottesdienst und die Entfernung von Kircheneinrichtungen und liturgischen Geräten trieb viele Katholiken in die Arme von Traditionalisten (z. B. Erzbischof Marcel Lefebvre mit der Priester-bruderschaft). Die Katholiken sahen die vertrauten Ausdrucksformen ihres Glaubens über Nacht verschwinden. Der Erneuerungseifer und die rabiate Haltung gegenüber den Verfechtern des alten Ritus trugen dazu bei, dass sich ab 1970 die Traditionalisten unter Führung des französischen Erzbischofs Marcel Lefebvre von Rom entfernten. Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben mehrfach versucht, die Auswüchse auf ein vertretbares Maß zurückzudrängen, und auch Papst Franziskus neigt in Sachen Liturgie nicht zu neuen Versuchen. Inzwischen ist die Wert­schätzung einer würdigen Liturgie inzwischen wieder gewachsen.

Die Gegner der Reform werfen den folgenden Päpsten vor, sich gegen die liturgische Bewegung in der ersten Jahrzehnten und deren Ansätze gestellt zu haben und damit in der Praxis seit den 60er Jahren den Menschen das Wesen und Geheimnis der Liturgie nahezubringen. Stattdessen bringe sie die Liturgie, zunächst in Formen dann auch in den Inhalten unter die Herrschaft weltlicher Verhältnisse, Gewohnheiten und Erwartungen. Sie werfen den Erneuerern vor, die Liturgie auf eine Feier der Gemeinde reduziert zu haben und irgendwie im Wort der Schrift, in der Harmonie der Versammlung und am Tisch des gemeinsamen Mahles dem Göttlichen begegnen zu wollen.

Das Konzil ist für die einen für eine weltoffene, den Problemen der Zeit zugewandte Kirche; für die anderen kirchliche Anbiederung an den Zeitgeist und eine freiwillige Aufgabe von Glaubens­traditionen. Mit dem Aufkommen der neuen Medien gelingt es einigen Kreisen wieder besonders gut, sich lautstark zu den alten Liturgieformen zu äußern und eine neue Anhängerschaft, besonders unter jungen Leuten zu gewinnen.

Die Diskussion über Traditionsbruch oder Kontinuität des Konzils überdeckt inzwischen längst die Debatte, wie weit die Kirche in den vergangenen 50 Jahren bei der Umsetzung der Konzils­beschlüsse gediehen ist.

50 Jahre danach

Die katholische Kirche nähert sich 50 Jahre nach der Verkündigung von "Sacrosanctum concilium" wieder allmählich dem an, was die Konzilsväter 1963 tatsächlich beschlossen: Einer Feier des Gottesdienstes, die "das christliche Leben unter den Gläubigen vertieft" und die das "stärkt, was dazu beiträgt, alle in den Schoß der Kirche zu rufen".(3)

Papst Franziskus hat in Erinnerung an die liturgische Erneuerung an gleicher Stelle in Rom in der Kirche von Ognisanti einen Festgottesdienst gehalten – komplett in Italienisch.

Papst Franziskus erinnerte daran, dass die Feier der Messe „in der Sprache des Volkes“ durch Papst Paul VI. „die liturgische Reform einleitete“.

„Danke sehr, ganz herzlichen Dank für eure Gastfreundschaft, für eure Gebete mit mir in der Messe, und wir danken dem Herrn für das, was er in der Kirche in diesen 50 Jahren der Liturgiereform gewirkt hat. Es war eine mutige Geste der Kirche, sich dem Volk Gottes so anzunähern, daß es wirklich verstehen konnte, was sie tut, und es ist ganz wichtig für uns, daß wir der Messe eben so folgen. Und wir können nicht zurückgehen, wir müssen immer voranschreiten, immer voran, und wer sich zurückwendet, irrt sich. Wir schreiten auf diesem Weg voran.“ (7)

An diesem Ausspruch wird deutlich, dass die Liturgiereform Gegner hat und dass es auch nach 50 Jahren Auseinandersetzungen über die Gültigkeit gibt. Nicht wenige wünschen sich jahr­hunderte­alte, luxuriös ausgestattete Gottesdienstform wieder zurück und es entbrennt ein Streit darüber, welche Form akzeptiert werden kann.

Papst Franziskus lässt keinen Zweifel daran und bekennt sich eindeutig zum Neuen, während sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. in einem Begleitschreiben zum Summorum Pontificum klarstellte, dass es durchaus möglich ist, die alten Formen beizubehalten und je nach Anlass eine der zulässigen Formen (darunter auch der 1970 modifizierte Römische Kanon) auszuwählen.

Cardinal Robert Sarah aus Guinea, seit Ende 2014 Präfekt der römischen Gottesdienst­kongre­gation, bemerkte, dass das zweite vatikanische Konzil niemals verlangt hätte, die Messe von Papst Pius V. aufzugeben, genau sowenig die Abschaffung des Latein. Er setzt sich dafür ein, dass der Gottesdienst und die Eucharistiefeier etwas Besonderes sind und in entsprechender Form gefeiert werden soll. Dabei soll kein Zwang ausgeübt werden, sich nur dem Novus ordo unterzuordnen.

 

Quellen:

(1) katholisch.de/de/katholisch/glaube/unser_gottesdienst_2/gottesdienst/gottesdienst

(2) domradio.de/themen/zweites-vatikanisches-konzil/2015-02-02/

(3) domradio.de/themen/zweites-vatikanisches-konzil/2013-12-03/

(4) katholisch.de/de/katholisch/themen/dossiers_1/zweites_vatikanisches_konzil/zweites_vatikanum_hintergrund.php

(5) summorum-pontificum.de

(6) societas-liturgica.org/

(7) wikipedia.org/wiki/Participatio_actuosa

(8) www.news.va/en/news/pope-francis-church-calls-us-to-authentic-liturgic

(9) www.kath.net/news/17235

(10) Pollack, Säkularisierung – ein moderner Mythos? Studien zum religiösen Wandel in Deutschland, 2003

(11) Patrick Nitsch 2006, Die Politiken der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche zum Nutzungswandel von Kirchengebäuden in Deutschland

(12) Karl Rahner „Kleines Konzilskompendium", Herder-Verlag