bfg München fordert:

Straßen der Kardinäle Faulhaber, Wendel und Döpfner umbenennen

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Kardinal-Faulhaber-Straße in München

Nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) vor einem Jahr kam kurzzeitig die Forderung auf, die Münchner Straßen der Kardinäle Faulhaber, Wendel und Döpfner umzubenennen. Von Seiten der Stadt wurde darauf jedoch nicht reagiert. Michael Wladarsch, Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit München (bfg München), ärgert das: "Die Kardinäle Faulhaber, Wendel und Döpfner haben es nicht verdient, in München mit einem Straßennamen geehrt zu werden. Dazu genügt ein Blick in das Missbrauchsgutachten, das nachvollziehbar belegt, wie Missbrauchstäter geschützt und Opfer und ihr Leid ignoriert und missachtet wurden."

Als ersten Schritt fordert Wladarsch, die Kardinal-Wendel-Straße und die Kardinal-Döpfner-Straße auf die städtische sogenannte "Shortlist" der Münchner Straßennamen "mit erhöhtem Diskussionsbedarf" zu nehmen.

Die Kardinal-Faulhaber-Straße ist dort bereits vertreten – allerdings nicht wegen des Themas sexueller Missbrauch. Auf der Shortlist mit 45 Namen finden sich bisher mutmaßliche Antisemiten, Nationalsozialisten, Kolonialverbrecher oder Militaristen.

Wladarsch sieht keinen Grund, warum nicht auch sexueller Missbrauch zur Aufnahme in die Shortlist und letztendlich zur Umbenennung des Straßennamens führen sollte.

Die Namensgeber der Straßen auf der Shortlist sind laut Münchner Stadtarchiv Personen "deren lebensgeschichtliches Wirken darauf hindeutet, dass ihr Handeln in einem eklatanten Widerspruch zu fundamentalen und überzeitlichen humanitären und demokratischen Grundwerten stehen könnte". Für den Vorsitzenden des bfg München trifft das auf die drei Kardinäle zu.

Im Missbrauchsgutachten der Kanzlei WSW wurde den Kardinälen Faulhaber, Wendel und Döpfner Fehlverhalten in insgesamt 28 Fällen bescheinigt – Faulhaber von 1945 bis 1952 in vier Fällen, Wendel von 1952 bis 1960 in acht Fällen und Döpfner von 1961 bis 1976 in 14 Fällen.

235 mutmaßliche Täter insgesamt hatte WSW im Zeitraum 1945 bis 2019 ermittelt. Die Zahl der Geschädigten liegt laut Gutachten bei 497. Bei 43 Klerikern seien Maßnahmen mit Sanktionscharakter unterblieben, 40 Kleriker seien nach dem Bekanntwerden einschlägiger Vorwürfe wiederum in der Seelsorge eingesetzt beziehungsweise deren seelsorgerische Tätigkeit geduldet worden – 18 davon sogar nach einschlägiger staatlicher Verurteilung. Darauf wies Anwalt Dr. Martin Pusch bei der Präsentation des Missbrauchsgutachtens am 20. Januar 2022 hin.

Im Folgenden einige Zitate aus dem Missbrauchsgutachten, die belegen, warum die Kardinäle Döpfner, Wendel und Faulhaber nicht mit einem Straßennamen geehrt werden sollten beziehungsweise warum darüber diskutiert werden muss.

Kardinal Döpfner

Im Missbrauchsgutachten stellen die Gutachter*innen für die Amtszeit Döpfners fest, dass die Versetzungspraxis im Erzbistum enorm zugenommen hat:

"In einer bis dahin nicht feststellbaren Anzahl wurden einschlägig straffällig gewordene Priester aus anderen (Erz-)Diözesen innerhalb sowie außerhalb Deutschlands in den Dienst der Erzdiözese München und Freising übernommen und ohne weitere tätigkeitsbeschränkende oder -begleitende Maßnahmen in der Seelsorge eingesetzt. Diese Praxis wurde in vergleichbarer Weise noch unter dem Nachfolger des Erzbischofs Kardinal Döpfner (Anm.: gemeint ist Erzbischof Joseph Ratzinger) fortgeführt und erfuhr erst danach einen spürbaren Rückgang" (Missbrauchsgutachten, S.681).

Kardinal Wendel

Das Missbrauchsgutachten stellt bei Wendel in acht Fällen ein fehlerhaftes Verhalten fest. "Auffallend ist, dass nahezu alle diese Fälle verurteilte Sexualstraftäter betreffen. In der tendenziell kurz bemessenen Amtszeit des Erzbischofs Kardinal Wendel sind damit eine unverhältnismäßig hohe Zahl und Häufung einschlägiger Verurteilungen durch staatliche Gerichte festzustellen" (Missbrauchsgutachten, S.648).

Kardinal Faulhaber

Zugutegehalten wird Faulhaber im Missbrauchsgutachten, dass er einerseits auch gegen Täter vorgegangen ist. "Andererseits wurden verurteilte Missbrauchstäter, wie zu vermuten ist, auch mit Wissen und Billigung des damaligen Erzbischofs Kardinal von Faulhaber ohne substanzielle Tätigkeitsbeschränkungen wieder in der Seelsorge sowie im Schuldienst eingesetzt" (Missbrauchsgutachten, S.632).

Und weiter: "Einheitlich war hingegen das Verhalten gegenüber den Geschädigten. Unababängig davon, ob diese beispielsweise anhand vorliegender Strafurteile bekannt oder anderweitig identifizierbar waren, konnten die Gutachter feststellen, dass diese durchgängig nicht beachtet wurden" (Missbrauchsgutachten, S.632).

Demokratiefeind Faulhaber

Faulhaber wird zudem in der Öffentlichkeit schon seit vielen Jahren kritisch betrachtet, insbesondere wegen seines Verhaltens und Wirkens während des Nationalsozialismus. Das hat dazu geführt, dass am 20. Oktober 2022 die Stadt Würzburg entschied, den Kardinal-Faulhaber-Platz umzubenennen. Ähnliches könnte auch in München passieren, steht doch die Kardinal-Faulhaber-Straße auf der städtischen Shortlist von Straßennamen mit erhöhtem Diskussionsbedarf.

Wladarsch begrüßt, "dass eine deutliche Mehrheit im Würzburger Stadtrat die Umbenennung des Kardinal-Faulhaber-Platzes beschlossen hat. Wir fordern schon seit 2019 die Umbenennung der Münchner Kardinal-Faulhaber-Straße. Es ist nicht akzeptabel, dass in München ein Demokratiefeind und Hitler-Verehrer wie Kardinal Faulhaber mit einem Straßennamen geehrt wird."

Denn die Ehrung Faulhabers mit einem Münchner Straßennamen im Jahr 1952 geschah damals ganz offenkundig in Unkenntnis seiner Gegnerschaft zur Demokratie. So schrieb der Kardinal am 15. September 1933 voller Hoffnung in sein Tagebuch, dass Hitler das gelänge, was Bismarck nicht schaffte, "das Übel des parlamentarischen demokratischen Systems mit der Wurzel auszureißen, (...). In letzter Stunde gab die Vorsehung dem deutschen Volk einen Mann, der es, so Gott will, zu einem besseren Reich führen soll."

Es geschah wohl auch in Unkenntnis seines antisemitischen Hasses auf Kurt Eisner, den ersten Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern, den er am 27. Februar 1919 als einen "Teil von jener Kraft, die Jesus gekreuzigt hat", bezeichnete.

Und offenbar wusste man nichts über seinen allgemeinen Antisemitismus. Im Oktober 1936 gestand Faulhaber dem NS-Regime das Recht zu, "gegen Auswüchse des Judentums in seinem Bereich vorzugehen" (aus Rudolf Reiser, Kardinal Michael Faulhaber, S. 58).

Auch rief Faulhaber 1938 nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich "das katholische Volk" auf, "in weltgeschichtlicher Stunde ein Treuebekenntnis zum Führer und Reichskanzler Hitler abzulegen" und ordnete an, dass "in unseren Diözesen die Kirchenglocken geläutet werden" (Reiser, S. 63-64).

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