Die "Judensau" bleibt am Regensburger Dom

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Die "Judensau" am Regensburger Dom
Die "Judensau" am Regensburger Dom

Seit dem 14. Jahrhundert prangt eine judenfeindliche Schmähplastik an der Fassade des Regensburger Doms. Die Rede ist von der sogenannte "Judensau": Das Relief zeigt ein weibliches Schwein, an dessen Zitzen jüdische Männer wie Ferkel saugen. Der Bund für Geistesfreiheit München hatte sich nachdrücklich für eine Entfernung der Skulptur eingesetzt, doch die Abbildung wird an Ort und Stelle verbleiben. Darauf haben sich Vertreterinnen und Vertreter der jüdischer Gemeinde, der Bauverwaltung und Denkmalpflege und der katholischen Kirche, Inhaberin des Gebäudes, geeinigt.

Immerhin soll eine neue Infotafel an der Kirchenmauer Betrachtern helfen, die Plastik historisch einzuordnen – als diffamierendes Schmähbild, das bei den Gläubigen Hass und Verachtung anstachelte und Gräueltaten legitimierte. Die Folgen dieser Rhetorik sind bekannt und reichen bin in die Gegenwart.

Wer heute mehr über die Regensburger "Judensau" wissen möchte, findet vor Ort nur spärliche Informationen vor. Eine Texttafel erläutert in schlichten Sätzen, dass "die Darstellung in Zusammenhang mit ihrer Zeit gesehen werden" müsse und "mit ihrem antijüdischen Aussagegehalt für den heutigen Betrachter befremdlich" sei. Kein Wort über das jahrhundertelange Klima christlicher Judenfeindschaft, das derartige Darstellungen erst ermöglichte. Kein Wort auch über ihre Auswirkungen.

Anders der neue Text, der demnächst auf einer gut sichtbaren Tafel an der Kirchenmauer zu lesen ist: "Mit dieser menschenverachtenden Propaganda wurden Jüdinnen und Juden zu Feinden des Christentums erklärt. So wurde über Jahrhunderte Hass gegen sie geschürt. Ausgrenzung, Verfolgung bis hin zum Mord waren die Folge", heißt es dort. Und weiter: "Heute soll diese Skulptur alle Menschen mahnen, gegen jede Form von Propaganda, Hass, Ausgrenzung und Antisemitismus vorzugehen."

"Wir hoffen durch diese Sichtbarmachung und Kommentierung, dass Menschen feinfühlig und hellhörig bei Antisemitismus werden", erklärte dazu Ilse Danziger, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Regensburg.

Verfasst wurde der Text von der Münchner Historikerin Prof. Eva Haverkamp-Rott und dem Beauftragten gegen Antisemitismus bei der bayerischen Landesregierung Ludwig Spaenle (CDU). Gegen eine Entfernung der Schmähplastik hatten sich sowohl Danziger als auch Spaenle ausgesprochen. Derartige Aktionen, wie sie beispielsweise der Bund für Geistesfreiheit (bfg München) für ganz Deutschland forderte, bezeichnete der CDU-Mann als "eine Art Bilderstürmerei".

Damit richtete sich Spaenle indirekt auch gegen das Anliegen eines jüdischen Gemeindemitgliedes aus Berlin, Michael Düllmann. Der Rentner klagt vor Gericht für die Abnahme eines anderen "Judensau"-Reliefs, das an der Fassade der Lutherkirche in Wittenberg prangt. Das Bildnis sei eine Beleidigung aller Menschen jüdischen Glaubens, argumentiert er. Nachdem die Vorinstanzen Düllmanns Klage abgewiesen hatten, wird der Bundesgerichtshof entscheiden, das Urteil ist für Mai zu erwarten.

Reliefs und Skulpturen mit dem mittelalterlichen Motiv der "Judensau"-Darstellungen sind vielerorts an historischen Kirchen und anderen Gebäuden im deutschen Sprachraum zu finden, so etwa an der Nürnberger Kirche St. Sebald und am Kölner Dom. Eine Übersicht hat der Künstler und Aktivist Wolfram P. Kastner zusammengestellt.

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