Der 6. Februar: Ein internationaler Tag für Millionen von leidenden Frauen

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Messer, die für die Genitalverstümmelung genutzt wurden. (Ostafrika)
Messer, die für die Genitalverstümmelung genutzt wurden.

Die Anfragen werden zahlreicher. Hilfsorganisationen und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer fragen nach Informationen zur weiblichen Genitalverstümmelung. Vor fünfzig Jahren wurde diese Problematik nur in wenigen feministischen Kreisen und ethnologischen Fachzeitschriften thematisiert. Kaum jemand wusste von dieser grausamen Praktik und noch weniger wusste man, wie man mit diesem Brauch umgehen kann. Da im fernen Afrika praktiziert, lag sie außerhalb unseres unmittelbaren Verantwortungsbereichs.

Das hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Engagierte betroffene Frauen haben durchgesetzt, dass die weibliche Genitalverstümmelung international geächtet wird. Der 6. Februar wurde im Jahr 2003 auf einer internationalen Konferenz des Interafrikanischen Komitees gegen schädliche traditionelle Praktiken zum Tag "Null Toleranz gegenüber der weiblichen Genitalverstümmelung" ausgerufen.

Inzwischen gibt es in Deutschland Hilfsorganisationen, die diesen Brauch bekämpfen. (I)NTACT ist die erste, die seit 1996 die Überwindung der Beschneidung zum Ziel hat. Dass nämlich allen Skeptikern zum Trotz große Erfolge möglich sind, hat der Verein inzwischen bewiesen. 2005 konnten das westafrikanische Benin und 2012 das benachbarte Togo große Feste zum Ende der weiblichen Genitalverstümmelung feiern. Aber: bis heute gibt es auch dort vereinzelt noch Befürworter und gelegentlich flackern die alten Bräuche mit allen Konsequenzen für ihre Opfer wieder auf. Das erzwingt eine ständige Präsenz und Kontrolle. Die gesetzlichen Verbote in den betroffenen Ländern, beziehungsweise deren Umsetzung reichen oft nicht aus.

Als Königsweg haben sich Aufklärung und Hilfe in den betroffenen Ländern vor Ort erwiesen. (I)NTACT arbeitet mit ortsansässigen Sozialarbeitern zusammen. Flächendeckend, von Dorf zu Dorf, werden alle in die Anstrengungen einbezogen: Frauen, Männer, Kinder, politische und religiöse Autoritäten, traditionelle Chefs, Beschneiderinnen, Lehrerinnen und Lehrer, die ganze Gemeinschaft wird aufgeklärt. Ihnen werden Wege aus den Fängen der Tradition aufgezeigt. Bereits betroffene Mädchen und Frauen, die an den Folgen des Eingriffs leiden, können medizinische Hilfe erhalten. So gelingt es, die Menschen in ganzen Dorfgemeinschaften und Regionen zu überzeugen, ihre Mädchen unversehrt aufwachsen zu lassen. Diese müssen dann auch nicht mehr fürchten, diskriminiert zu werden oder zwangsweise beschnitten zu werden.

Laut Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, mussten sich schätzungsweise 200 Millionen Mädchen und Frauen in 30 Ländern Afrikas, des Mittleren Ostens und Asiens der weiblichen Genitalverstümmelung unterziehen. Jedes Jahr kommen drei Millionen neue Opfer dazu. Auch in Ländern des Nahen Ostens kommt es vor, dass Mädchen dem Brauch unterworfen werfen.

Durch Migration leben Schätzungen zufolge in Deutschland 50.000 bereits betroffene Frauen. Ihre kleinen Töchter sind potentiell von einer Genitalverstümmelung bedroht.

Die Befürworter begründen die Tradition mit vielen Argumenten, die je nach Region und Kultur unterschiedlich ausfallen. Der Brauch wird zumeist durchgeführt, um die Mädchen zur Frau zu machen, um ihren angeblich überbordenden Sexualtrieb an die jeweilig erwünschten Vorstellungen anzupassen, sie "heiratsfähig" zu machen, um ihr Genital zu "verschönern" und um "Fehlgeburten zu verhindern".

Was aber bedeutet die weibliche Genitalverstümmelung? Kleinen Mädchen, meist im Alter von vier bis acht Jahren, werden ohne Narkose und unter unhygienischen Bedingungen Teile der Klitoris herausgeschnitten. Dann werden die inneren (teilweise) und in manchen Ländern und Regionen sogar Teile der äußeren Schamlippen entfernt. Bei der sogenannten "Infibulation" oder "pharaonischen Beschneidung" verschließt man die Reste der äußeren Schamlippen bis auf eine winzige Öffnung für Urin und Menstrualblut mit einer Naht oder Akaziendornen. Für einen Teil der Mädchen endet diese Prozedur mit dem Tod. Gesundheitliche Probleme haben die allermeisten, sowohl physische als auch psychische.

Es verwundert wenig, dass Mütter mit ihren Töchtern fliehen, um dieser Tradition zu entkommen. Es gab schon einige Fälle, in denen die weibliche Genitalverstümmelung als Asylgrund anerkannt wurde. Aber wenn im Herkunftsland Gesetze diesen Brauch verbieten, haben die Asylsuchenden keine Chancen. Man schickt sie in ihre Heimat zurück und stellt sie unter den vermeintlichen Schutz der dortigen Polizeibehörden.

Das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit wird in den Heimatländern der betroffenen oder bedrohten Mädchen und Frauen nicht durchgesetzt. Deshalb brauchen diejenigen, die vor dieser Tradition nach Deutschland fliehen, hier unsere Hilfe in Form von Asyl, Beratung und medizinische Versorgung.

Sabine Frankenberger
(I)NTACT e.V.