Bildungspolitik muss säkular sein

Der Pressesprecher des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), Rainer Ponitka, schrieb einen Gastartikel im Blog "Die Freiheitsliebe".

Bis zum späten 19. Jahrhundert bestimmten allein die Kirchen die Umsetzung u. a. bildungs­politischer und pädago­gischer Vor­gaben in der Volks­schule. Im Königreich Preußen wurde die Schul­aufsicht im Rahmen des Kultur­kampfes 1872 teil­weise verstaat­licht, doch durch die Aus­gestal­tung der Volks­schule u. a. als Bekenntnis­schule behielten die christ­lichen Kirchen maßgeblichen Einfluss auf die Bildung.

Vor der Verabschiedung der Weimarer Reichs­verfassung – mit der die Aufsicht über die öffent­liche Schule im ganzen damaligen Reich in die Hand der welt­lichen Behörde gelangte – gab es Bestre­bungen in einzelnen Ländern, die Schule zu verwelt­lichen und die Bildung von religiösem Einfluss zu befreien.
So gab es in Preußen den "Erlass über die Auf­hebung der geist­lichen Orts­schulauf­sicht" sowie den "Erlass über die Auf­hebung des Religions­zwangs in der Schule". Hier­durch wurden Schüler und Lehrer von der Pflicht befreit, am Religions­unterricht teil­zunehmen oder ihn zu erteilen; ebenso wurde die Teil­nahme an Gottes­diensten frei­gestellt und Schul­feiern mit religiösem Charakter wurden unter­sagt.

Hamburg, Sachsen und Bremen schafften von 1918 bis 1919 den Religions­unterricht komplett ab, und auch Bayern hob die geist­liche Schul­aufsicht 1919 auf. Diese Neuerungen fanden keinen Eingang in die Reichs­verfassung – der vehemente Protest der Großkirchen beförderte den Religions­unterricht als "ordent­liches Lehr­fach" in Artikel 49 der Weimarer Reichs­verfassung. 1933 bestätigte das zwischen Adolf Hitler und Papst Pius XI. geschlossene Reichs­konkordat den katho­lischen Religions­unterricht als "ordent­liches Lehr­fach" in Artikel 21; heute finden wir den Religions­unterricht in Art. 7 Abs. 3 des Grund­gesetzes.

Somit ist der Religions­unterricht das einzige im Grund­gesetz erwähnte Schul­fach, welches durch die Eigen­schaft des "ordentlichen Lehr­faches" von der öffent­lichen Hand – also von allen Steuer­zahlern finan­ziert wird. Laut dem "Violett­buch Kirchen­finanzen" von Carsten Frerk wurden "für die Erteilung des Religions­unterrichtes an allgemein­bildenen Schulen und Berufs­schulen … in Deutschland für staat­liche Religions­lehrer und Gestellungs­kräfte der Kirchen im Jahr 2009 insgesamt 1,7 Mrd. Euro ausge­geben".

...Nun soll zu den vorhan­denen bekenntnis­orientierten Fächern sukzessive ein islamischer Religions­unterricht einge­richtet werden. Dafür spricht aus meinen Augen nur der Gleich­behandlungs­grundsatz, der hier wie folgt heißen könnte: Egal, wie unver­nünftig die Glaubens­inhalte einer jedweden Religion auch sein mögen, eine jede erhält einen von allen Steuer­bürgern finanzierten Religions­unterricht. Ganz sicher haben die Religionen, die bereits über einen Religions­unterricht verfügen, ein Interesse, ihn nach dem Gleich­behandlungs­grundsatz auf weitere Gemein­schaften auszu­weiten: Geschieht dieses nicht, so müssen sie berechtigt die Einschränkung ihres Privilegs fürchten. Angesichts der sich ständig verringernden Zahl der Kirchen­mitglieder – und erst recht der Gläubigen! – stellt dies eine notwendige Diskussion dar. Nach hiesiger Ansicht zementiert die Ein­richtung jedes weiteren Religions­unterrichtes die unvoll­ständige Trennung von Staat und Religion und ist ein Schritt zurück in die Feudal­zeit, zur Einheit von Thron und Altar, in der durch Gottes Gnade einge­setzte Herrscher unhinter­fragt das Schicksal aller bestimmten.